Sonntag26. Oktober 2025

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ÖsterreichDie seit Samstag geltende Corona-Impfpflicht gerät zur Farce

Österreich / Die seit Samstag geltende Corona-Impfpflicht gerät zur Farce
Impfcenter in einem Wiener Schwimmbad: Österreichs Regierung kämpft mit Problemen beim Impfpflichtgesetz Foto: AFP/Alex Halada

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Die seit Samstag in Österreich geltende Corona-Impfpflicht gerät zur Farce: Die technische Umsetzung läuft holprig, die angekündigte Impflotterie gibt es nicht – und sogar aus der regierenden ÖVP ertönen schon Rufe nach einer Aussetzung des Gesetzes.

Es war nur eine Kommunalwahl in einer 11.000-Seelen-Gemeinde. Doch der Schock des Urnenganges im niederösterreichischen Waidhofen vor zwölf Tagen steckt den ÖVP-Granden im ganzen Land in den Knochen: Ein Fünftel der Wähler verloren die Türkisen, während die Impfgegner-Partei „Menschen, Freiheit, Grundrechte“ (MFG) auf Anhieb 17,1 Prozent der Stimmen holte.

Schon im vergangenen September, als alle Parteien eine Impfpflicht noch abgelehnt hatten, war die MFG in Oberösterreich mit 6,2 Prozent in den Landtag eingezogen. Neben der FPÖ etabliert sich da eine neue Protestpartei, die auch nach der Pandemie als Sammelbecken für Systemverdrossene im Spiel bleiben will.

Politik schafft Verdruss

Die ÖVP sorgt gerade für Zuwachs im Lager der frustrierten Bürger. Neben nahezu täglichen Enthüllungen über korrupte Machtmissbrauchsfälle, die ab März ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss aufarbeiten wird, liefert die Kanzler-Partei mit ihrem grünen Koalitionspartner gerade eine Impfpflicht-Farce. Am Höhepunkt der Delta-Welle hatte sich die Bundesregierung im November mit den Landeshauptleuten unter dem Eindruck kollabierender Intensivstationen auf eine allgemeine Impfpflicht verständigt.

Sogar SPÖ und Neos wurden ins Boot geholt, um diese europäische Premiere gegen den massiven Widerstand der Straße im Nationalrat durchzupeitschen. Zur Besänftigung der Gegner wurde eine Impflotterie verkündet, bei der jeder dritte Stich einen 500-Euro-Gewinn bringen sollte. Umsetzen sollte sie der Staatsrundfunk ORF, mit dem die Regierung aber gar nicht geredet hatte. Der dortige Redakteursrat wollte den ORF nicht als „Hilfsorgan der Regierung“ erscheinen lassen und legte sich gegen die Lotterie quer. Wie sie nun realisiert werden soll, weiß keiner.

Lahme Umsetzung

Handwerkliche Mängel der Regierungsarbeit offenbaren auch die Umsetzungsprobleme beim Impfpflichtgesetz. So wird die zentrale Erfassung der von der Impfpflicht Ausgenommenen erst in der vierten April-Woche möglich sein, weil die Programmierer das nationale Impfregister nicht früher adaptieren können. Darauf hatte die zuständige Behörde die Regierung schon vor dem Gesetzesbeschluss hingewiesen. Unklar ist auch noch, welche Ärzte überhaupt eine Ausnahmebestätigung ausstellen dürfen. Vorerst ist das kein großes Problem, da noch eine Schonfrist gilt.

Erst ab Mitte März drohen bis zu 3.600 Euro Geldstrafe, wenn bei einer Polizeikontrolle keine vollständige Impfung nachgewiesen werden kann. Kein Entkommen gibt es, wenn nach einem von der Regierung festzulegenden Stichtag alle nicht von der Impfpflicht ausgenommenen Ungeimpften mittels Datenabgleich ausgeforscht und eine automatisierte Strafverfügung zugestellt bekommen.

Die Expertenkommission, die diesen „I-Day“ bestimmen soll, gibt es aber noch gar nicht. Dafür umso mehr Zweifel, ob die Impfpflicht überhaupt in diese heiße Phase treten wird. Da die Omikron-Welle zwar weiter für Rekordzahlen bei den Neuinfektionen – am Donnerstag 35.000 – sorgt, aber der mildere Verlauf derzeit keinen Spitalsnotstand befürchten lässt, mehren sich die Rufe nach einem Aussetzen der Impfpflicht. Nachdem Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) eine „ständige Überprüfung der Verhältnismäßigkeit“ der Impfpflicht gefordert hatte, wurde sein Salzburger ÖVP-Kollege Wilfried Haslauer deutlicher.

Angst vor der Wahl-Rechnung

Man könne die Impfpflicht Mitte März „nicht scharfstellen“, wenn keine Überlastung der medizinischen Versorgung drohe. Den Einwand, bei einer neuerlichen Zuspitzung der Covid-Situation könnte die Impfpflicht im Herbst gebraucht werden, lässt der Jurist Haslauer nicht gelten: „Man kann nicht mit einem ungewissen Ereignis die Notwendigkeit einer Impfpflicht argumentieren.“

Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer reihte sich gestern in die Riege der Skeptiker ein: Ob die Phase der Bestrafung tatsächlich kommt, sei „offen und sollte diskutiert werden“, fordert der ÖVP-Politiker. Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner wiederum meinte zur Impfpflicht, sie sei „die Erste, die dafür eintritt, sie auszusetzen“, wenn die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen kommt. Der MFG-Triumph in Waidhofen hat manche ÖVPler schon zu einer neuen Erkenntnis gebracht: Bei den 2023 in Niederösterreich, Salzburg, Tirol und Kärnten anstehenden Landtagswahlen könnte ihnen die Rechnung für die türkise Corona-Politik präsentiert werden.