Mittwoch22. Oktober 2025

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DeutschlandBund und Länder geraten wegen Omikron unter Handlungsdruck

Deutschland / Bund und Länder geraten wegen Omikron unter Handlungsdruck
Kanzler Olaf Scholz (M.) mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (l.), und der Berliner Oberbürgermeisterin Franziska Giffey nach den gestrigen Beratungen Foto: Bernd von Jutrczenka/Pool/AFP

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Bund und Länder wollen mit strengen Kontaktbeschränkungen auf die drohende Omikron-Welle reagieren – aber erst nach Weihnachten. RKI-Präsident Wieler wollte härtere Maßnahmen, wurde aber von Scholz und Lauterbach ignoriert.

Der Kanzler spricht leise, eindringlich, verständnisvoll. „Wir sind alle mürbe und der Pandemie müde“, sagt Olaf Scholz nach den knapp dreistündigen Beratungen von Bund und Ländern per Video. Deutschland befinde sich in einer seltsamen Zwischenphase. Die Ende November verhängten strengeren Regeln wirkten, die vierte Welle sei langsam unter Kontrolle – dennoch könne man nicht die Augen vor der sich auftürmenden fünften Omikron-Welle verschließen. „Corona macht keine Weihnachtspause“, sagt Scholz.

Und dennoch werden Bund und Länder die Zügel erst nach den Feiertagen anziehen. Ist das nicht paradox? Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), verbreitete direkt vor dem Gipfel über Twitter die Forderung nach „maximalen Kontaktbeschränkungen“. Diese müssten sofort und nicht erst nach Weihnachten eingeführt werden. Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach waren dem Vernehmen nach verstimmt übers Wielers Alleingang. Denn der neue Expertenrat im Kanzleramt hatte am Sonntag mit 19:0-Stimmen (auch Wielers) Empfehlungen abgegeben, die laut Scholz Grundlage für die neuen Beschlüsse sind. Er betont, Weihnachten und Ostern seien in der Pandemie nie Treiber gewesen. Familien hätten sich „vorsichtig und verantwortungsvoll“ verhalten. Dies wünsche er sich auch jetzt zum Fest, um „Eltern, Großeltern und ihre Lieben zu schützen“. Mit gebotener Vorsicht und Rücksicht sei Weihnachten möglich.

Wir sind alle mürbe und der Pandemie müde

Olaf Scholz, Kanzler

Zugleich verkündet Scholz ein neues Ziel: Nach 30 Millionen Impfungen bis Jahresende sollen bis Ende Januar weitere 30 Millionen Booster dazukommen. Er steuere zunächst eine Impfquote von 80 Prozent an. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärt als Chef der Länderrunde, Boostern sei die „stärkste Waffe gegen Omikron“. Außerdem müsse der Bund zügig die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht vorantreiben. Dass die Ampel die nationale pandemische Notlage haben auslaufen lassen, sei ein klarer Fehler gewesen, was die neue Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) Wüst so nicht durchgehen lassen will. Scholz schlichtet: „Wir handeln sehr einvernehmlich.“ Am 7. Januar wollen Bund und Länder erneut beraten.

Die Beschlüsse

Kontakte: Um die neue Welle mit der Omikron-Variante zu bremsen, wird es jetzt auch wieder Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene geben. Nach Weihnachten, „spätestens ab dem 28. Dezember“, sind private Zusammenkünfte von Geimpften und Genesenen nur noch mit maximal zehn Personen erlaubt. Diese Obergrenze gilt für private Treffen im Innen- und Außenbereich. Kinder bis 14 Jahre sind ausgenommen. Sobald eine ungeimpfte Person an einer Feier teilnimmt, gelten die Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Personen: Das Treffen ist dann auf den eigenen Haushalt und höchstens zwei weitere Personen beschränkt.

Feuerwerk: Zum Jahreswechsel bleibt das bisherige Böllerverbot auf öffentlichen Plätzen bestehen. Gleichzeitig verschärfen Bund und Länder ihre Ansagen, erinnern Bürger an Versammlungsverbote an Silvester und Neujahr. Das soll wohl „Querdenker“ von Spontandemonstrationen und Fackelzügen abschrecken.

Handel: Einen echten Lockdown wollen Bund und Länder trotz der drohenden massiven Omikron-Welle noch vermeiden. Handel und Gastronomie sollen offen bleiben, die 2G- und 2G-plus-Regeln sollen hier weiterhin gelten. Am Arbeitsplatz und im Nahverkehr gilt weiter 3G: „Das ist keine Schikane“, sagt Scholz.

Clubs und Diskotheken: Sogenannte Tanzlustbarkeiten in Innenräumen werden geschlossen. Und: „Überregionale Sport-, Kultur- und vergleichbare Großveranstaltungen finden spätestens ab dem 28. Dezember ohne Zuschauer statt.“

Impfpflicht: Wegen Omikron erhöht sich nach Ansicht von Bund und Ländern „die Dringlichkeit“ der für Februar geplanten Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Der Bund soll die Vorbereitungen zügig vorantreiben und „kurzfristig einen Zeitplan“ vorlegen. Ärzte, Apotheken und Impfzentren sollen auch an Feiertagen und bis Silvester mit Hochdruck impfen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt jetzt Booster-Impfungen bereits ab drei Monaten nach der zweiten Impfung.

Infrastruktur: Stark steigende Infektionszahlen und deren Folgen könnten mit Omikron ein Ausmaß erreichen, dass die kritische Infrastruktur (Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienste, Telekommunikation, Strom- und Wasserversorgung) eingeschränkt ist. Bund und Länder fordern die Betreiber auf, ihre Pandemiepläne anzupassen, damit alles funktioniert.

EU-Impfnachweise ohne Booster ab 1. Februar nur neun Monate gültig

Corona-Impfnachweise ohne Auffrischung werden in der Europäischen Union künftig nur noch neun Monate lang gültig sein. Wie die EU-Kommission gestern mitteilte, tritt die Regelung am 1. Februar in Kraft, sofern die Mitgliedstaaten oder das Europaparlament nicht mit den erforderlichen Mehrheiten ihr Veto einlegen. Dies gilt als unwahrscheinlich, weil die Entscheidung mit den Mitgliedstaaten abgestimmt wurde.

Die auf 270 Tage festgelegte Gültigkeitsdauer der Impfzertifikate gebe den „Bürgern und Unternehmen die Sicherheit, ihre Reisen sicher zu planen“, erklärte EU-Justizkommissar Didier Reynders. Es sei nun an den Mitgliedstaaten die Auffrischungsimpfungen rasch zu verabreichen, „um unsere Gesundheit zu schützen und die Sicherheit des Reisens zu gewährleisten“. Einige EU-Mitgliedstaaten haben die Gültigkeit von Doppel-Impfungen bereits zeitlich beschränkt.

In Frankreich laufen ab dem 15. Januar die Impfnachweise von Erwachsenen etwa sechs Monate nach Erhalt der zweiten Corona-Impfung ab, sofern sich die Betroffenen nicht boostern lassen. Den EU-Impfnachweis erhalten Menschen in der Europäischen Union direkt nach ihrer Impfung. Er enthält einen QR-Code, der in das EU-weite digitale Covid-19-Zertifikatssystem eingespeist werden kann. (AFP)