Große Fragezeichen bei der „Grande nation“: Das blamable Achtelfinal-Aus des Weltmeisters bei der Fußball-EM ist längst nicht abgehakt und schlägt in Frankreich weiter hohe Wellen. Berichte über Streitigkeiten innerhalb der Mannschaft und Stress zwischen Familienangehörigen der Profis zeichnen das Bild einer zerstrittenen Star-Truppe. Ob Coach Didier Deschamps auf dieses Theater noch Lust hat, scheint inzwischen mehr als fraglich.
Dass die Entscheidung über einen Verbleib des Weltmeister-Trainers von 2018 erst einmal vertagt wurde, nährt die Spekulationen um Zinédine Zidane. Der Ex-Coach von Real Madrid wird als potenzieller Nachfolger seines einstigen Teamkollegen im Trikot der „Equipe Tricolore“ gehandelt, mit dem er als Spieler gemeinsam Welt- und Europameister (1998 und 2000) wurde.
„Ich habe mit Didier vereinbart, dass wir uns eine Woche Zeit lassen, um zu reflektieren. Dann werden wir uns treffen, um Bilanz zu ziehen“, sagte Verbandspräsident Noël Le Graet zum weiteren Vorgehen: „Ich werde dann sehen, in welcher Verfassung er ist. Wenn seine Motivation intakt ist, ist es meine auch. Wir werden auch sein Verhältnis zu den Spielern analysieren.“
Debatte über die Autorität
Genau in diesem Bereich gibt es viele Fragezeichen. Sein offensichtlicher Streit während der Partie gegen die Schweiz mit Bayern-Profi Kingsley Coman, der sich trotz muskulärer Probleme zunächst nicht auswechseln lassen wollte, hat in Frankreich eine Debatte über die Autorität des Trainers entfacht. Es wird vermehrt daran gezweifelt, dass der seit 2012 im Amt befindliche Deschamps seinen Vertrag bis zur WM im kommenden Jahr in Katar erfüllen will.
Auch die jüngsten Aussagen von Real-Präsident Florentino Perez, wonach Zidane die „Hoffnung hat, französischer Nationaltrainer zu werden“, beruhigen die Lage nicht unbedingt. Das gilt gleichermaßen für die Bilder von der Tribüne während des Schweiz-Spiels, die der TV-Sender TF1 den Franzosen vorgeführt hat.
Darin ist laut dem Sender zu sehen, wie sich die Mutter von Mittelfeldspieler Adrien Rabiot mit der Familie von Paul Pogba und den Eltern von Superstar Kylian Mbappé angelegt hat. RMC Sport schreibt von einer „hitzigen Auseinandersetzung“ und schweren Vorwürfen, die Véronique Rabiot erhoben haben soll.
Rau soll es auch auf dem Platz zugegangen sein. Mehrere Medien berichten von Auseinandersetzungen zwischen Rabiot, Pogba, Benjamin Pavard und Abwehrchef Raphael Varane. Dabei soll es vor allen um das nachlässige Defensivverhalten Pogbas gegangen sein.
Die Berichte reihen sich ein in eine Vielzahl von Meldungen, wonach es grundsätzlich an der Disziplin beim Weltmeister gehapert haben soll. Demnach hätten die Stars unter anderem bis tief in die Nacht an Konsolen gezockt oder Filme geschaut – was offenbar ein weltmeisterliches Problem ist. Schließlich hatte es ähnliche Berichte rund um den Titelverteidiger Deutschland bei der WM-Endrunde 2018 gegeben. (SID)
Zum Deutschland-Aus: Von „trostlos“ bis „ohnmächtig“
Lukas Podolski: „Das wirkte alles so trostlos. Wenn man die Gesichter der Spieler sieht – da rührt sich nichts. Da könnte, glaube ich, ein Feuer im Stadion ausbrechen, die würden weiter auf dem Rasen bleiben.“
Lothar Matthäus: „Man hat wieder Fehler gemacht. Sturheit! 2018 hat man an den Spielern festgehalten, die 2014 die Weltmeisterschaft gewonnen haben. Wir haben unter Jogi Löw nicht nur erfolgreichen, sondern auch traumhaften Fußball gespielt, aber in den letzten drei Jahren ist sehr viel falsch gemacht worden. Auch jetzt wieder ist eine gewisse Sturheit da gewesen: Keine Systemänderung und Spieler auf Positionen spielen gelassen, die sich dort nicht wohlfühlen.“
Michael Ballack: „Das war ernüchternd. Teilweise waren wir ohnmächtig. Uns haben die Lösungen gefehlt. Wir haben uns unnötig zurückgezogen und den Engländern das Spiel überlassen. So kannst du natürlich nicht weiterkommen.“
Fredi Bobic: „Absolut verdient ausgeschieden! Wir waren nicht so schlau in der Gruppenphase. Auch jetzt: nichts nach vorne, kein Mut. Wir sind einer von vielen. Nach zwei Turnieren, die nicht gut gelaufen sind, muss man sagen: Wir sind nur in der zweiten Reihe!“
Stefan Effenberg: „Es ist gut, dass jetzt eine neue Ära mit Hansi Flick beginnt. Wahrscheinlich muss man sich jetzt von dem einen oder anderen trennen. Es schreit nach Veränderung.“
Das EM-Programm
Viertelfinale:
Am Freitag, 2.7.:
18.00: Schweiz – Spanien
21.00: Belgien – Italien
Am Samstag, 3.7.:
18.00: Tschechien – Dänemark
21.00: Ukraine – England
Holtz jetzt auf Platz zwei
Durch das Ende der Ära Joachim Löw (der Deutschland seit 2006 trainierte) ist Luc Holtz jetzt auf Platz zwei der dienstältesten Fußball-Nationaltrainer der Welt vorgerückt. Nur der Spanier Koldo Alvarez, der Andorra seit Februar 2010 betreut, ist länger im Amt als der Luxemburger. Der FLF-Trainer ist seit August des gleichen Jahres Chef bei den „Roten Löwen“.
De Maart
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