Sonntag19. Oktober 2025

Demaart De Maart

VerteidigungDas NATO-Bündnis vor wachsenden Herausforderungen

Verteidigung / Das NATO-Bündnis vor wachsenden Herausforderungen
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg  Foto: AFP/John Thys

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Mitten in der Schlussphase der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP setzt NATO-Generalsekretär mitten auf der Spree bemerkenswerte Signale zu den heiklen Sicherheitsproblemen, die auch die künftige deutsche Regierungskoalition herausfordern und belasten werden.

Bewaffnete Polizisten pflügen auf einem Schlauchboot durch die Spree. Auf der anderen Seite des eskortierten Schiffs halten Sicherheitskräfte an Bord der „Seeadler“ Ausschau nach Verdächtigem am Ufer und auf den Brücken. Kein Zweifel: Da tuckert eine gefährdete Persönlichkeit durch die deutsche Hauptstadt. Es ist NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der sich zwischen einem Frühstück im Adlon und einem Mittagessen im Kanzleramt den Gästen der Deutschen Atlantischen Gesellschaft und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und ihren unbequemen Fragen nach der Rolle der NATO stellt.

Er sei schon oft in Berlin gewesen, aber zum ersten Mal auf der Spree, sagt der Generalsekretär. Vermutlich ist es für den NATO-Chef auch im übertragenen Sinne ein ungewohntes Gefühl, mit seinen Partnern permanent in einem Boot zu sitzen und sowohl den Start und das Ziel punktgenau zu erreichen. Daran fehlt es in der NATO seit Langem. Die Zeiten, in denen der wichtigste Verbündete in Person von Donald Trump das Bündnis generell infrage stellte, sind zwar einstweilen vorbei. Aber die Krisen sind gefährlicher, die Herausforderungen größer und die Zweifel am Bündnis greifbarer geworden.

Auch Deutschland gehört zu den Anlässen, die die NATO besorgt sein lassen. Stoltenberg bedient sich feinster Diplomatie, will die innerstaatliche Regierungsbildung eines der wichtigsten Mitglieder nicht kommentieren, hinterlässt dann doch klare Warnungen in Richtung der laufenden Koalitionsverhandlungen: Es müsse bei der nuklearen Teilhabe Deutschlands als Ausdruck der NATO-Solidarität und als Sicherheitsgarantie für Europa bleiben, lautet seine Beschwörung. Das sehen die Grünen gerade anders. Und er empfiehlt auch nachdrücklich, mehr Geld in die Verteidigung zu stecken; dazu habe sich Deutschland im NATO-Verbund verpflichtet.

Wir sollten in Zukunft vorsichtiger mit der Ausweitung unserer Ambitionen sein

Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär

Im Gespräch an Bord kommt es zu einem interessanten Gedanken: Wenn die Ampel am Ende das Ziel nicht mehr so leidenschaftlich verfolgt, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben, die NATO nun betont, dass die Bekämpfung der Klimakrise von erheblicher sicherheitsrelevanter Bedeutung für das Bündnis ist, wie wäre es dann, beides miteinander zu verknüpfen? Konkret: Zählen Investitionen in die Klimaneutralität somit konsequenterweise auch als Verteidigungsausgaben? Stoltenberg holt aus, biegt dann in die militärische Realität ein, in der es auch darum gehen müsse, dass Schiffe, Kampfjets und Panzer ihre klimaschädlichen Emissionen reduzieren und stellt dann fest: Wer in grüne Militärtechnik investiere, könne das natürlich unter Verteidigungsausgaben verbuchen.

Peking stellt die Systemfrage

Zum Thema Russland fällt sehr häufig das Wort „aggressiv“. Stoltenberg nutzt das öffentliche Forum in Berlin, um Polen und den baltischen Staaten eine Beistandsgarantie auszusprechen und Unterstützung auch für die Ukraine anzukündigen. Der massive russische Truppenaufmarsch an den Grenzen der Ukraine ist für Stoltenberg alarmierend, Grund zu großer Besorgnis ist für ihn auch das „zynische“ Vorgehen Weißrusslands, mit Flüchtlingen Druck auf Polen und die EU auszuüben. Russland und Weißrussland sind bei weitem nicht die einzigen Hotspots für Herausforderungen, die ständig größer werden. Auch die wachsenden Spannungen im Kosovo und in Bosnien rufen die NATO auf den Plan.

