Samstag15. November 2025

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Alain spannt den BogenDem Schönen, Wahren und Guten

Alain spannt den Bogen / Dem Schönen, Wahren und Guten
Andras Schiffs Einsätze sind knapp, er dirigiert kaum – und doch folgen ihm die Musiker mit einer unglaublichen Hingabe Foto: Sébastien Grébille/Philharmonie

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Um das Publikum von heute in die Konzertsäle zu locken, müssen schon die klangprächtigen Symphonien von Bruckner, Mahler und Schostakowitsch oder die großen Tondichtungen von Richard Strauss auf dem Programm stehen.

Es gibt kaum ein internationales Symphonieorchester, das ohne eines dieser Werke im Gepäck auf Tournee geht. Es scheint, als brauche das Publikum den Klangrausch, während die Feinheiten eines Haydn oder Mozart weniger hoch in seiner Gunst stehen.

Umso mehr hatte ich mich auf den Abend mit dem Pianisten Andras Schiff – inzwischen zum Sir erhoben – und der Cappella Andrea Barca gefreut. Denn es gab zwei Klavierkonzerte von W. A. Mozart sowie die schwungvolle 5. Symphonie von Schubert.

Sir Andras Schiff hat die Cappella Andrea Barca persönlich aus Solisten und Kammermusikern aus aller Welt zusammengestellt, die an kein festes Orchester gebunden sind und unter seiner Leitung als großes Kammermusikensemble funktionieren.

„Da gibt es keinen Platz für das Egoistische. Dieses Ensemble basiert auf gegenseitiger Sympathie, Verständnis, Gleichstimmigkeit und gleichen Idealen – ästhetisch, musikalisch und menschlich.“ So Andras Schiff über sein Ensemble. Seit seiner Entstehung 1999 für die Gesamteinspielung der Klavierkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart stehen die Werke des Salzburger Meisters im Mittelpunkt des Ensembles.

Mozart im Mittelpunkt

Am vergangenen Samstag konnte das Publikum der Philharmonie dann die Klavierkonzerte Nr. 9 Es-Dur KV 271 „Jenamy“ und Nr. 27 B-Dur KV 595 genießen. Beide Konzerte sind sehr kammermusikalisch orchestriert und entsprechen demnach sehr gut der Interpretationsphilosophie der Cappella Andrea Barca.

Es wirkt so, als haben alle Musiker die Interpretationsphilosophie von Andras Schiff verinnerlicht
Es wirkt so, als haben alle Musiker die Interpretationsphilosophie von Andras Schiff verinnerlicht Foto: Sébastien Grébille/Philharmonie

Das Publikum erlebte einen großartigen Musikabend. Wer in die Konzerte von Andras Schiff geht, der weiß, was ihn erwartet. Konservative Klassik im besten Sinne der großen musikalischen Tradition. Was Buchbinder für Beethoven und Oppitz für Brahms sind, das ist Andras Schiff für Mozart. Seine Interpretationen stehen eigentlich immer unter dem Motto „dem Schönen, Wahren und Guten“. Und damit ist eigentlich alles gesagt.

Schiff spielt nicht Klavier, er streichelt die Musik, gestaltet sie aus der Stille, aus dem Nichts heraus, modelliert die Noten mit Noblesse und gibt ihnen eine natürliche, organische Form. Historische Ansätze und dynamischen Drive sucht man vergebens. Unaufgeregt, ohne Anflug von Effekthascherei zelebriert Schiff die Musik.

Federleicht, mit atemberaubender Balance

Das Musikantische steht im Mittelpunkt, aber nicht nur. Denn wenn Schiff spielt, geht es um das Wesentliche, um Philosophie und Humanismus. Die Noten sind immer eingebettet in einen schönen, runden Klang, das Orchester begleitet präzise, ohne sich dabei in den Vordergrund zu spielen. In der Tat ist es ein großes Kammermusikensemble.

Schiffs Einsätze sind knapp, er dirigiert kaum, und doch folgen ihm die Musiker mit einer unglaublichen Hingabe und Präsenz. Zwischen den beiden Mozart-Konzerten die 5. Symphonie von Franz Schubert mit ihrem an Mozart erinnernden Charakter. Auch hier das gleiche Bild: Musikantische Natürlichkeit, klangliche Raffinesse, ein federleichtes Orchesterspiel, atemberaubende Balance. Es scheint, als haben alle Musiker die Interpretationsphilosophie von Andras Schiff komplett verinnerlicht. Ein Ansatz, der die Musik selbst quasi entschleunigt und sie auf eine metaphysische Ebene hebt. Alles in allem ein einmaliges Konzerterlebnis, das von einem begeisterten Publikum zu Recht gefeiert wurde.