An seinem Ost-West-Tanz auf vielen Stühlen hält Serbiens allgewaltiger Staatschef Aleksandar Vucic offiziell weiter fest. Serbien befinde sich in einer „unmöglichen Position“, weil es von allen Seiten „Druck erfahre“, klagte der bisherige Putin-Freund in einem TV-Interview vergangene Woche. Doch sein Land sei „das einzige Land in Europa“, das keinerlei „restriktive Maßnahme“ gegen Russland beschlossen habe: „Serbien ist auf dem EU-Weg, aber wendet sich nicht von seinen traditionellen Freunden ab.“
Mit seinen Unkenrufen, dass Serbien wegen der „korrekten Beziehungen zu Russland“ selbst Sanktionen und die Gefährdung der Renten drohe, scheint das Politchamäleon seine Landsleute jedoch vor allem auf seine nächste Häutung vorbereiten zu wollen: Nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sieht sich Vucic starkem EU-Druck zur Übernahme der Sanktionen gegen Russland und der Abkehr von moskauhörigen Würdenträgern ausgesetzt.
Als „Pyrrhussieg“ bezeichnet die Zeitung Nova den Wahlsieg von Vucic. Mit 43 Prozent fuhr seine SNS das schlechteste Ergebnis seit zehn Jahren ein und ist erstmals seit 2012 auf Koalitionspartner angewiesen. Wie die SNS scheint auch Serbiens autoritär gestrickter Dominator trotz seiner 58 Prozent bei der Präsidentenkür seinen Popularitätszenit überschritten zu haben: Ohne den Verzicht der sozialistischen SPS und anderer Partner auf eigene Kandidaten hätte er ein ähnlich mageres Ergebnis wie seine Partei eingefahren.
Wie die künftige Regierung aussieht, hängt dennoch weiter von Vucic ab. Doch dieses Mal dürfte er kaum monatelang geruhsam in sich gehen können. Die Schonfrist für den gerupften Wahlsieger ist vorbei. Die EU drängt darauf, moskauhörige Würdenträger wie Innenminister Aleksandar Vulin oder Parlamentschef Ivica Dacic (SPS) von der Regierungsbank fernzuhalten. Vulin soll auf den Botschafterposten in Peking abgeschoben werden. Eine Regierungsbildung ohne die erstarkte SPS dürfte der SNS jedoch schwerfallen.
Viele Parlamentarier stramm auf Moskau-Kurs
„Ein Vucic und viele Probleme“, umschreibt die Zeitschrift NIN dessen Kopfzerbrechen über das „Nachwahlrätsel“. Zwar kündigte Vucic schon in der Wahlnacht eine Koalition seiner SNS mit der ungarischen SVM an, die sich aber nur auf die minimale Mehrheit von 126 der 250 Sitze stützen könnte. Das rechte Nada-Bündnis drängt sich zwar als alternativer Mehrheitsbeschaffer auf, doch hat sich klar gegen Russland-Sanktionen ausgesprochen. Selbst wenn die SNS auch noch die Abgeordneten der bosniakischen Minderheitsparteien ins Regierungsboot nimmt, wären stabile Mehrheitsverhältnisse bei der absehbaren Kurswende in Sachen Russlandsanktionen keineswegs garantiert.
Nicht nur die SNS-nahe Boulevardpresse, sondern auch viele SNS-Parlamentarier segelten bisher stramm auf Moskau-Kurs: Obwohl Vucic seine Partei mit eiserner Hand führt, wäre das Ausscheren von Dissidenten bei einer Kehrtwende in der Russlandpolitik keineswegs ausgeschlossen. Denkbar ist daher, dass Vucic eine Annäherung an die von ihm seit Jahren verteufelten prowestlichen Oppositionsparteien versucht.
Zu Wochenbeginn hat sich Vucic bereits mit dem bisher von ihm als „Dieb“ und „Tycoon“ beschimpften SSP-Chef Dragan Djilas zu Beratungen über die Wiederholung der von Unregelmäßigkeiten überschatteten Kommunalwahl in Belgrad getroffen. Ein Regierungseintritt der SSP in eine von der SNS geführten Koalition ist zwar kaum denkbar. Doch Vucic könnte sich mit Zugeständnissen an den Erzfeind zumindest dessen Unterstützung bei der etwaigen Verhängung der Russlandsanktionen zu sichern suchen. „Djilas ist der Partner von Vucic für eine proeuropäische Regierung“, orakelte am Freitag die Zeitung Danas.
De Maart
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