Für die Republik Moldau hat das Ergebnis der Parlamentswahlen vom Sonntag fast schon historische Bedeutung: In dem 101-köpfigen Parlament wird es künftig eine klare proeuropäische Mehrheit geben. Die von der Staatspräsidentin Maia Sandu gegründete Partei Aktion und Solidarität (PAS) dürfte künftig 63 Sitze innehaben. Sie kann daher eine Alleinregierung bilden.
Der klare Wahlsieg der proeuropäischen Kräfte bedeutet, dass die politische Blockade zwischen Parlament und Regierung einerseits und der Präsidentin andererseits beendet ist: Bisher torpedierte das von den Sozialisten dominierte Parlament die Reformpläne von Präsidentin Sandu und es gab Kompetenzstreitigkeiten mit Ministern – etwa darüber, wer die Grundlinien der Außen- und Sicherheitspolitik verantwortet. Die wichtigsten Institutionen des Staates werden künftig unter Kontrolle der prowestlichen Kräfte stehen.
Hauptverlierer der Wahl sind die bisher im Parlament dominierenden Sozialisten, deren Wahlbündnis mit der Kommunistischen Partei nicht zum erhofften Erfolg geführt hat. Die russlandfreundlichen Kräfte werden künftig mit 32 Sitzen im Parlament vertreten sein, wobei sie zwei Fraktionen bilden wollen: 21 Sitze gehen an die Sozialisten von Ex-Präsident Igor Dodon, elf an die Kommunisten des betagten Wladimir Woronin, der während der Nullerjahre das Präsidentenamt innehatte. Dodon gestand am Montag seine Niederlage ein und gratulierte der PAS. „Wir akzeptieren das Ergebnis als natürlichen Ausdruck der Demokratie. Die Menschen wollten offenbar erhebliche Veränderungen, und die haben sie bekommen.“
Gleichzeitig ließ es sich Dodon nicht nehmen, vor der Dominanz einer einzigen Partei zu warnen. Er verglich den Siegeszug der PAS mit der Herrschaft der einst allmächtigen (und heute bedeutungslosen) Demokratischen Partei des flüchtigen Oligarchen Vlad Plahotniuc – der Republik Moldau drohe seinen Worten zufolge die „Eroberung des Staates, nur durch die andere Seite“. Dritte Kraft ist die Partei des ebenfalls ins Ausland abgetauchten Oligarchen Ilan Schor mit sechs Sitzen.
Ich hoffe, dass die Gaunerherrschaft vorbei sein wird
Die Wahlbeteiligung in dem 2,6 Millionen Einwohner zählenden Land lag bei 48,4 Prozent. Auch mehr als 210.000 Auslands-Moldauer nahmen an dem Urnengang teil. Das rege Interesse der Diaspora dürfte Sandu in Teilen zum Sieg verholfen haben. Doch auch in der Hauptstadt Chisinau stimmten mehr als die Hälfte der Stimmbürger für die prowestliche PAS. Die Beobachtermission der OSZE sprach von einer fairen Wahl, wenngleich sie Behinderungen der Arbeit der Wahlkommission vor dem Stimmtag bemängelte.
Auf die Wahlgewinner wartet ein Balanceakt
Sandu zeigte sich noch am Sonntagabend erfreut über den sich abzeichnenden Triumph. „Ich hoffe, dass heute die harte Epoche für die Republik Moldau zu Ende geht. Ich hoffe, dass die Gaunerherrschaft vorbei sein wird.“ Das Parlament und die künftige Regierung rief sie zum raschen Handeln auf: „Die Menschen müssen bald die Vorteile eines sauberen Parlaments und einer Regierung spüren, die sich wirklich um die Probleme der Bevölkerung kümmern.“
Für Sandus Mitstreiter ist das Ergebnis ein klarer Auftrag zur Durchführung ihrer Reformagenda. Die PAS will die Beziehungen der Ex-Sowjetrepublik zum Westen intensivieren. Insbesondere die verstärkte Kooperation mit der EU und das Beleben des Assoziierungsabkommens sind ein wichtiger Eckpfeiler. Innenpolitisch geht es vor allem um den Kampf gegen Vetternwirtschaft und Korruption im Staatsapparat, um den Aufbau funktionierender rechtsstaatlicher Strukturen und die Förderung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft.
Mit Spannung wird nun die Reaktion aus Moskau erwartet. Als Sandu im Vorjahr zur Präsidentin gekürt wurde, gratulierte Wladimir Putin zügig. Doch damals konnte man noch auf das politische Störfeuer eines Igor Dodon zählen. Dass die Moldau nun ganz in prowestlicher Hand liegt, dürfte dem Kreml kaum gefallen. Moskau wird die Entwicklungen im abtrünnigen Transnistrien, Chisinaus außenpolitische Ambitionen sowie Reizthemen wie den Umgang mit der russischen Sprache und das Verhältnis zu Rumänien genau beobachten.
Es ist im Interesse der Moldau, weiterhin pragmatische Beziehungen mit dem Kreml zu unterhalten. In der Vergangenheit strafte Moskau das Land mit Importverboten für landwirtschaftliche Produkte; auch die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen wurde als Druckmittel eingesetzt. Die prowestlichen Kräfte stehen nun vor zweierlei Herausforderungen: Sie müssen ihre geopolitischen Ankündigungen umsetzen; zugleich müssen sie vermeiden, dass der Kreml darin eine Provokation sehen könnte.
De Maart
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