Louis Philippe, Vorsitzender der „Commission de la cohésion sociale“ in Käerjeng, bemerkte in den vergangenen Monaten eine Zunahme an Suchterkrankungen. Unter dem Motto „Vorsorge ist besser als Nachsorge“ lud die beratende Kommission am Samstag zu einem Themennachmittag in Bascharage ein.
Ab wann gilt der Konsum bestimmter Substanzen als problematisch? Wenn es bei einem unregelmäßigen, verantwortungsvollen und kontrollierten Umgang bleibt, beispielsweise einem Glas Sekt im Rahmen einer Feier, gilt es nicht als Pathologie, sagt Dr. Jean-Marc Cloos. Er ist ärztlicher Direktor der psychiatrischen Abteilung in den Hôpitaux Robert Schuman (HRS) und Spezialist für Suchterkrankungen. Problematisch wird es, wenn ein regelmäßiger Konsum mit Verhaltensänderungen und Folgeerkrankungen einhergeht. Wenn beispielsweise beim Alkoholmissbrauch erste Folgeschäden, sei es seelischer oder körperlicher Natur, auftreten. Dies kann dann zu einer Scheidung oder dem Verlust des Arbeitsplatzes führen.

Kontrollverlust
Der Übergang vom gelegentlichen Konsum über den Missbrauch bis hin zur Abhängigkeit verläuft fließend. Ab einem bestimmten Zeitpunkt verlieren Betroffene die Kontrolle darüber. Mit immer höheren Dosen versuchen sie den Wirkungsverlust zu kompensieren. Der Konsum einer Substanz gewinnt zusehends an Bedeutung und Funktion in verschiedenen Lebenslagen und Gemütszuständen. Entzugssymptome wie Zittern, Schweißausbrüche, Herzrasen oder Aggressivität machen sich breit. Häufig geben Betroffene Aktivitäten zugunsten des Konsums von Suchtmitteln auf.
Besonders im Lockdown oder während der lang andauernden Fernarbeit konsumierten die Leute zu Hause häufiger alkoholische Getränke als zuvor. Aspekte wie Einsamkeit und der Verlust des Zeitgefühls und der Zeiteinteilung hätten dieses Verhalten gefördert, hieß es am Samstag.
In den letzten Monaten nahm die Anzahl an Hilfesuchenden deutlich zu. Die Termine der Fachärzte sind auf lange Zeit ausgebucht, die Wartelisten lang. Hinzu kommt ein weiteres Problem. In den kommenden zehn bis 15 Jahren werden viele Psychiater in den Ruhestand treten, Nachwuchs gibt es hingegen kaum. Die Tatsache, dass Behandlungen beim Psychologen oder Psychotherapeuten noch immer nicht von der CNS erstattet werden, trägt sicherlich nicht zur Entlastung der Fachärzte bei, sagt Dr. Jean-Marc Cloos gegenüber dem Tageblatt.
Einige sind erst 12
Der chronische Konsum von Suchtsubstanzen ist nicht die einzige Sorge der Mediziner. Häufig sind die Ärzte und Pfleger in den Notaufnahmen mit akuten Alkoholvergiftungen konfrontiert. Die betroffenen Patienten, oftmals Jugendliche, trinken sich mittels hochprozentiger Getränke binnen kürzester Zeit in den Vollrausch – bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit.
Es gibt Jugendliche, die bereits mit 12 oder 14 Jahren hohe Mengen an Alkohol konsumieren, berichtet der Facharzt – mit schweren Folgen für ihre Entwicklung. Erst ab etwa 21 Jahren ist das Gehirn eines Menschen vollständig entwickelt. Hier sei die Rolle der Eltern und Politik gefragt.
Viele Konsumenten glauben, durch den Konsum vom Kokain seien sie leistungsfähiger, aber in Wirklichkeit ist dies nur eine Illusion
Neben den verharmlosten Volksdrogen Tabak und Alkohol nimmt aber auch der Konsum von Kokain, Heroin und synthetischen Rauschmitteln stetig zu. Dies bestätigte eine Untersuchung des LIST durch den Nachweis von Drogenrückständen in den Abwässern.
Vor allem Kokain wird immer beliebter. Der Übergang vom bewussten Konsum zur Abhängigkeit verläuft hier aber wesentlich schneller als etwa beim Alkohol. Der Entzug ist sehr hart, bedarf einer langen Vorbereitungszeit und vor allem der Mitarbeit des Abhängigen. „Viele Konsumenten glauben, durch den Konsum vom Kokain seien sie leistungsfähiger, aber in Wirklichkeit ist dies nur eine Illusion“, sagt Dr. Cloos.
Medikamente und Medienkonsum
Doch auch bestimmte Medikamentengruppen haben ein hohes Suchtpotenzial. Betroffene greifen dann häufig auf schmerzlindernde Substanzen wie Opiate oder Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine zurück. Der Mechanismus verläuft wie bei allen Suchtmitteln: Ein gewisses Gefühl von Entspannung, Enthemmung oder Euphorie tritt auf. Der Mensch gewöhnt sich schnell an diesen Zustand und greift immer öfters zu den berauschenden Mitteln. Doch gerade jene Betroffene, die medikamentensüchtig sind, suchen kaum nach Hilfe, gibt der Experte zu bedenken.
Dr. Andreas König von „ausgespillt.lu“ geht auf eine andere Suchtform ein, die nicht immer erwähnt wird, aber genauso viele Gefahren birgt: jene des exzessiven Medienkonsums. Smartphones, das Internet im Allgemeinen und auch Computerspiele sind ein bedeutsamer Bestandteil des Lebens geworden. Digitale Medien sind untrennbar mit unserem Alltagsleben verbunden. Doch auch hier können Menschen die Kontrolle über ihren Konsum verlieren. Sie entgleiten in die Abhängigkeit virtueller Welten mit entsprechenden Folgen auf seelischer, gesundheitlicher und sozialer Ebene. Internationalen Studien zufolge besteht bei 4,6 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine pathologische Nutzung digitaler Angebote.
De Maart
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