Wegen mutmaßlicher Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss wird gegen Kurz bereits ermittelt. Für den Fall einer Anklage hat der ÖVP-Chef aber schon wissen lassen, dass er keinesfalls zurücktreten werde. Doch was die Justiz ihm und seinem Umfeld nun vorwirft, wird sich nicht so einfach aussitzen lassen. Denn es geht um mehr als eine missverständliche Aussage, es geht um Korruption in Reinkultur und auf höchster Ebene.
Konkret: In den Jahren 2016 und 2017 sollen im Zuge des Machtkampfes zwischen dem aufstrebenden Außenminister Sebastian Kurz und dem damaligen ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner mit Steuergeld aus dem Finanzministerium Umfragen finanziert worden sein, die Kurz als neuen Hoffnungsträger und seinen weniger populären Widersacher als Sargnagel der ÖVP darstellten. Um diese demoskopische Auftragsarbeit eines ÖVP-nahen Meinungsforschungsinstitutes auch unters Volk zu bringen, soll die Boulevardzeitung Österreich im Gegenzug für den Abdruck der Jubelstorys über Kurz mit Inseraten aus dem Finanzministerium gefüttert worden sein. Die Fäden dort zog der damalige Generalsekretär Thomas Schmid, engster Kurz-Vertrauter, der nach dem Sturz Mitterlehners und der Bildung der 2019 durch den Ibiza-Skandal gesprengten ÖVP-FPÖ-Koalition mit dem Chefposten in der Staatsholding ÖBAG belohnt wurde.
Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund in Frage gestellt
Diesen Job ist Schmid seit Juni los. Im Zuge der Ermittlungen zum Ibiza-Skandal war sein Handy samt zahlreichen peinlichen bis inkriminierenden Chat-Nachrichten beschlagnahmt worden. Gegen ihn wird wegen Untreue und Bestechlichkeit ermittelt. Und auch jetzt geht es wieder um Chats auf seinem Handy. Sie sollen die oben beschriebenen Vorgänge belegen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sieht darin die Tatbestände der Bestechung, Bestechlichkeit beziehungsweise Untreue erfüllt und beantragte eine Serie von Hausdurchsuchungen, die nun das Kurz’sche „House of Cards“ erschüttern. Während der Kanzler am Mittwoch beim EU-Gipfel in Slowenien war, durchsuchten Ermittler seine Amtsräume. Auch die ÖVP-Zentrale sowie die Büros von Österreich waren Ziel von Razzien. Ebenso die Wohnsitze von Kanzlersprecher Johannes Frischmann, dem Medienbeauftragten des Kanzleramtes, Gerald Fleischmann, und Kurz-Berater Stefan Steiner. Insgesamt ermittelt die WKStA gegen zehn Verdächtige – an der Spitze: der Bundeskanzler.
Kurz sieht sich als Opfer
Dieser weist jeden Verdacht von sich und betrachtet sich als Opfer der Korruptionsstaatsanwaltschaft. Die ÖVP vermutet dort „linke Zellen“, die nichts anderes im Sinn hätten, als Kurz zu stürzen. Tatsächlich finden sich in den Chat-Verläufen keine SMS von Kurz, die ihn als Auftraggeber von Malversationen überführen könnten. Aber sie belegen, dass der damalige Außenminister darüber, wie seine engsten Freunde den Coup gegen ÖVP-Chef Mitterlehner vorbereiteten, stets auf dem Laufenden gehalten wurde. Als zumindest mitwissenden Mastermind dieser Truppe betrachten die Korruptionsjäger daher Kurz als Verdächtigen.
Während die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos geschlossen seinen Rücktritt fordern, hält ihm seine ÖVP die Stange. Zahlreiche Parteigranden solidarisierten sich gestern demonstrativ mit ihm. Die Rückendeckung durch die Parteifreunde nützt jedoch wenig, wenn der Koalitionspartner abspringt. Bislang hatten sich die Grünen bei Kurz’ Scharmützeln mit der Justiz stets darauf beschränkt, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft zu betonen und diese vor Angriffen der ÖVP in Schutz zu nehmen.
Grüne setzen sich ab
Seit gestern ist das anders: „Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund in Frage gestellt“, kommentierte Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler die Hausdurchsuchungen vom Vortag. Er will dies nicht als Aufkündigung der Koalition interpretiert wissen, betonte aber, dass man einen „Vertrag mit der ÖVP, nicht mit Kurz“ habe. Noch deutlicher wurde die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin im Nationalrat, Olga Voglauer: „Ich kann mir keine weitere Koalition mit einem Kanzler Kurz vorstellen.“ Im Klartext: Notfalls müsse die ÖVP ihren Superstar in die Wüste schicken. Danach sieht es zwar noch nicht aus, aber das „House of Kurz“ wankt wie nie.
Die Grünen werden nächsten Dienstag Gelegenheit haben, Farbe zu bekennen. An diesem Tag wird das Parlament über einen von der SPÖ angekündigten Misstrauensantrag gegen Kurz abstimmen.
Kurz baute gestern bereits für den Fall der Fälle vor und bastelte prophylaktisch an einer Dolchstoßlegende: Er stehe zu der Koalition, aber „wenn die Grünen also nicht mehr diese Zusammenarbeit fortsetzen wollen und sich andere Mehrheiten im Parlament suchen wollen, ist das zu akzeptieren“.
De Maart
Die gruenen sind wenig vertauensvolle partner...das haette kurz allerdings auch wissen muessen.