Donnerstag6. November 2025

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Weniger MaßnahmenLuxemburg macht locker – Drei Fragen an drei Experten

Weniger Maßnahmen / Luxemburg macht locker – Drei Fragen an drei Experten
Tausche Maske gegen Sommer: In Luxemburg muss die Gesichtsbedeckung bald nur noch in bestimmten Situationen getragen werden.  Foto: pixabay

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Die Inzidenz sinkt, die Zahl der Hospitalisationen ist klein. Die Politik hat beschlossen, dass sich das Land wieder öffnen soll. Luxemburg legt einige der Corona-Maßnahmen, die uns fast zwei Jahre lange begleitet haben, (fürs Erste) ad acta. Wir haben drei Luxemburger Experten gefragt, ob das so eine gute Idee ist – und was die Entscheidung für den kommenden Verlauf der Pandemie bedeutet. 

Der Virologe

Prof. Claude P. Muller ist Mediziner und Chemiker beim „Luxembourg Institute of Health“ (LIH), wo er sich mit der Überwachung und dem Management von Virusausbrüchen auf globaler Ebene beschäftigt
Prof. Claude P. Muller ist Mediziner und Chemiker beim „Luxembourg Institute of Health“ (LIH), wo er sich mit der Überwachung und dem Management von Virusausbrüchen auf globaler Ebene beschäftigt  Foto: Editpress/Alain Rischard

Kommen die Lockerungen zu früh oder zu spät?

Die Regierung hätte diese Lockerungen auch schon früher einführen können. Wir sehen, dass die Inzidenzzahlen in den Krankenhäusern deutlich abnehmen. Die Regierung hat allerdings nie deutlich kommuniziert, ob eine Person wegen einer Covid-Erkrankung im Krankenhaus oder auf der Intensivstation liegt oder aus anderen Gründen, aber bei Einlieferung zufällig PCR-positiv getestet wurde. Beide wurden als hospitalisierte Corona-Patienten gezählt. Bei den erstgenannten auf der Intensivstation handelt es sich fast ausschließlich um Ungeimpfte. Da wurde und wird immer noch nicht genug differenziert kommuniziert. Die Lage in den Krankenhäusern hat also schon viel früher Lockerungen zugelassen. Besonders durch die hohe Infektiosität bei gleichzeitig günstigem Verlauf von Omikron sind die COVID19-Inzidenzen besonders auf der Intensivstation sehr ungünstig verzerrt.

Hätten wir uns nicht einen  „Freedom Day“, an dem alle Maßnahmen wegfallen, verdient?

Die Lockerungen schrittweise einzuführen, ergibt Sinn – vor allem mit dem Blick auf die besonders vulnerablen Menschen. Man muss ja nicht von heute auf morgen alle Maßnahmen aufheben. Es kann zwar noch zu einer weiteren Infektionswelle kommen, aber solange die Krankenhäuser nicht überlastet sind, sehe ich kein Problem für die öffentliche Gesundheit. Aber: Für die Geimpften ist das Risiko einer schweren Erkrankung und damit, was wir allgemein als Pandemie ansehen, schon seit Längerem vorbei.

Was ist mit den Menschen, die noch immer nicht geimpft sind?

Bei ihnen hängt das Risiko weiterhin vom Alter, chronischen Krankheiten, Lebensumständen und dem Zufall ab. Sie werden sich sicher irgendwann infizieren, unabhängig davon, ob weiter von einer Pandemie gesprochen wird oder nicht. Sie haben sich eben für die Infektion entschieden. Die, die jetzt noch an Covid sterben, sind solche, die sich gegen die Impfung entschieden haben. Nach Aufheben der Maßnahmen hat sich für die Ungeimpften insofern etwas geändert, als dass sie jetzt wieder voll für ihre eigene Gesundheit verantwortlich sind und ihr eigene Wahl zwischen Virus und Impfung treffen.

Der Biopyhsiker

Associate Professor Alexander Skupin ist Biophysiker an der Universität Luxemburg und Mitglied der Covid-19-Taskforce von Research Luxembourg, die die Luxemburger Regierung während der Pandemie berät. In der Taskforce ist er vor allem für die Pandemie-Projektionen zuständig. 
Associate Professor Alexander Skupin ist Biophysiker an der Universität Luxemburg und Mitglied der Covid-19-Taskforce von Research Luxembourg, die die Luxemburger Regierung während der Pandemie berät. In der Taskforce ist er vor allem für die Pandemie-Projektionen zuständig.  Foto: Editpress/Julien Garroy

Kann der Wegfall der Maskenpflicht nicht zu einem drastischen Anstieg der Infektionszahlen führen? 

