Montag27. Oktober 2025

Demaart De Maart

Italien Energie aus Algerien anstatt aus Russland: Italien ersetzt russisches Gas

Italien  / Energie aus Algerien anstatt aus Russland: Italien ersetzt russisches Gas
Das Gas aus Algerien fließt über die Transmed-Pipeline durch das tunesische El-Haouaria nach Italien Foto: AFP/Fethi Belaid

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Wie in vielen europäischen Ländern hängt auch Italiens Energiewirtschaft an russischen Gaslieferungen. Der Krieg in der Ukraine versetzt die hiesige Industrie in große Sorgen, Ersatz für ausfallendes Gas und Öl wird dringend gesucht. In der vergangenen Woche haben die offiziellen Stellen Italiens und Algeriens einen weitreichenden Vertrag geschlossen, um russische Gaslieferungen zu substituieren.

Schon heute zählt Algerien zu den wichtigsten Gaslieferanten Italiens. 31 Prozent des wichtigen Energierohstoffes kommen über seit langem verlegte Pipelines durchs Mittelmeer nach Sizilien, von wo aus das Gas dann weiter ins Land geleitet wird. Das nordafrikanische Land steht so an zweiter Stelle der Gaslieferanten nach Russland, das bislang noch 40 Prozent der dringend benötigten fossilen Energie liefert.

Bei einem Treffen zwischen dem italienischen Regierungschef Mario Draghi und dem algerischen Präsidenten Abdelmadjid Tebboune wurde ein entsprechendes Abkommen vereinbart. Der italienische Energieversorger ENI – seit vielen Jahren an der Südküste des Mittelmeers aktiv – und ihr algerischer Partner Sonatrach sollen die Details des Liefervertrages konkret aushandeln. Noch für 2022 ist die Lieferung von drei Milliarden Kubikmetern Erdgas, für die Jahre 2023/24 die Lieferung von weiteren neun Milliarden Kubikmetern vereinbart. Der Gasfluss selbst soll über die Pipeline TransMed erfolgen, die von den Gasfeldern in Algerien über Tunesien, durchs Mittelmeer in den Zielhafen Mazara del Vallo auf Sizilien erfolgen. Bislang sind die Röhren nicht ausgelastet, die Pipeline arbeitet zurzeit nur auf „halber Kraft“. Alle beteiligten Seiten sind sich zunächst einig, dass keine Neuverlegung erforderlich sei.

Die CEOs von Eni und Sonatrach, Claudio Descalzi und Toufik Hakkar, zeigten sich bei Vertragsunterzeichnung optimistisch, dass dies die Fortführung einer langfristigen Handelsbeziehung sein kann.

Italien ist gasabhängig

Die italienische Energiewirtschaft ist von kontinuierlichen Gaslieferungen abhängig. Etwa 60 Prozent des elektrischen Stroms wird in Gaskraftwerken produziert. Nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl im April 1986 wurden die hiesigen Kernkraftwerke abgeschaltet, ein Neubau ausgeschlossen. Die wenigen Kohlekraftwerke sind für die Energiewirtschaft fast bedeutungslos. Die Ausbeute von Geothermie – von Seiten der Öl- und Gasindustrie aus Konkurrenzgründen über lange Zeit ausgebremst – ist mit etwas mehr als zwei Prozent an der gesamten Energieausbeute nur marginal beteiligt.

Vor allem in der lang anhaltenden Regentschaft Silvio Berlusconis, den mit Wladimir Putin eine enge „Männerfreundschaft“ verband, wurde die Abhängigkeit von russischem Gas deutlich ausgebaut. Nun befindet sich das Belpaese in einem ähnlichen Dilemma wie Deutschland.

Die jetzt mit Algerien geschlossenen Verträge dürften einen guten Teil der russischen Gasimporte kompensieren, doch die Lieferungen reichen nicht, um den Gasbedarf des Landes abzudecken. Italiens Infrastrukturminister Roberto Cingolani ist bereits mit libyschen Stellen in Verhandlung, um auch von dort die Gasimporte erhöhen zu können. Außenminister Luigi Di Maio verhandelt inzwischen mit Aserbaidschan, um die von dort kommenden Lieferungen über die Transadriatic Pipeline zu erhöhen. Zudem ist auch die Ausbeute eigener Gasvorkommen erneut im Gespräch. In früheren Jahren wurden aus onshore- und offshore-Anlagen etwa 20 Milliarden Kubikmeter Gas gewonnen, nicht zuletzt des Umweltschutzes wegen sind jedoch etliche dieser Anlagen geschlossen worden.

Krieg richtet schon jetzt Schaden an

Zu spüren sind die Kriegsauswirkungen des Ukrainekonflikts schon jetzt. Nicht nur, dass die Strom- und Treibstoffpreise durch die Decke schießen, auch die Lebenshaltungskosten sind deutlich gestiegen.

Starke Wirkung wird der Energiemangel in absehbarer Zeit auf die italienische Industrie haben. Hier dient Erdgas nicht nur als Energie für industrielle Prozesse, sondern auch als Ausgangsstoff vieler Produkte. Wirtschaftsforscher weisen bereits jetzt darauf hin, dass als Folge des Ukrainekrieges Italien wirtschaftliche Einbußen von 100 Milliarden Euro jährlich zu verzeichnen haben wird. Statt des für 2022 prognostizierten Wirtschaftswachstum von 4,2 Prozent wird nunmehr nur noch mit einem Wachstum von 2 Prozent gerechnet. Und dies bei einer zu erwartenden Inflationsrate von etwa 6 Prozent bis zum Jahresende.