Darin wird Johnsons Frau Carrie, 33, beschuldigt, sie übe übermäßigen Einfluss aus auf die Politik der Regierung Ihrer Majestät: Nach Rücksprache mit seiner politisch versierten Gattin revidiere der 57-Jährige bereits getroffene Entscheidungen. Auch bestimme Frau Johnson über wichtige Personalien im Herzen der Regierung mit. Die britische First Lady sei das Opfer einer brutalen Kampagne, teilte eine Sprecherin mit: „Sie ist eine private Bürgerin und spielt in der Regierung keine Rolle.“
Nach zwei turbulenten Monaten mit immer neuen Enthüllungen über eklatante Lockdown-Verletzungen am Amtssitz des Premierministers versuchte Johnson übers Wochenende mit neuen Personalien aus der Defensive zu kommen. Nachdem er bereits den Tory-Abgeordneten Andrew Griffith zum Leiter der Grundsatzabteilung gekürt hatte, ernannte er den Minister im Kabinettsbüro, Steve Barclay, zu seinem neuen Büroleiter mit Personalhoheit (chief of staff). Wie Barclays bisherige Aufgaben zukünftig verteilt werden sollten, blieb offen. Die Berufung wirke doch sehr, als sei da „in Panik eine Lücke gefüllt“ worden, mäkelte die langjährige Spitzenbeamtin Jill Rutter vom Thinktank IfG.
Als Johnsons Pressesprecher fungiert nun ein alter Bekannter: Guto Harri war zwischen 2008 und 2016 schon für die PR des Londoner Bürgermeisters Johnson zuständig. Als Erstes widmete sich der einstige BBC-Journalist gleich einmal einer robusten Twitter-Auseinandersetzung mit jenem Mann, den man in Johnsons Lager für den Hauptverschwörer gegen das Ehepaar hält: Dominic Cummings, dessen Abgang als beinahe allmächtiger Chefberater im November 2020 von Carrie Johnson und ihren Freunden mit lauter Abba-Musik gefeiert wurde („the winner takes it all“). Die Party gehört zu jenen zwölf Events, deren Rechtmäßigkeit während der Covid-Lockdowns derzeit von Scotland Yard untersucht werden.
Pleinliche Luxussucht
Im neuen Buch „First Lady“, das unter dem Namen des Tory-Milliardärs Michael Ashcroft erscheint, werden genüsslich frühere Vorwürfe gegen die dritte Frau des gelernten Journalisten Johnson ausgebreitet. So sei diese die treibende Kraft gewesen hinter einer mehr als 102.000 Euro Franken teuren Renovierung der Dienstwohnung gewesen. Weil dafür die staatlich vorgesehene Apanage nicht reichte, sollte ein geheimer Fonds von Parteispendern angezapft werden – ein Vorgehen, das Johnsons Ethikberater als „unklug“ tadelte.
Es ist ihr Mann, der schlecht regiert
Die peinliche Luxussucht ist immerhin bewiesen, viele andere Vorwürfe werden in Ashcrofts Buch lediglich durch anonyme Zitate belegt. Die meisten davon dürften von Cummings oder dessen engen Vertrauten stammen. So soll Carrie Johnson nicht nur Freunde in einflussreiche Regierungspositionen gehievt haben; diese seien auch in der Dienstwohnung ein und aus gegangen, wo der als wenig ordentlich bekannte Premierminister gern Geheimakten über die Sofas verstreut habe. Ungeklärt bleibt auch die Frage, ob die Tierfreundin ihren Gatten dazu bewegte, bei der chaotischen Evakuierung aus der afghanischen Hauptstadt Kabul im vergangenen August ein Tierheim mit Hunden und Katzen als Priorität zu behandeln, während Tausende von Menschen zurückbleiben mussten. Im Gegenteil, so haben es Einflüsterer dem Guardian berichtet: Ihr Grundsatz sei „Frauen und Kinder zuerst“ gewesen.
Labour eilt zu Hilfe
Beinahe unvermeidlich ziehen die Feinde der Premiersgattin unschöne Parallelen zu historischen Gestalten („Carrie Antoinette“) oder bemühen einen literarischen Vergleich mit einer Figur des Nationaldichters William Shakespeare: Mittels ihres sexuellen Einflusses agiere Carrie Johnson wie Lady Macbeth. Da sei „offener Sexismus“ im Spiel, empört sich Sarah Vine, Kolumnistin derselben Daily Mail, die Auszüge aus dem Buch veröffentlicht. Tatsächlich musste sich Cherie Booth, die Frau des Labour-Premiers Tony Blair (1997-2007), ähnliche Vorwürfe gefallen lassen, während der bekanntermaßen einflussreiche Gatte von Premierministerin Theresa May (2016-19) nie in der Kritik stand. Philip May erhielt für seine Tätigkeit den Ritterschlag, die Gattinnen der Premierminister blieben ungeehrt.
Zum Misstrauen gegen Carrie Johnson trägt besonders auf dem rechten Parteiflügel bei, dass sie über reichlich Erfahrung im Politikgeschäft verfügt und Themen ihrer Generation wie den Klimaschutz für wichtig hält. Hingegen verteidigen frühere Arbeitgeber wie der Ex-Kulturminister John Whittingdale und der amtierende Gesundheitsminister Sajid Javid ihre einstige Beraterin. Sogar die Labour-Opposition eilte am Montag der Angegriffenen zu Hilfe: Frau Johnson sollte „in Ruhe gelassen werden“, argumentierte Jonathan Ashworth: „Es ist ihr Mann, der schlecht regiert.“
De Maart
Normal. Sie hat schließlich seine illegale Geburtstagsparty organisiert, den Kuchen bestellt, den Weinkühler gefüllt.