Bei großen Wettbewerben geht es nicht um die Zeiten und FIS-Punkte, sondern um Platzierungen (und Medaillen), hatte FLS-Coach Gilles Osch bereits anlässlich der WM im letzten Jahr in Cortina d’Ampezzo gemeint. Als Matthieu Osch als 31. im Riesenslalom und 28. im Slalom mit deutlichem Rückstand, aber nervenstark, die mit Abstand besten Platzierungen eines Luxemburger Skifahrers bei großen Wettbewerben seit dem Rücktritt eines Marc Girardelli vor 25 Jahren ablieferte.
Im dichten Schneetreiben und Nebel des ersten Durchgangs hatten die wenigen Pistenarbeiter alle Mühe, zumindest die Ideallinie vom Neuschnee freizuhalten. Die meisten der 30 weltbesten Fahrer schafften es ins Ziel, aber viele mehr schlecht als recht, der Rhythmus fehlte und eisige Stellen waren kaum zu erkennen. Vorne war es zwischen den ersten fünf, mit nur 19 Hundertstelsekunden Abstand, jedoch richtig eng.
Für den zweiten Durchgang erwartete man ein spannendes Finale zwischen den Silber- und Bronzemedaillengewinnern von Pyoengchang, Henrik Kristoffersen und dem Franzosen Thibaut Favrot, dessen Landsmann und aktuellem Weltmeister Mathieu Favre, dem Österreicher Stefan Brennsteiner und auf der Pole Position dem Schweizer Marco Odermatt, in dieser Saison mit vier von fünf Weltcupsiegen und einem zweiten Platz.
Erst einmal hieß es aber, sich zu gedulden. Um die Schneemassen aus der Strecke zu schieben, musste der Start um über eine Stunde verschoben werden und so lagen fünf Stunden zwischen beiden Durchgängen. Was Odermatt für ein Nickerchen nutzte.
Kreuzworträtsel in der Pause
Mit Startnummer 58 verpasste der luxemburgische Sportsoldat als 34. des ersten Durchgangs den ersten Startplatz des zweiten und damit die Liveübertragung um nur vier Plätze. „Die Top 30 im ersten Lauf wären eine Sensation“, hatte Nationaltrainer Patrick Empatz vor dem Start der Spiele über seine beiden Skiläufer gemeint. Nach seinem ersten Lauf dachte auch Matthieu Osch kurz an die erste Startgruppe: „Ich hatte unten einen kleinen Fehler, hätte auch im Mittelteil etwas mehr Risiko gehen können, aber 2,36 Sekunden Abstand zum 30. … Das ist schon richtig viel.“ Statt lange zu grübeln, lenkte er sich lieber mit Kreuzworträtseln ab, unterhielt sich mit seinem Bruder und wärmte sich bei den tiefen Temperaturen gründlich für Durchgang zwei auf.
Ich hatte unten einen kleinen Fehler, hätte auch im Mittelteil etwas mehr Risiko gehen können, aber 2,36 Sekunden Abstand zum 30. … Das ist schon richtig viel
Der war etwas flüssiger gesteckt und auch die Sicht war besser, doch erst der Andorraner Joan Verdu brachte als 17. Starter einen fehlerfreien Lauf ins Tal. Der Slowene Zan Kranjec hatte sich in Pyoengchang noch mit Blech begnügen müssen und lag nach dem ersten Lauf als Achter mit 79 Hundertsteln weit zurück. Doch ihm gelang der perfekte Lauf, fast eine Sekunde schneller als Verdu. Danach ging der starke Österreicher Manuel Feller zu viel Risiko, flog ab und motzte: „Der erste Durchgang war eigentlich schon komplett verantwortungslos. Dann fünf Stunden Pause machen und warten, bis es fast wieder dunkel ist. Das war so weit weg von verantwortungsvoll!“ Der Italiener Luca De Aliprandini fädelte anschließend bei einem verzweifelten Rettungsversuch ein, doch jetzt kam der Fünferpack für die Medaillen.
Nach einem Patzer im oberen Teil konnte Thibaut Favrot eine erneute Medaille abschreiben. Nach Silber vor vier Jahren war Kristoffersen lange auf Goldkurs, aber verkantete am Ende. Sekundenlang stand er geschockt am Rande, bis er dann doch noch ins Ziel rutschte. Sogar der Weltmeister hatte bereits im Mittelteil seinen Vorsprung komplett verspielt und reihte sich mit über einer Sekunde Rückstand hinter dem brillanten Kranjec ein. Es wurde eng, denn noch standen zweie oben. Wie Favre verlor auch Stefan Brennsteiner früh viel Zeit und flog dann unten ganz raus. Kein Österreicher in den Top Ten – aber aus den Alpen stand noch der junge, 24-jährige Odermatt am Start. Im ersten Lauf rettete er gekonnt einen heftigen Rutscher, im zweiten patzte er oben etwas und hatte im Mittelteil nur noch 43 Hundertstel Vorsprung, an der letzten Zwischenzeit gerade mal 15. Doch 19 Hundertstelsekunden reichten dem Schweizer Jahrhunderttalent zu Gold.
Lieblingsdisziplin am Mittwoch
Nach einer kurzen Pause starteten dann auch die letzten 24 Läufer. Sauber zog Matthieu Osch seine Schwünge, verlor kontinuierlich etwas, aber nicht zu viel Zeit auf die Ersten. Noch ehe der Livestream auf ihn umschwenkte, hatte er bei einem Patzer nach der ersten Zwischenzeit jedoch drei Sekunden auf die direkte Konkurrenz liegen lassen. Am Ende lag er auch deshalb deutliche 17 Sekunden hinten. Weit hinter der erweiterten Weltspitze, aber auch klar vor den eigentlichen Exoten. In diesem Mittelfeld von Weltranglistenplatz 500 bis 1.500 gab es sehr viele Ausfälle, lagen nur vier Läufer in einem Bereich von zehn bis 20 Sekunden Rückstand.
Selbst mit viel mehr Risiko und einer deutlich besseren Zeit hätte Matthieu Osch nur wenige Plätze gutmachen können und nicht nur sein Vater dürfte überaus zufrieden sein. Während der 22-Jährige mit viel Risiko in FIS-Rennen oft ausscheidet, hat er nach der WM 2021 bei den Olympischen Spielen auch unter schwierigen Bedingungen so ziemlich das Optimum herausgefahren. Und seine Lieblingsdisziplin Slalom kommt erst noch am Mittwoch …

De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können