Dienstag28. Oktober 2025

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Krieg in der UkrainePutins nukleare Drohung: Antworten auf die acht wichtigsten Fragen

Krieg in der Ukraine / Putins nukleare Drohung: Antworten auf die acht wichtigsten Fragen
Putin hat unmittelbar vor dem Angriff auf die Ukraine demonstrativ ein Manöver an der Grenze angesetzt, bei dem auch Iskander-Raketensysteme erprobt wurden, die nuklear bestückt werden können Foto: AFP/Handout/Russisches Verteidigungsministerium 

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Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seiner Anweisung zur erhöhten Alarmbereitschaft die Angst vor einem Atomkrieg wachsen lassen. Wie sehr ist die Bedrohung dadurch gewachsen?

Die Wahrnehmung könnte genau so von Putin kalkuliert worden sein: größte Sorgen, Panik bei der in Militärfragen wenig eingeweihten Bevölkerung, kalkulierte Risiken bei den Spitzenmilitärs der NATO. Allerdings scheint er auch rationalen Überlegungen immer weniger zugänglich zu sein. Deshalb soll die Alarmierung hier näher analysiert werden:

Wie ist das Umfeld der Drohung?

Putin hat unmittelbar vor dem Angriff auf die Ukraine demonstrativ ein Manöver an der Grenze angesetzt, bei dem auch Iskander-Raketensysteme erprobt wurden, die nuklear bestückt werden können. Er hat beim Aufbau der Bedrohungskulisse die atomare Komponente also bereits mitgedacht. Zur Einschüchterung des Gegners und möglicher anderer Länder, die der Ukraine zur Hilfe kommen könnten, drohte er bei der Kriegserklärung vom vergangenen Montag mit „Konsequenzen nie da gewesenen Ausmaßes“. Das wurde als nukleare Warnung gewertet.

Was war der Alarmierung konkret vorausgegangen?

Anders als erhofft, hatte er die Ukraine nicht binnen weniger Tage erobert. Sogar die weniger als 80 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt gelegene Hauptstadt Kiew konnten die von dort eindringenden russischen Angreifer auch nach Tagen noch nicht überwältigen. Sie wurden in unerwartet heftige Abwehrkämpfe verwickelt, verfügten über zu wenig Nachschub an Munition, Diesel und Lebensmitteln. Gleichzeitig fielen die Sanktionen des Westens wesentlich härter aus, als es Putin offenbar nach den nur mäßigen Reaktionen auf die Eroberung der Krim erwartet hatte. Sie bringen ihn in ernste Schwierigkeiten.

Hat Putin dies schon einmal so gemacht?

Auch während der Landnahme und anschließenden Annexion der Krim 2014 hatte er bereits das Bereitschaftslevel der strategischen Abschreckungskräfte angehoben. Deswegen zeigen sich westliche Militärs auch noch nicht beunruhigt.

Um welche Atomwaffen geht es?

In erster Linie werden darunter strategische Atomwaffen verstanden, die für größtmögliche Vernichtung gedacht sind. Sie sind in festen Silos, auf mobilen Rampen, Flugzeugen und Unterseebooten stationiert. Ihre Zahl ist seit den Abrüstungsverhandlungen auf beiden Seiten auf 1.550 begrenzt. Der Abschreckung dienen jedoch auch rund 10.000 taktische Atomwaffen, die ein Gefechtsfeld verwüsten können und eine Reichweite von wenigen bis rund 500 Kilometer haben. Die von Putin alarmierten Streitkräfte verfügen jedoch auch über moderne Hyperschallwaffen und Sprengköpfe mit gewaltiger konventioneller Explosionskraft.

Kann die NATO unvorbereitet getroffen werden?

Ob eine Bestückung der mitgeführten Iskander-Raketen mit atomaren Sprengköpfen wahrgenommen würde, ist nicht sicher. Das Prinzip des Gleichgewichts des Schreckens, das seit dem Zweiten Weltkrieg eine nukleare Konfrontation verhinderte, beruht jedoch darauf, dass die großen Nuklearmächte einerseits einschlägige Veränderungen auf der Gegenseite rund um die Uhr beobachten, andererseits eine ständige Einsatzbereitschaft ihrer Waffen zur Vergeltung eines Angriffes sicherstellen. Wer auch immer als Erster auf den Knopf drückt, um den Gegner zu vernichten, soll wissen, dass er damit sich selbst auch auslöscht.

Was hat Belarus damit zu tun?

Das autoritäre Regime hat am Wochenende darüber abstimmen lassen, sich zur Atommacht zu wandeln. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte dies ein „Fake-Referendum“ und die dadurch entstandene Situation „gefährlich“. Als praktische Auswirkung dürfte Putin nun auch Atomwaffen auf belarussischem Territorium in Stellung bringen und damit weitere NATO-Staaten direkt und aus kleinerer Distanz bedrohen können.

 Dieses Satellitenbild zeigt atomar bestückbare Iskander-Raketen in Belarus
 Dieses Satellitenbild zeigt atomar bestückbare Iskander-Raketen in Belarus Foto: dpa/Maxar Technologies

Welche Eskalationsstufen gibt es?

Russland hat von der Stufe „ständige“ Alarmbereitschaft auf die Stufe 2 („erhöht“) hochgeschaltet. Das russische Militär kennt danach die Stufe 3 („gefährdet“) und die Stufe 4 („vollständig“). Die USA kennen das „Defcon“-System (Abkürzung für „Defense readiness condition“, also Zustand der Verteidigungsbereitschaft). Defcon 5 bezeichnet den Friedenszustand, Defcon 4 den Frieden mit erhöhter Aufklärung, wie er offenbar derzeit gilt. Defcon 3 wäre analog zu Putins Alarmierung die erhöhte Einsatzbereitschaft. Bei Defcon 2 setzt eine verstärkte Mobilisierung der Streitkräfte ein. Defcon 1 ist die maximale Einsatzbereitschaft unter möglichem Einschluss eines massiven Nuklearschlags.

Gab es bereits gefährlichere Situationen?

Defcon 1 wurde noch nie ausgerufen. Während der Kuba-Krise 1962 galt Defcon 2, beim Terror-Angriff auf die USA am 11. September 2001 wurde Defcon 3 ausgelöst.