Je nachdem, wann sie fällt und wie viele Fälle wir haben, kann es schon dazu führen, dass es zu einer Stagnation oder sogar zu einem leichten Rebound kommt. Aber da wir mit Omikron sehr milde Krankheitsverläufe haben, ist nicht zu erwarten, dass das zu einem signifikanten Anstieg in den Krankenhäusern führt. Deshalb kann man das in der momentanen Situation sehr gut vertreten, und ich glaube, wir sind auch alle müde genug, uns so einzuschränken.

Wenn die Fallzahlen ansteigen, kommt es sehr darauf an, wie sich die Risikogruppen verhalten. Bei dieser Gruppe ist die Impfung ein guter Schutz. Bei Covid würde ich den Älteren raten, auch wenn die Maskenpflicht gefallen ist: Behaltet sie im Supermarkt an. 

Dass weiterhin in Krankenhäusern und Altenheimen Restriktionen gelten, ist gut. Wir müssen die Risikogruppen und die älteren Menschen weiter schützen. 

Was passiert im Herbst? 

Bis Mai, Juni könnte sich das Geschehen so weit beruhigt haben, dass eine gewisse Normalität da ist. Was im Herbst ist, ist die große Frage: Was ist mit den alten und neuen Varianten – und dem Immunitätsverlust.

Das total unrealistische Szenario ist, dass wir dann schon endemisch sind und fast keine Fälle mehr sehen, weil wir fast alle Grundimmunität in uns tragen und sich das Virus hat zurückdrängen lassen. Das wird davon abhängen, was für eine Variante sich durchsetzt. Die Forschung ist sich fast einig, dass man da nichts Konkretes sagen kann. Es wird wahrscheinlich sein, dass nach wie vor eine Omikron-Variante wie jetzt im Umlauf ist – oder aber ein Abkömmling der Delta-Variante, was für die Krankenhäuser schlechter wäre. Worst Case wäre eine Kombination aus Omikron und Delta, wobei es besonders hart wäre, wenn diese die Übertragungsrate von Omikron und das klinische Bild von Delta hätte. Das ist so ein bisschen das Scheckgespenst, zu dem es hoffentlich nicht kommt. 

Aber was genau passiert, ist Kaffeesatz-Leserei. Wir waren auch im Austausch mit mehreren internationalen Wissenschaftlern. Alle sind sich einige, dass man sich nicht einig sein kann.

Was wir im Moment auch nicht wirklich wissen, ist, wie stark sich die Abnahme der Immunität bei Omikron auswirkt. Wir wissen, dass es durchaus wieder Reinfektionen gab, in der Literatur gibt es sogar Fälle, bei denen sich Menschen zweimal mit Omikron angesteckt haben. Aber eine Omikron-Variante wäre vermutlich – so lange sie in der Virulenz nicht zunimmt – eine gute Ausgangslage. 

Wird Covid-19 also wie die Grippe?

Wir sind da in einer ganz anderen Liga. Wir treffen momentan auf eine immunisierte Gesellschaft, die so breit geimpft ist, wie wir es nie gegen die Grippe gesehen haben. Deshalb hinkt der Vergleich. Zumal wir wissen, dass die Immunität mit der Zeit abnimmt 

Im Moment haben wir sechs Intensivpatienten in Luxemburg, die könnte man mit der Grippe vielleicht auch haben. Aber der große Unterschied ist eben, dass wir gegen die Grippe nicht solche Maßnahmen und Impfkampagnen haben. Selbst wenn man nach dem äußeren Erscheinungsbild dazu neigen könnte – wir dürfen nicht vergessen, womit wir uns das erkauft haben. Und dass wir Glück hatten, dass Omikron nicht so virulent ist. Und die Gefahr besteht nach wie vor, dass wir wieder eine Variante sehen werden, die ähnlich ansteckend ist, aber eine noch größere Virulenz hat – und dann fangen wir hoffentlich nicht wieder von ganz vorne an. 

Der Infektiologe

Dr. Gérard Schockmel ist Facharzt für Infektionskrankheiten an den Hôpitaux Robert Schuman (HRS). Er hat rund zehn Jahre lang zu RNA-Viren geforscht.
Dr. Gérard Schockmel ist Facharzt für Infektionskrankheiten an den Hôpitaux Robert Schuman (HRS). Er hat rund zehn Jahre lang zu RNA-Viren geforscht. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Kommen die Lockerungen zu früh oder zu spät?

Es ist nicht eine medizinische Frage, es ist eine gesellschaftliche. Die Maßnahmen gehen noch immer sehr weit, was unsere persönlichen Rechte und Grundrechte anbelangt. Man kann sie nur rechtfertigen, wenn sie eine Verhältnismäßigkeit bewahren. Und diese Verhältnismäßigkeit ist nichts Konstantes, sondern etwas, was ständig evaluiert werden muss. Die Covid-Gesetze gelten ja immer nur kurzfristig, gemäß der aktuellen Situation. 