Und dann ist da China. Geografisch weit weg von Deutschland, aber nicht nur durch den intensiven Handel und die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen näher als gewöhnlich wahrgenommen: Gerade ist die Fregatte „Bayern“ in indochinesischen Gewässern unterwegs, um Flagge zu zeigen. China-Expertin Sarah Kirchberger vom Kieler Institut für Sicherheitspolitik spricht von dem unerwartet großen Eindruck, den die Entscheidung der „Bayern“-Fahrt bei den Partnern ausgelöst habe. Die aktuelle Zusammenarbeit mit den dortigen Militärs werde Deutschland wichtige Erkenntnisse bringen. Doch der aus den USA zugeschaltete ehemalige Botschafter Amerikas bei der NATO und in Russland, Alexander Vershbow, relativiert Deutschlands Rolle: Dessen Fähigkeiten in der dortigen Region seien übersichtlich, und die Herausforderungen zu Hause schon groß genug.

Dennoch steht auch die NATO selbst vor wachsenden Problemen in der Systemkonfrontation mit China, wie Wissenschaftler an Bord herausarbeiten. Es gebe keine belastbaren Strukturen des Westens in jener Region, in der China mit einer Salamitaktik immer mehr Einfluss gewinne und immer offensichtlicher die Systemfrage stelle. Die NATO, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs scheinbar die Siegerin der Geschichte, gerät immer mehr in die Rolle der bedrängten Verteidigerin, die nur noch auf das Vorgehen anderer reagiert. Wie brisant die Gefahren in der Region sind, bringt Kirchberger in einem drastischen Bild zum Ausdruck: China gehe gegen Taiwan mit einer „Anakonda-Strategie“ vor – das Opfer fest umschlingend langsam die Luft nehmen.

In Afghanistan krachend gescheitert

Diese Perspektive ist besonders prekär für das westliche Bündnis vor dem Hintergrund einer gerade krachend gescheiterten Afghanistan-Mission. Die Analyse der Ursachen sei in vollem Gange, berichtet Stoltenberg. Als Zwischenergebnis erinnert er daran, zunächst einzig zum Zweck der Terrorbekämpfung an den Hindukusch gegangen zu sein. Dem sei dann sehr bald das Ziel hinzugefügt worden, eine demokratische und friedliche afghanische Gesellschaft aufbauen zu wollen. „Wir sollten in Zukunft vorsichtiger mit der Ausweitung unserer Ambitionen sein“, lautet Stoltenbergs Schlussfolgerung.

Dem stimmt der deutsche General Markus Laubenthal, selbst als Kommandeur in Afghanistan eingesetzt, ausdrücklich zu. „Schockiert“ sei er gewesen zu erleben, dass die den Taliban an Zahl und Technik weit überlegenen afghanischen Sicherheitskräfte das Feld kampflos geräumt hätten. Und er stellt die entscheidenden Fragen: Ob das vom Westen ausgebildete Militär in Afghanistan ausreichend verankert gewesen sei? Ob es einen Staat und eine Gesellschaft gegeben habe, für die sich zu kämpfen lohnte? Ob der Westen die Gesellschaft in Afghanistan überfordert habe? Für ihn folgt, für künftige Missionen „erreichbare Ziele zu formulieren, die nicht uns, sondern die Menschen vor Ort überzeugen“. Da ist viel zu tun für die NATO.

Klod
23. November 2021 - 0.45

Die nato sucht die naechsten provokationen.
Kaum aus afghanistan rausgeflogen wird der naechste konflikt gesucht...man zoegert zwischen der ukraine,iran oder vielleicht taiwan...biden gibt die marschroute ohnehin vor.