Mittwoch22. Oktober 2025

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ÖsterreichNeue Enthüllungen zeichnen ein immer übleres Sittenbild der Kurz-Seilschaft

Österreich / Neue Enthüllungen zeichnen ein immer übleres Sittenbild der Kurz-Seilschaft
Der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz hat sich mittlerweile aus der Politik zurückgezogen, die Umstände seines Aufstiegs in die Regierungsspitze dürfte die österreichische Justiz jedoch noch lange beschäftigen Foto: AFP/Joe Klamar

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Der bereits eingesetzte Untersuchungsausschuss zur Korruption in der ÖVP unter Sebastian Kurz wird viel zu tun haben. Denn nahezu täglich vervollständigen neue Enthüllungen das Sittenbild einer abgehobenen Politmafia.

Und wieder sind es Chats vom beschlagnahmten Handy des Kurz-Intimus Thomas Schmid, der 2016/17 eine entscheidende Rolle im „Projekt Ballhausplatz“, also der Machtübernahme Kurz‘ erst in der ÖVP, danach im Kanzleramt, gespielt hatte und dafür mit dem Chefsessel in der Verstaatlichtenholding ÖBAG belohnt worden war. Dieses Mal liefern die in vermeintlicher Vertraulichkeit geführten Dialoge ziemlich harte Indizien für Korruption in höchsten Kreisen und dafür, dass Kurz-Freunde etwas gleicher waren als Normalsterbliche.

Zu diesem Freundeskreis zählte Siegfried Wolf, ein österreichischer Topmanager, der es an der Spitze des vom Austro-Kanadier Frank Stronach aufgebauten Autokonzerns Magna, danach im Imperium des russischen Oligarchen Oleg Deripaska zum Multimillionär gebracht hat. In diesem Sommer hatte er dem MAN-Konzern eine im oberösterreichischen Steyr von der Schließung bedrohte Lkw-Fabrik abgekauft.

Schon vor einigen Jahren hat sich Wolf ein Schloss am Wörthersee gekauft – Reifnitz, in bester Lage am Südufer. Dort ging im August 2016 eine illustre Party für den damaligen Außenminister Kurz über die Bühne. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sollen die Gäste um finanzielle Unterstützung für den ÖVP-Aufsteiger gebeten worden sein. Wolf selbst will im Gegensatz zu anderen Industriellen nichts gespendet haben, mobilisierte aber öffentlich für Kurz. Dieser mache als Außenminister „eine bessere Politik als der dafür gewählte Bundespräsident und der Bundeskanzler“, ließ er im Mai 2017 wissen. Wolf wusste auch, dass er Kurz nicht uneigennützig pushte, sondern Gegenleistung erwartete.

Einen Monat nach dem Reifnitzer Kurz-Event erhielt Thomas Schmid von Wolf unter anderen diese SMS: „Ich kämpfe auch für euch mit allen Mitteln.“ Jetzt, so der Umkehrschluss, sollte Schmid mit allen Mitteln für Wolf kämpfen. Denn der hatte zu diesem Zeitpunkt ein Steuerverfahren am Hals und Schmid sollte als Generalsekretär im Finanzministerium helfen. Der Fiskus hatte Wolf eine Steuernachzahlung von elf Millionen Euro aufgebrummt, die dieser so nicht akzeptieren wollte. Die zuständige Beamtin und der Chef der Steuersektion legten sich jedoch gegen einen Rabatt für Wolf quer.

Eine Hand wäscht die andere

Anstatt den beiden den Rücken zu stärken, betätigte sich der Generalsekretär als Wolf-Lobbyist. Schmid drängt einen anderen Ministerialbeamten, im Sinne von Wolf zu entscheiden: „Chef hat ihm das zugesagt“, schreibt er an den Untergebenen. Und: „Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!“ Schmids „Chef“ war damals Finanzminister Hans Jörg Schelling, der heute beteuert, keinesfalls für Wolf interveniert zu haben. Faktum ist: Am Ende zahlte der reiche Steuerschuldner sieben statt elf Millionen Euro. Und eine Beamtin, die den Deal letztendlich durchgewunken hat, bekam den neuen Posten, den sie sich gewünscht hatte. Wolf soll ihr, so die WKStA, bei einem Treffen auf einer Autobahnraststätte seine Unterstützung für den Jobwechsel zugesagt haben.

Eine Hand wäscht die andere – eine in Österreich gängige, noch nie aber derart penibel dokumentierte Praxis. Chat sei Dank. Siegfried Wolf, für den, wie für alle Genannten, die Unschuldsvermutung gilt, weist alle Vorwürfe zurück. Auch wenn ein strafrechtlich relevanter Vorwurf letztlich nicht zu beweisen sein könnte, sieht der frühere Rechnungshofpräsident Franz Fiedler ein „übles Sittenbild“. Die im Ministerium nicht einmal verakteten Vorgänge rund um den großzügigen Steuernachlass erinnern den ehemaligen Präsidenten der Anti-Korruptions-NGO „Transparency International“ an das „römische Reich der Endzeit“.

Kurz macht Karriere

Gar nicht in Endzeitstimmung ist Sebastian Kurz. Der 35-Jährige ohne abgeschlossenes Studium macht sich gerade daran, seine als Spitzenpolitiker geknüpften internationalen Kontakte zu vergolden. Keine drei Monate nach seinem Abgang soll er bereits einen hochdotierten Managervertrag bei einem Internet-Konzern im Silicon Valley unterschrieben haben.