Bulgariens Premier Kiril Petkow gibt sich kämpferisch. Seine Regierung sei auf das Szenario eines russischen Lieferstopps von Erdgas „vorbereitet“, versichert der Chef der proeuropäischen Antikorruptionspartei PP – und lehnt die von Moskau geforderte Bezahlung der Erdgaslieferungen in Rubel resolut ab: „Wir lassen uns nicht erpressen.“
Es gebe „keinen Anlass zur Beunruhigung“, Bulgarien habe sich für das Szenario eines russischen Lieferstopps seit Monaten gerüstet, versicherte bereits unmittelbar nach dessen Ankündigung in der Nacht zum Mittwoch in einer ersten Reaktion die Regierungssprecherin Lena Borislawowa: „Alternative Bezugsquellen sind gesichert und es gibt keinen Grund zur Panik.“
Tatsächlich dürfte ein länger anhaltender Lieferstopp das ärmste EU-Mitglied gehörig treffen. Obwohl Bulgariens früherer Langzeitpremier und heutige Oppositionschef Bojko Borissow (Gerb) jahrelang wiederholt angekündigt hatte, Bulgariens Energieversorgung diversifizieren zu wollen, hängt vor allem die Industrie des Balkanstaats noch immer am russischen Gastropf: 77 bis 90 Prozent seines Bedarfs deckt das 6,5-Millionen-Einwohner-Land nach unterschiedlichen Schätzungen bisher mit dem Import von russischem Erdgas.
„Nun sehen wir, wohin uns die Politik von Gerb und die Milliarden für die Turkish-Stream-Pipeline gebracht haben“, lastete Premier Petkow die Verantwortung für die ausgebliebene Gas-Abnabelung von Moskau auch der früheren Regierungspartei an. Zumindest einige Wochen dürfte Bulgarien laut Aussage von Energieminister Alexander Nikolow den Lieferstopp jedoch einigermaßen schadlos überstehen können. Das Land komme aus der Heizperiode, „der Verbrauch wird sinken“, versichert er. „Mindestens einen Monat“ seien ausreichend alternative Gasmengen „gesichert“.
Griechen und Türken sollen helfen
Ab 1. Juli ist laut Nikolow zudem mit „größeren Gasmengen“ aus Aserbaidschan zu rechnen: Das 2020 noch von der Regierung Borissow eingefädelte Abkommen mit Aserbaidschans staatlichen Socar-Konzern sieht für die nächsten 25 Jahre die Lieferung von bis zu einer Milliarde Kubikmeter pro Jahr vor – rund einem Drittel von Bulgariens gegenwärtigen Verbrauch. Die Pandemie verzögerte jedoch die Fertigstellung der sogenannten IGB-Pipeline (IGB: Gas Interconnector Greece Bulgaria) nach Griechenland.
Mit Hilfe der Nachbarn Griechenland, der Türkei, aber auch der EU hofft Sofia, die Folgen eines Lieferstopps zu überstehen – und seinen Gasbedarf decken zu können. Moskau nutze Erdgas als „politische und wirtschaftliche Waffe“, aber Bulgarien werde weder unter Druck verhandeln noch „sein Haupt beugen“, so Energieminister Nikolow.
Die bulgarischen Bürger können beruhigt sein. Es gibt einen klaren Plan, eine europäische Antwort.
Premier Petkow hat die „Überprüfung“ aller Abkommen mit Gazprom ankündigt – auch die über den Gas-Transit nach Serbien und Ungarn. „Unterbricht Bulgarien den Gasfluss nach Serbien?“, fragte sich bereits besorgt das serbische Webportal „nova.rs“. Energieminister Nikolow versichert indes, dass Bulgarien ein „loyaler Partner aller Nachbarn“ sei: „Bulgarien ist nicht Russland. Wir werden keine künstlichen Turbulenzen in den Nachbarstaaten schaffen.“
Ziel Moskaus: Sturz der Regierung
Der Energie-Experte Wasko Natschew glaubt, dass eines der Ziele Moskaus der Sturz von Bulgariens Regierung sei. Tatsächlich setzt bereits die Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine die wenig homogene Vierparteienkoalition in Sofia seit Tagen gehörig unter Druck. Premier Petkow und die prowestlichen Koalitionspartner sind dafür, die eher russophilen Sozialisten (BSP) dagegen: Die BSP boykottierte demonstrativ die Ukraine-Reise einer von Petrow angeführten Regierungsdelegation in dieser Woche.
Auch mit seinem einstigen Förderer Präsident Rumen Radew hat sich Premier Petkow wegen des Ukraine-Kriegs überworfen. Radew lehnt nicht nur Waffenlieferungen strikt ab, sondern warnt auch vor den Risiken des Lieferstopps. Warum seien nur Polen und Bulgaren von den Gaslieferungen „abgeschnitten“ worden und wie bezahlten Deutschland und Österreich ihre Rechnungen, fordert er von der Regierung die Beantwortung „einiger Fragen“ – auch die, ob und wie die EU seinem energieärmsten Mitglied helfen werde.
Grund für ernsthafte Sorgen sieht der Energie-Experte Natschew wegen des Endes der Heizperiode für sein Land trotz der „komplexen Situation“ allerdings nicht – zumindest, solange der Lieferstopp nicht auf die ganze EU ausgeweitet werde: „Falls nötig, wird Europa uns helfen.“ Die „einseitige Verletzung“ des Liefervertrags sei nicht nur ein Problem von Bulgarien, sondern „ein Problem für die gesamte EU“, auf das diese eine „gemeinsame Antwort“ geben werde, versichert Premier Petkow seinen Landsleuten: „Die bulgarischen Bürger können beruhigt sein. Es gibt einen klaren Plan, eine europäische Antwort.“
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können