Rock am Ring, das ist Marek Lieberberg. Oder zumindest Andre Lieberberg, Mareks Sohn. Denken viele. Ist aber nicht mehr aktuell. Denn Lieberbergs Unternehmen Live Nation ist nicht länger für die Organisation der Festivals Rock am Ring und Rock im Park zuständig. Stattdessen übernimmt die Firma Dreamhaus die Organisation innerhalb der CTS-Eventim-Gruppe.
An deren Spitze, und das ist durchaus interessant, steht Matt Schwarz, der bis vor kurzem als Führungskraft für Lieberbergs Live Nation arbeitete. Im Interview spricht Matt Schwarz über das Festival 2022, die Trennung von Marek Lieberberg und tritt Kritikern gegenüber, die behaupten, Rock am Ring sei „soft“ geworden.
Herr Schwarz, Butter bei die Fische: Für wie realistisch halten Sie es, dass Sie im Juni ein Festival mit zehntausenden Besuchern feiern können?
Matt Schwarz: Die aktuelle Pandemie-Situation ist sicherlich auch der Jahreszeit geschuldet, das konnten wir im letzten Winter schon feststellen. Wir arbeiten mit Hochdruck an den Vorbereitungen für Rock am Ring und Rock im Park 2022 und sind optimistisch, dass der Festivalsommer im nächsten Jahr ohne Einschränkungen stattfinden wird.
Worst-Case-Szenario: Wie hart würde es Rock am Ring treffen, wenn das Festival wieder verschoben werden müsste?
Noch ist es zu früh, über Worst-Case-Szenarien nachzudenken. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die pandemische Lage im Juni nächsten Jahres ein Festival unter normalen Bedingungen zulassen wird. Jetzt müssen wir erst einmal durch die kalte Jahreszeit kommen und auf die Experten und Wissenschaftler hören. Die aktuellen Meldungen bezüglich des Schutzes durch Booster-Impfungen und Deutschlands europäische Vorreiterrolle bei diesem Prozess geben uns Hoffnung.
Müssen sich Festivalbesucher Ihrer Meinung nach ganz grundsätzlich in Zukunft darauf einstellen, dass der Festivalbesuch ein anderer sein wird? Oder wird alles wie vorher?
Festivals haben sich schon immer gewandelt, zum Beispiel in Bereichen wie Sicherheit, Camping und Crowd Management. Aktuelle Anforderungen an Nachhaltigkeit und Diversität sind nicht nur gesellschaftliche Thematiken, sondern müssen selbstverständlich auch im Festivalkontext Berücksichtigung finden. Erkenntnisse und Erfahrungswerte aus allen Sektoren vergangener Festivals fließen kontinuierlich in die Planung zukünftiger Events ein, wir werden die Experience unserer Besuchern in den Fokus setzen.
Sie haben mit Rock am Ring zum Impfen aufgerufen. Halten Sie es überhaupt langfristig für möglich, dass Ungeimpfte größere Konzerte oder Festivals besuchen können?
Impfen ist der einzige Weg aus der Pandemie. Die Entscheidung, wer eine Kulturveranstaltung besuchen darf, liegt jedoch nicht in unserer Hand. Wir folgen selbstverständlich den Vorgaben der Behörden und den Empfehlungen der Wissenschaft.
Hat die Pandemie Auswirkungen auf die Kapazitätsgrenze bei Rock am Ring 2022? Wo liegt diese?
Wir planen wie in der Vergangenheit aktuell mit der Kapazität von 87.500.
Jetzt aber zu den positiven Fragen: 140.000 Tickets wurden für Rock am Ring und Rock im Park verkauft. Wie viele davon entfallen rein auf Rock am Ring? Und: Wie groß ist der Prozentsatz derer, die noch Tickets aus dem Jahr 2020 besitzen und diese nicht zurückgegeben haben – dem Ring also die Treue halten?
Rock am Ring steht bereits bei circa 75.000 Tickets. Wir freuen uns sehr darüber, wie verbunden sich die Fans mit Rock am Ring und Rock im Park fühlen. So haben über 70 Prozent der Besucher ihre Tickets getauscht.
Sie haben mit DreamHaus die Organisation von Rock am Ring übernommen. Wie kam es dazu?
Innerhalb der CTS Eventim Guppe wurde die Organisation geändert. Zuständig ist nun Dreamhaus. Persönlich war ich schon seit 2003 verantwortlich in die Organisation des Festivals eingebunden. Zudem steht mir ein erfahrenes Team zur Seite, das Rock am Ring und Rock im Park ebenfalls seit vielen Jahren auf verschiedenen Ebenen begleitet.
Zuvor arbeiteten Sie als COO für Live Nation. Im Februar 2020 verließen sie die Firma mit sofortiger Wirkung. Wieso?
Ich war über fünf Jahre für Live Nation in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig. Mein Vertrag lief nach fünf Jahren aus und ich hatte nicht vor, diesen zu verlängern.
Wie ist ihr Verhältnis zu Marek Lieberberg?
Ich habe in den 17 Jahren der Zusammenarbeit, zunächst bei MLK und die letzten fünfeinhalb Jahre bei Live Nation, wo wir partnerschaftlich die Geschäfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz geführt haben, viel von ihm lernen können. Diese Zeit möchte ich nicht missen.
Kommen wir zur Zukunft von Rock am Ring und Rock im Park. Braucht es Veränderung? Wenn ja, in welche Richtung?
