Früher galt Erdgas als günstige, saubere und zuverlässige Energiequelle. Nun wird Gas zum Auslaufmodell – jedenfalls wenn es nach dem Willen der EU geht. Um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, will Brüssel künftig keine Erdgas-Pipelines mehr fördern. Zudem soll der Gasmarkt neu geordnet werden, um den emissionsarmen Wasserstoff zu pushen und Gas-Lieferverträge abzuwickeln.
Dies hat die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorgeschlagen. Klimakommissar Frans Timmermans und Energiekommissarin Kadri Simson wollen Langzeitverträge mit Erdgas bis 2049 verbieten. Um Lieferengpässe zu vermeiden, könnten EU-Länder künftig jedoch gemeinsame Gaseinkäufe tätigen und strategische Reserven anlegen. Parallel soll ein Wasserstoffmarkt aufgebaut werden.
Wasserstoff gilt als umweltfreundlich – jedenfalls dann, wenn er durch Strom aus erneuerbaren Energiequellen produziert wird. Der Richtlinien-Entwurf legt fest, dass „emissionsarmer“ Wasserstoff mindestens 70 Prozent weniger klimaschädliche Emissionen verursachen soll als fossiles Gas. Zudem soll es den Verbrauchern leichter gemacht werden, von fossilem zu „grünem“ Gas zu wechseln.
Massive Kritik kommt von den Grünen im Europaparlament. „Das Gaspaket liest sich wie die vorweihnachtliche Wunschliste der Gasindustrie“, sagte der Europaabgeordnete Michael Bloss. Die EU-Kommission setze weiter auf neue Gasprojekte und verringere kaum die Abhängigkeit der EU von Gaslieferungen aus Russland.
Ähnlich äußerte sich die Luxemburgerin Tilly Metz. „Gas ist nach Kohle der nächste fossile Brennstoff, den wir loswerden müssen. Aber wir sollten nicht den Fehler machen, es eins zu eins durch Wasserstoff zu ersetzen.“ Die Kommission müsse klären, „wofür wir Wasserstoff verwenden können und welche Infrastruktur dafür benötigt wird“.
Maßnahmen gegen Preisexplosion
Doch nicht nur im Europaparlament droht Streit. Auch die Staats- und Regierungschefs ringen um die richtige Strategie. Beim EU-Gipfel am Donnerstag stehen wieder die hohen Gas- und Strompreise auf der Tagesordnung. Angeführt von Frankreich und Spanien, drängen mehrere EU-Länder auf Maßnahmen gegen die Preisexplosion bei der Energie. Sie fürchten Inflation und soziale Unruhen.
Deutschland lehnt jedoch Markteingriffe ab. Die Preisschwankungen seien völlig normal, hieß es vor dem EU-Gipfel in Berlin. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz verfolgt in der Energiepolitik offenbar dieselbe Linie wie seine Amtsvorgängerin Angela Merkel. Scholz will auch an der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 festhalten.
Polen und einige andere EU-Länder fordern jedoch, das deutsch-russische Projekt endgültig zu begraben, wenn Russland seinen aggressiven Kurs gegen die Ukraine fortsetzt. Nord Stream 2 müsse auf einer Sanktionsliste der EU stehen, hieß es vor dem Gipfeltreffen in Brüssel. Damit könnten sich die Europäer jedoch selbst schaden – denn die Energiemärkte sind extrem nervös.
Anfang dieser Woche war der Gaspreis auf neue, rekordverdächtige Höhen geschnellt. Zuvor hatte die neue deutsche Außenministerin Annalena Baerbock angekündigt, dass Nord Stream bis auf Weiteres nicht ans Netz gehen werde. Ob diese Ankündigung mit Scholz abgesprochen war, ist unklar. Fest steht nur eins: Gas ist zum Politikum geworden – nicht nur in Brüssel.
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