Donnerstag6. November 2025

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Frankreich Beim „Salon international de l’agriculture“ muss sich jeder Präsidentschaftskandidat zeigen

Frankreich  / Beim „Salon international de l’agriculture“ muss sich jeder Präsidentschaftskandidat zeigen
Die Kuh (r.) zeigte wenig Interesse an der Besucherin Foto: AFP/Bertrand Guay

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Der „Salon international de l’agriculture“ ist für französische Politiker ein obligatorischer Zwischenstopp, vor allem vor der Präsidentschaftswahl. Oft kommt es dabei zu Auseinandersetzungen. Fast alle Kandidatinnen und Kandidaten haben die Landwirtschaftsmesse vergangene Woche besucht, doch nur einer hat die „Prüfung“ mit Bravour bestanden.

Der eigentliche Star der Landwirtschaftsmesse heißt Neige. Ähnlich wie bei einem Pilgerkreuz fängt jeder Präsidentschaftskandidat und Minister seinen Rundgang bei ihr an. Sie streicheln Neige leicht über den Rücken und sie kackt dabei gelegentlich. Doch das ist nicht weiter verwunderlich, denn Neige ist eine Kuh. Ursprünglich aus Le Grand-Bornand, am Fuße des Mont Blancs, durfte das Abondance-Rind in Paris den diesjährigen „Salon international de l’agriculture“ eröffnen.

Aufgrund der Präsidentschaftswahlen am 10. April besucht fast jede Kandidatin und jeder Kandidat die Messe. Der Kommunist Fabien Roussel klopft einer Grise auf den Bauch, der Rechtsextremist Eric Zemmour küsst einem Lamm auf die Stirn und die Républicains-Kandidatin Valérie Pécresse kratzt einer Brune zwischen die Augen.

Die Messe ist seit den sechziger Jahren ein obligatorischer Zwischenstopp für französische Politiker. Einige Wochen vor der ersten Wahlrunde kommt die Veranstaltung gelegen, um sich als volksnah zu inszenieren. Letzte Woche hat nur der Linke Jean-Luc Mélenchon seinen Besuch geschwänzt, da er die „profitorientierte“ Landwirtschaft verabscheut, die auf der Messe beworben werde.

In der Tat ist die Visite ein schwieriges Unterfangen, an dem Politiker oft scheitern. Nicolas Sarkozys berühmtes „Casses-toi, pauvre con“ ist ihm dort über die Lippen gehuscht, nachdem ein Bauer ihm einen Handschlag verweigert hatte. Emmanuel Macron wurde 2017 sogar mit einem Ei beworfen. Damals kommentierte Eric Zemmour, derzeit noch Kolumnist: „Kühe-Ärsche sind nichts für Emmanuel Macron. Nicht jeder kann Jacques Chirac sein!“ Fünf Jahre später wird der rechtsextreme Kandidat die Prüfung selbst bestehen müssen.

Foto-Termin für Politiker

Enthüllungen der Tageszeitung Libération zufolge scheint Eric Zemmour im Laufe der gesamten Messe vom 26. Februar bis zum 6. März täglich zwei seiner Berater auf das Gelände geschickt zu haben, um seinen Besuch am Freitag im Detail vorzubereiten. Zu seinem Auftritt kommt der Kandidat sogar von ein Dutzend Anhänger begleitet, die gelegentlich „Zemmour Président“ in die Menge rufen. Die Bilder zeigen ihn von Menschen umzingelt.

Die Fotos, die dort von den Kandidaten geschossen werden, stoßen üblicherweise in der Presse auf große Resonanz. Aus dem Grund wird manch ausgestelltes Vieh, wie Schweine oder Schafe, gemieden. Die Politiker bevorzugen Tiere, die politisch weniger konnotiert sind: prächtige Kühe und niedliche Lämmer zum Beispiel.

In der Wahlkampf-Strategie ist die Landwirtschaft von zentraler Bedeutung, obwohl es immer weniger Bauern gibt. Heute zählt Frankreich nur noch rund 400.000 Landwirte und damit weniger als ein Prozent der 48 Millionen Wahlberechtigten. Vor allem rechte Politiker zielen auf Bauern und Agrikultur-Interessierte ab. Eine rezente Studie der Meinungsforschungsinstitute Ipsos-Sopra Steria legt nahe, dass Landwirte am 10. April doppelt so häufig für Eric Zemmour wählen werden als der Durchschnittsbürger.

In den vorherigen Präsidentschaftswahlen war die rechts-populistische Kandidatin Marine Le Pen unter Bauern noch recht beliebt. Ihr Besuch auf der Messe soll ihre Popularität wieder herstellen. Doch als sie gerade der Star-Kuh Neige den Kopf krault, ruft ein Bauer „Kuckt, da ist Putins Tochter in blond“. Die Kandidatin des Rassemblement National (RN) hat nichts gehört und streichelt munter weiter. Marine Le Pen kritisiert die EU-Sanktionen gegen Russland, worunter zuerst die Landwirtschaft leiden würde. „Der RN erinnert sich noch an die Sanktionen von 2014, die unseren Bauern mehr Schaden brachten als den Russen“, erzählt die Putin-nahe Kandidatin. Der Anstieg der Getreide- und Aluminiumpreise findet sie „inakzeptabel“ für die Landwirtschaft.

Nicht einmal die Hälfte der Bauern wollen wählen

Einige Besucher der Messe freuen sich über den Besuch von Marine Le Pen, die meisten sind sich jedoch über ihre Inszenierung bewusst. Eine Viehzüchterin aus der Region Hauts-de France erklärt, dass sie und ihre Familie sich wenig für die Präsidentschaftswahlen interessieren. „Die Arbeit ist hart, aber die Politik wird daran eh nichts ändern“, erzählt Eva. Sie ist mit ihrer Aussage nicht alleine, denn die Ipsos-Sopra-Steria-Studie zeigt auch, dass nur 45 Prozent der Bauern am 10. April zur Wahl gehen, das sind 20 Prozent weniger als der Durchschnitt.

Die Präsidentschaftskandidaten kommen für zwei Stunden zum „Salon international de l’agriculture“, lernen hier, wie man Baguette bäckt und Kokosnuss-Sorbet zubereitet, und lassen dabei Fotos von sich schießen. Die Bauern sind sich über die Inszenierung bewusst und empfangen die Politiker daher bestenfalls mit freundlicher Gleichgültigkeit.

Nur über einen Kandidaten freuen sich die Landwirte besonders. Als Jean Lassalle den Saal betritt, rennt eine Horde junger Bauern auf ihn zu. Sie rufen „Ein Lied, ein Lied“ und klatschen dabei in die Hände. „Später“, antwortet der Kandidat Lassalle, „später“. Später wird er seine Visite mit einem Paquito abschließen: die Arme nach vorne, stürzt Jean Lassalle sich auf eine Reihe Jugendlicher, die ihn mit den Händen in der Luft halten. Dieses Jahr kandidiert der Hirte aus den Pyrenäen zum zweiten Mal. 2017 erzielte Jean Lassalle 1,21 Prozent. Dieses Jahr sehen seine Umfragewerte kaum besser aus.