Es prallen derzeit zwei Dinge aufeinander. Erstens verursacht Omikron mildere Verläufe, ist also weniger gefährlich. Zweitens haben wir eine kollektive Immunität, die seit dem Beginn der Pandemie nur gewachsen ist. Im ersten Jahr geschah das durch Infektionen. Im vergangenen Jahr dadurch, dass man sich hat impfen lassen können. Oder beides, eine Kombination.

In Bezug auf die aktuellen Zahlen in Krankenhäusern können wir entspannt sein. Sei es auf der Normalstation – das sind auch Patienten, die Sauerstoff brauchen – oder auf der Intensivstation, die Zahlen sind geringer. Auf der Normalstation ist der Rückgang weniger groß. Aber insgesamt, in Bezug auf die Inzidenz, ist die Zahl der Komplikationen sehr gering.

Und wir sind ja nicht vorangeprescht. Wir haben eher vorsichtig gewartet und geschaut, was unsere Nachbarländer tun. Wir müssen auch mit unserer Nation irgendwie noch im Gleichschritt bleiben mit dem, was jenseits unserer Grenzen passiert. 

Warum sind anfangs so viele an Corona erkrankt und teilweise schwer? Es gab keine Immunität, als es ein neues Virus war. Jetzt sind wir nicht mehr in dieser Lage. In der Gesellschaft ist Immunität vorhanden, sie ist bei 80 Prozent, durch Impfung oder durch Infektionen. Wozu dient die Immunität anders, als dazu, dass man sich infizieren kann, ohne dass es ein großes Problem sein wird? Das Ziel ist, dass die Infektion – in der Regel – keine größere Gefahr mehr darstellt. Wir wissen natürlich nicht, was nach Omikron kommt.

Aber auch mit Omikron gibt es noch schwere Verläufe, oder nicht?

Das kann verschiedene Gründe haben. Es gibt immer ein individuelles Risikoprofil. Wir wissen, was Risiko ausmacht: Das Alter spielt eine große Rolle, gewisse chronische Erkrankungen wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, die ja sehr häufig sind. Wenn man weiß, dass man die klassischen Corona-Risikofaktoren hat, dann hat man jedes Interesse, sich impfen oder boostern zu lassen. Aber wir wissen, dass das auch bei Risikopatienten immer noch nur begrenzt der Fall ist. Es gibt noch immer einige, die deutliche Risikofaktoren für einen schweren Verlauf haben – aber trotzdem nicht geimpft sind.

Und nicht immer weiß man im Vorhinein um seine Risikofaktoren. Gerade beim Immunsystem gibt es viele genetische Faktoren, die man so nicht erfassen kann. Im Moment sind fünfmal mehr Personen auf der Intensivstation geimpft als nicht geimpft. Wenn man die Inzidenz mit einbezieht, dann sind das statistisch wenige. In der Regel – das sagen Ärzte, die auf der Intensivstation zuständig sind – gibt es fast kein Risiko, für einen Geimpften ohne Risikofaktoren, auf der Intensivstation zu landen. 

Sollten wir also alle Corona-Partys feiern?

Ich würde es nicht herausfordern – obwohl Omikron noch die beste Variante ist. Das Problem ist, dass ich nicht nur für mich das Risiko eingehe, sondern auch für andere. Und man kann den Menschen nicht an der Nasenspitze ansehen, wie sie im Falle einer Infektion reagieren. Es gibt junge Marathonläufer, Berufssportler, die schwer erkrankt sind. Man stelle sich vor, es treffe dann den Bruder oder die Ehefrau.  

Menschen, die wissen, dass sie ein Risikoprofil haben, haben seit einem Jahr die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Oder sie können sich entscheiden, eine Maske zu tragen. 

J.C. Kemp
6. März 2022 - 20.53

@HTK: Pauli? Ich dachte, der Kleine mit der Matrosenkappe heißt Jockel, oder so ähnlich.

HTK
6. März 2022 - 8.18

" Bei den erstgenannten auf der Intensivstation handelt es sich fast ausschließlich um Ungeimpfte. Da wurde und wird immer noch nicht genug differenziert kommuniziert..." Genau dasselbe haben Kommentatoren auch schon lange bemängelt. Wenn bei Intensivpatienten und Verstorbenen gesagt worden wäre ob geimpft oder ungeimpft hätte man auch den Schwurblern den Wind aus den Segeln genommen. Müller bestätigt es nocheinmal: Die Intensivbetten waren letztlich von UNGEIMPFTEN belegt.Ein Wink an die Clowns Freitag und Pauli.Also legt eure Narrenkappen ab und lasst euch impfen.