Donnerstag6. November 2025

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Kopf des TagesSozialisten-Premier Costa im Porträt: Der Mann, dem die Portugiesen vertrauen

Kopf des Tages / Sozialisten-Premier Costa im Porträt: Der Mann, dem die Portugiesen vertrauen
Der 60-jährige Costa holte in der Parlamentswahl mit 42 Prozent eine sensationelle absolute Mehrheit der Mandate  Foto: AFP/Patricia de Melo Moreira

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Der Mann, dem die Portugiesen vertrauen

Immer leicht unterschätzt und gerne mal für eine Überraschung gut: Portugals Premier Costa wird mehr und mehr zum Hoffnungsträger der europäischen Sozialdemokraten.

Portugals Premier António Costa, der in der Parlamentswahl am Sonntag eine sensationelle absolute Mehrheit holte, ist schon immer für Überraschungen gut gewesen. Als der Sozialist 2015 mit einem Minderheitskabinett antrat, im Parlament gestützt von zwei kleinen Linksparteien, wurde seine Wackelregierung noch als „Klapperkiste“ verspottet.

„Viele Leute gaben meinem Kabinett damals nicht einmal ein Jahr“, erzählt Costa in einem Interview mit dem TV-Sender CNN. Doch die „Klapperkiste“ hielt sechs Jahre. Costa gelang es sogar, Portugal mit diesem Wackelkabinett aus der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise zu steuern, in welcher das Land beinahe untergegangen wäre.

Vor einem Jahrzehnt stand Portugal mit einem völlig überschuldeten Staatshaushalt vor der Pleite und musste mit einem Milliardenkredit gerettet werden. Heute werden der unter Costa spürbare wirtschaftliche Aufschwung und seine bemerkenswerte Haushaltssanierung in Europa als „portugiesisches Wunder“ gefeiert.

Chefreformer auf Mittelweg

Dabei fuhr Chefreformer Costa einen Mittelweg zwischen dem von Brüssel geforderten eisernen Sparkurs und einer besonnenen Sozialpolitik, mit der er zum Beispiel schrittweise den Mindestlohn erhöhte, der in Portugal mittlerweile bei 705 Euro (in 14 Zahlungen pro Jahr) liegt und schrittweise weiter steigen soll.

Das Land erfreute sich eines überdurchschnittlichen Wachstums, das nur durch Corona vorübergehend unterbrochen wurde. Die Energiewende ist weit fortgeschritten. Die Arbeitslosigkeit liegt bei sechs Prozent. Der Haushalt war bis Pandemiebeginn ausgeglichen – und der Etat steht auch in 2022, trotz Corona-Sonderausgaben, besser da, als dies bei vielen anderen EU-Ländern der Fall ist.

Die Portugiesen belohnten nun Costas Reformerfolge: Der 60-Jährige holte in der Parlamentswahl mit 42 Prozent eine sensationelle absolute Mehrheit der Mandate. Damit festigte er seine Macht und kann problemlos weitere vier Jahre regieren.

„Ein Sieg des Vertrauens“

„Dies ist ein Sieg des Vertrauens“, sagte der gelernte Anwalt. Statt mit einer „Klapperkiste“ kann der sozialdemokratisch orientierte Sozialist jetzt mit einer stabilen Regierung in die Zukunft fahren.

Derweil bewundern Europas Sozialdemokraten, wie aus Portugal, dem südwestlichsten Zipfel des Kontinents, der sozialdemokratischen Bewegung neues Leben eingehaucht wird. Absolute Mehrheiten sind in den immer stärker fragmentierten europäischen Parlamenten selten geworden.

Costa, der schon als langjähriger Bürgermeister der Hauptstadt Lissabon mit jedem Urnengang seine Wählerunterstützung ausbauen konnte, ist in Europa zum linken Hoffnungsträger und Vorzeigesozialisten geworden.

Mit Tränen in den Augen

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz, der sich in der Bundestagswahl mit knapp 26 Prozent begnügen musste, lobte António Costa „als unermüdlichen Verfechter der sozialen Gerechtigkeit“. Der Portugiese habe das Land „mit einem klaren moralischen Kompass geführt“.

Spaniens sozialistischer Premier Pedro Sánchez, der in der letzten Wahl ebenfalls nicht über 28 Prozent hinauskam, sagte: „Ich kenne nur wenige politische Führer mit einem solchen Verhandlungsgeschick wie Costa.“

Der portugiesische Premier, der nach seinem unerwarteten Triumph den Tränen nahe war, versprach der Nation, auf dem Teppich zu bleiben: „Eine absolute Mehrheit zu haben, ist eine große Verantwortung, um für alle Portugiesen zu regieren.“