Nichts ist so beständig wie der Wandel. Veränderungen empfinde ich grundsätzlich als etwas Positives. Wir konnten aufgrund der Pandemie nicht alle wichtigen zeitgerechten Anforderungen wie beispielsweise Diversität und Nachhaltigkeit für die 2022er Editionen bereits so umsetzen, wie wir uns das gewünscht hätten. Aber das bleibt das Ziel, an dem wir uns selbst messen.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass Rock am Ring weiterhin eines der wichtigsten Festivals Europas bleibt?
Rock am Ring ist und bleibt Rock am Ring. Nichtsdestotrotz arbeiten wir beständig an der Optimierung der Customer Experience. Wir möchten den Festivalbesuchern das bestmögliche Gesamterlebnis bieten und mit den Fans auf Augenhöhe kommunizieren. Hierbei stehen unter anderem Verbesserungen in den Bereichen Camping, Parken, Sanitär und Gastronomie im Fokus. Ungeachtet dessen, werden wir auch zukünftig das beste Line-Up auf drei Bühnen präsentieren.
Green Day, Muse und Volbeat sind die Headliner für 2022. Wieso diese drei, was zeichnet die Bands aus?
Einerseits hat es sich in den letzten zehn Jahren gezeigt, dass es einen Pool von nur etwa zwanzig Bands gibt, die weltweit die größten Traditionsfestivals headlinen können. Andererseits lassen wir natürlich auch die Ergebnisse unserer Besucherumfragen in die Booking-Entscheidungen einfließen. Da freut es uns umso mehr, dass uns dies mit den drei Headlinern gelungen ist. Green Day, Volbeat und Muse konnten bereits bei etlichen Festivalauftritten ihre außerordentliche Zugkraft unter Beweis stellen, letztere zum Beispiel auch bei ihrer ausverkauften Stadionshow 2019 in Köln.
Kritiker, oftmals langjährige Festivalgänger, bemängeln bei Rock am Ring immer wieder, dass sich das Festival zu sehr in Richtung „Mainstream“ und weg von Rock bewegt. 2022 sind jetzt unter anderem RIN, Scooter und Lewis Capaldi mit dabei. Haben die Kritiker Recht?
Rock am Ring ist seit jeher Deutschlands größtes Mainstream-Festival, bei dem diverse musikalische Strömungen gelebt werden. In der Vergangenheit haben sich zum Beispiel Simply Red und Eros Ramazotti die Ehre gegeben. Später traten Popkünstlerinnen wie Anastacia, Nelly Furtado oder Ellie Goulding auf und überzeugten auf ganzer Linie. Kritiker in den einschlägigen Foren bilden eine Minderheit. Wir pflegen eine intensive Kommunikation mit unserem Publikum. Viele wünschen sich neben Rock beispielsweise auch mehr Hip-Hop im Programm.
Was wünschen Sie sich für die Entwicklung von Rock am Ring. Wie in einem Vorstellungsgespräch: Wo sehen Sie Rock am Ring in fünf Jahren?
Das ist einfach, Rock am Ring soll das erfolgreichste Festival Deutschlands bleiben, seine Vorreiterrolle ausbauen und weiterhin Maßstäbe in der Festivallandschaft setzen.
Ganz persönliche Frage: Auf welchen Auftritt freuen Sie sich bei Rock am Ring am meisten? Von wem sind Sie der größte Fan?
Ich bin der größte Fan meiner sechsjährigen Tochter Ava. Wir werden uns gemeinsam den Aufritt von Måneskin anschauen, wenn sie nächstes Jahr das Festival erstmalig besucht. Meine Tochter liebt die Band und DreamHaus betreut zudem die Tourneen von Måneskin. Am meisten freue ich mich persönlich auf die Konzerte von Weezer, Muse, Turnstile und den Deftones sowie Marteria, den wir mit diesen Shows erstmalig im Rahmen unserer langfristigen Zusammenarbeit live präsentieren werden.
Info
Matt Schwarz (40) arbeitete 13 Jahre bei MLK als Vice President Touring & Festivals, bevor er im September 2015 zum Geschäftsführer und Chief Operating Officer von Live Nation in Deutschland, Österreich und der Schweiz ernannt wurde. Schwarz kollaborierte unter anderem mit Künstlern wie Metallica, Guns N‘ Roses, Billie Eilish, Coldplay, Kanye West, Rihanna, Beyoncé, Eminem, Backstreet Boys oder Justin Timberlake. Seit Januar 2021 ist Schwarz Chief Executive Officer der DreamHaus GmbH.
In 2017 veranstaltete Matt Schwarz die erste europäische Ausgabe des Global Citizen Festivals in Hamburg im Rahmen des G20 Gipfels, wo neben Coldplay Künstler wie Herbert Grönemeyer, Pharrell Williams, Shakira oder Andreas Bourani auftraten. Das Festival generierte über 700 Millionen US-Dollar an Verpflichtungen von Unternehmen und Weltpolitikern im Kampf gegen extreme Armut. DreamHaus ist ein neuer bundesweiter Konzert- und Tourneeveranstalter mit Sitz in Berlin, der zu CTS Eventim, dem größten Ticketing-Anbieter Europas, gehört. DreamHaus veranstaltet Tourneen von nationalen und internationalen Künstlern und organisiert ab 2022 die Festivals Rock am Ring und Rock im Park.
De Maart
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