Es bedurfte allein der Stimme des langjährigen Schöffenrat- und Gemeinderatmitglieds Humbert, um das Kräfteverhältnis im Gemeinderat zu kippen. Damit reagierte der nunmehr Parteilose angeblich auf die Entscheidung seiner Fraktion vor über einem Jahr, ihm den Rücktritt aus dem Schöffenrat nahezulegen. Damit sollte der Weg frei werden für Marco Lux, den designierten Nachfolger von John Lorent als Bürgermeister. Lorent hatte seit längerem angekündigt, sich aus der Kommunalpolitik zurückziehen zu wollen. Zuvor sollte sich Lux als Schöffe in die Gemeindeführung einarbeiten. Mit dem Ausscheiden von Humbert und dann mit dem Rücktritts Lorents sollte eine Verjüngung in der LSAP-Fraktion vollzogen werden.
Lorent war seit 2005 Bürgermeister. Seit 1988 gehörte er dem Gemeinderat an. Seit 2011 wurde die Gemeinde von einer LSAP-„déi gréng“-Koalition regiert, nachdem die LSAP zuvor bei den Kommunalwahlen ihre absolute Mehrheit verloren hatte. Die sozialistische Fraktion stellte seitdem fünf, die Grünen-Fraktion zwei Gemeinderatsmitglieder.
Außergewöhnlich groß war das Interesse an dieser Abstimmung. Drei Dutzend Zuhörer hatten sich im Sitzungssaal in der „Schungfabrik“ eingefunden. Der Auslöser des politischen Wechsels, Marcel Humbert, nahm jedoch nicht an der Sitzung teil. Er ließ sich durch CSV-Fraktionschef Jean Weiler vertreten. Humbert sei auf Covid-19 positiv getestet worden, so Weiler, und warte auf die Ergebnisse des PCR-Tests.

Heftige Worte
Humberts vormalige Parteikollegen und Koalitionspartner rechneten in zum Teil heftigen Worten mit ihm ab, warfen ihm illoyales Verhalten vor. Die Koalition gehe nicht aus inhaltlichen Gründen zu Bruch. Es sei ein Racheakt und Machtspiel, sagte die bisherige Schöffin Viviane Petry („déi gréng“). Zuvor hatte Marco Lux (LSAP) auf parteiinterne Berichte hingewiesen, in denen die personelle Neuausrichtung der LSAP-Fraktion einstimmig beschlossen worden war. Zu keinem Zeitpunkt habe Humbert Meinungsverschiedenheiten mit der Politik der Koalition geäußert, gab Lux zu bedenken. Während 15 Jahren habe er die Politik der Koalition mitgetragen – und plötzlich habe er kein Vertrauen mehr in den Schöffenrat? Man sei Opfer einer Intrige, angezettelt von einem Verräter aus der eigenen Reihe, so Lux. Die neue Koalition werde eine auf wackeligen Beinen sein, mit einem Mann, der ständig abwesend sei. Als LSAP sei man froh, dass dieser Mann weg ist. Nun könne die Partei normal arbeiten, ohne dass bereits im Vorfeld politischer Entscheidungen der politische Gegner informiert werde.
Leidtragende der aktuellen Situation seien die Bürger, sagte Lux. Weil die Budgets nicht gestimmt wurden, könne die Gemeinde wichtige Arbeiten nicht weiterführen, da sie die Unternehmen nicht bezahlen könne. Große Projekte, unter anderem im Zusammenhang mit Esch2022, oder Planungsarbeiten für eine neue Schule seien vorerst gebremst. Sämtliche Ausgaben seien blockiert.
2017 habe man eine Koalition mit CSV und DP abgelehnt, weil man politische Stabilität wollte, so Petry. Seit 2011 trugen „déi gréng“ Verantwortung. Stabilität sei insbesondere heute in Covid-19-Zeiten wichtig. In diesen Zeiten mit Vorsatz eine Gemeinde außer Betrieb zu setzen sei, ein Skandal. Die Grünen forderten Neuwahlen, so Petry.
Kaum belobigende Worte fanden auch Marc Lukas („déi gréng“), Carlo Birchem und Astrid Belleville (LSAP). Er habe seine Partei seit Jahren hintergangen, habe Informationen aus Vorstands- und Fraktionssitzungen an Opposition weitergereicht und Unwahrheiten über Parteimitglieder verbreitet, warf Birchem Humbert vor. Dieser würde nun wohl mit fetten Posten in den Gemeindesyndikaten belohnt, ohne dass er dafür präsent sein müsse. Humbert sollte sein Mandat, das er auf der LSAP-Liste errungen hat, zurückgeben.
Frust beim Noch-Bürgermeister
Marc Lukas warf der Opposition vor, das schwächste Glied in der Mehrheit bearbeitet zu haben. Da es ihr nicht mit ernster politischer Oppositionsarbeit gelungen sei, aufzufallen, musste dieser Coup her. Verantwortliche dafür vertrete er auch außerhalb der Gemeinde auf Landesniveau. Einen Vorwurf, den sowohl Jean Weiler als auch Romain Becker (DP) zurückwiesen. Sowohl Weiler als auch DP-Vertreter Patrick Rings erklärten den Misstrauensantrag als Reaktion auf die Ablehnung des Budgetentwurfs. Man habe lediglich den gesetzlichen Vorlagen entsprechend gehandelt.
Seinen Frust konnte auch Noch-Bürgermeister John Lorent nicht verbergen. Es sei durchaus legitim, dass die Opposition Haushaltsvorlagen ablehne, aber nicht wenn jemand während 15 Jahren die gemeinsame Politik mitgetragen habe. Humbert sei lange Zeit die fünfte Kolonne in den Reihen der LSAP gewesen. Er sei eine Schande für die LSAP. CSV und DP sollten sich gut überlegen, mit wem sie sich ins Bett legen, warnte Lorent.
Er verpasste die Gelegenheit, in Ehren aus dem Gemeinderat zu verlassen. Nun sei er bloß ein Steigbügelhalter für CSV und DP. Diesen wünsche er viel Spaß mit ihrem neuen Partner. Was nicht auf demokratischem Wege gelungen sei, habe man mit einem Verräter versucht.
In einer gemeinsamen Erklärung haben CSV und DP mitgeteilt, sie befänden sich derzeit in Gesprächen mit Marcel Humbert zwecks Mehrheitsbildung. Sollte dies gelingen, hieße der neue Bürgermeister Jean Weiler (CSV).
De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können