Hengelbrock hatte sich für eine relativ kleine Besetzung mit Kammerorchestergröße und einem rund 30-köpfigen Chor entschieden. Dass Hengelbrock und sein Ensemble ein eingespieltes Team sind, das merkte man in jedem Moment. Feinste Phrasierungen, präzise Artikulation, ein ätherischer Klang und eine wundervolle Innenspannung machten diese Aufführung zu einem Erlebnis. Die Instrumentalisten wussten die Akustik der Philharmonie voll zu nutzen, sodass sich der Klang ihrer Instrumente wunderbar schwebend mit dem exzellenten Gesang des Chores vermischte und sich dabei immer in einer idealen Balance befand.
Hengelbrock selbst gestaltete diese stilistisch perfekte Aufführung mit seiner enormen Präsenz. Großzügig in der Klangentfaltung und mit Augen und Mimik immer bei seinen Musikern war er der Spiritus rector, der mit Demut und Können, mit Liebe zum Detail und mit einer großen Empathie die h-Moll-Messe zu einem absoluten Hörerlebnis machte. Erwähnen muss man auf jeden Fall die Sänger, die aus dem Chor heraus besetzt waren und ausnahmslos gute bis hervorragende (Altus William Shelton) Leistungen boten.
Ein junger Pianist, der nicht überzeugt
Viel Begeisterung seitens des Publikums gab es dann auch am Folgetag für den jungen kanadischen Pianisten Tony Yun. Ein Zuspruch, dem ich mich allerdings nicht anschließen kann. Yun ist erster Preisträger und Gewinner der Goldmedaille der First China International Competition 2019, also eines Wettbewerbs, der erst einmal stattgefunden hat und sich international noch beweisen muss. Sicher, hier spielt ein äußerst talentierter junger Pianist, der, wenn er sich klug anlegt, auch Aussicht auf eine große internationale Karriere hat. Für die scheint es mir allerdings noch zu früh, denn die großen Bühnen verlangen dann doch auf die Dauer mehr, als der Interpret zu bieten hat.
Die Virtuosität und die technische Brillanz sind da, allerdings verpuffen sie recht schnell, da Yun sie nicht wirklich in ein interpretatorisches Konzept einbinden kann. Zudem versteht es der Pianist nicht so recht , in seinem Programm mit Bach („Ich ruf zu dir Herr Jesu Christ“), Beethoven (Klaviersonate op. 28 „Pastorale“), Liszt (Paraphrasen aus „Norma“, Feierlicher Marsch aus „Parsifal“) und Strawinsky (3 Sätze aus „Feuervogel“) eine innere Spannung aufzubauen. Immer wieder verliert sich die Musik, dies entweder in rein akademischen Ansätzen, die z.T. recht befremdlich wirken (Bach, Beethoven) oder eben in einer Virtuosität, die eher Hülle als Inhalt ist. Dies alles wird dann auch recht laut und grell, wenn auch mit viel Herzblut gespielt, Nuancen gibt es kaum, empathisches Verständnis noch weniger. Schwamm drüber und hoffen wir, dass es nächstes Mal besser wird.
Dramatisch-düsterer Konzertcharakter
Einen ganz großen Abend durften wir dann am vergangenen Montag wieder erleben. Denn da war Publikumsliebling Hélène Grimaud endlich wieder zu Gast in der Philharmonie, diesmal mit dem Klavierkonzert Nr. 20 von Wolfgang Amadeus Mozart und dem berühmten Schumann-Konzert. Begleitet wurde sie von der Camerata Salzburg, die zwischen den beiden Werken die 40. Symphonie von Mozart zu Gehör brachte.

Hélène Grimaud befand sich in einer Superform und lotete das Moll-Konzert von Mozart bis ins kleinste Detail aus. Da ging es dann auch schon mal recht schroff zur Sache, denn die Pianistin und das exzellent aufgelegte Orchester unter der dynamischen Leitung von Konzertmeister Giovanni Guzzo suchten die Herausforderung und unterstrichen den dramatisch-düsteren Charakter dieses Konzerts. In gleichem Geiste interpretierten Guzzo und die Camerata Salzburg dann auch Mozarts 40. Symphonie, die ebenfalls in Moll geschrieben ist. Auch hier werden Ecken und Kanten herausgearbeitet, die Musik verströmt wenig Wohlklang, stattdessen werden die modernen, schon romantischen Gesten dieses Werkes in den Mittelpunkt gerückt. Und immer wieder begeistert die wundervolle Balance des Ensembles, bei dem sich alle Instrumentengruppen mit einer selten zu hörenden Perfektion vermischen und ergänzen.
Sturm-und-Drang-Charakter gab es dann auch beim Schumann-Konzert zu erleben. Grimaud stürzte sich mit unbändiger Spiellust in dieses Werk, das sie schon so lange immer wieder regelmäßig aufführt, und ihre Interpretation besitzt noch immer die Frische und Entdeckungsfreude, als würde sie dieses Konzert zum ersten Mal spielen. Die Kammerorchesterbesetzung tut dem Schumann-Konzert sehr gut, zumal die Camerata mit Feinschliff und Atem exakt das Wesen dieser Musik wiedergibt, ihr unter Guzzis überzeugender Leistung sogar noch ungewohnte Momente abgewinnt. Ein großartiges Konzert mit großartigen Musikern.
De Maart
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