Wenige Tage vor einem entscheidenden Treffen von Finanzministern aus aller Welt stehen die geplante Steuer auf digitale Dienstleistungen sowie die Mindestbesteuerung für global agierende Großkonzerne von 15 Prozent auf der Kippe. Luxemburg kann sich anders als bei früheren internationalen Finanzstreitigkeiten, wie dem Tauziehen um das Bankgeheimnis, dieses Mal sogar vornehm zurücklehnen – nun kämpfen andere an vorderster Front.
Lautstark maulen britische Steueroasen wie die Bermuda-Inseln gegen die Vorschläge der G7-Finanzminister. Und selbst unter den Vertretern der führenden westlichen Industrienationen gibt es Uneinigkeit, was beim bevorstehenden Treffen der G20-Finanzminister in Venedig kaum zu einer Einigung beitragen dürfte. Dabei wurde im April sogar noch über einen Steuersatz von 21 Prozent diskutiert – da sind die nun auf dem Tisch liegenden 15 Prozent bereits eine sehr deutliche Anpassung nach unten.
Ohne klares Signal der G20 wird es schwierig
„Historisch“ sei der gemeinsam verabschiedete Plan, begeisterte sich der britische Finanzminister Rishi Sunak vor drei Wochen trotzdem im Kreis seiner G7-Kollegen. Der Steuerabgleich sei nötig, um die Welt nach der Corona-Pandemie „fairer“ zu machen, meinte US-Finanzministerin Janet Yellen. Ihr deutscher Kollege, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, sprach von einer „Trendwende“. Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna hatte da in einem Bloomberg-Interview verkündet, Luxemburg sei „sehr froh, dass diese Diskussion stattfindet“. Und die Stimmen der kleineren Staaten werden in der Diskussion noch Gewicht haben. Denn von Anfang an war klar: Für eine weltweite Lösung bedarf es der Zustimmung von weit mehr als den Vertretern jener Industriestaaten auf beiden Seiten des Atlantiks sowie Japan, die sich seit 1975 jährlich treffen.
Während die G7-Gruppe führender westlicher Industrienationen „heute weniger als 40 Prozent des Welthandels ausmacht“, wie Renata Dwan vom Londoner Thinktank Chatham House berichtet, spiegelt die Mitgliedschaft der G20 die Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft deutlich besser wider. Neben China und Russland sind dort auch wichtige und bevölkerungsreiche Industrienationen sowie Schwellenländer wie Saudi-Arabien und Indonesien, Mexiko und die Türkei vertreten. Gemeinsam repräsentieren die 19 Nationalstaaten sowie die EU als Nummer 20 an die 80 Prozent des globalen Handels, zwei Drittel der Weltbevölkerung und etwa die Hälfte der Landmasse.
An diesem Dienstag mag es unter den G20-Außenministern bei ihrem Treffen im süditalienischen Matera Konsultations- und Koordinierungsversuche gegeben haben. Entscheidend für das Schicksal der globalen Steuer dürfte aber das Treffen der Finanzressortchefs in Venedig in knapp zwei Wochen werden. Von dort muss, wenn der G7-Vorschlag einigermaßen ungerupft davonkommen soll, ein klares Signal ausgehen an die seit Jahren unter der Ägide der Pariser OECD laufenden Gespräche von 140 Staaten.
Erst in diesem Forum sind auch jene Staaten vertreten, die dem G7-Vorstoß die größte Skepsis entgegenbringen. Dazu gehören in Europa Irland, Ungarn und die Niederlande, Luxemburg eher nicht. Die Schweiz gilt ebenfalls als Kritiker. Längst basteln Schweizer Kantone ungeniert an Lösungen, um ihre bisherige Politik weiterführen zu können.
Luxemburg muss nicht an die vorderste Front
Ausgerechnet der Vorsitzende der Eurogruppe, Paschal Donohoe, amtiert als Finanzminister Irlands, dessen Steuerpolitik vielen größeren Nationen ein Dorn im Auge ist. Denn Dublin lockt seit Jahrzehnten global agierende US-Firmen mit der Aussicht auf einen Steuersatz von 12,5 Prozent an; selbst dieser wird häufig massiv unterschritten.

Die Grüne Insel muss Mindereinnahmen von jährlich gut zwei Milliarden Euro befürchten, lag die Körperschaftssteuer dort 2019 doch bei 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Was Luxemburg betrifft, sind die Folgen unklar. Manche Studien sehen das Land als einen der großen Verlierer einer Reform. Doch mit 24,94 Prozent zählt Luxemburgs ausgeschriebener Steuersatz nicht zu den günstigen in Europa.
Gramegna gab der internationalen Gemeinschaft schnell zu verstehen, dass sich das Großherzogtum einer internationalen Steuer-Initiative nicht verschließen werde. „Die Vorschläge der USA gehen in die richtige Richtung und sind im besten Interesse sowohl Europas als auch der Vereinigten Staaten“, sagte Gramegna Anfang April gegenüber Bloomberg „Wir brauchen mehr Solidarität, wir müssen den Werkzeugkasten vieler multinationaler Unternehmen zerbrechen, die versuchen, ihre Steuern nahe null zu senken. (…) Wir müssen einen Unterbietungswettlauf vermeiden“, so der Finanzminister.
Als vor zehn Jahren die Folgekosten von Finanz- und Schuldenkrise gedeckt werden mussten, war die Luxemburger Reaktion noch eine ganz andere: Luxemburg, wie auch die Schweiz, wehrten sich damals mit Händen und Füßen, als auf der Suche nach neuen Einnahmequellen das Bankgeheimnis ins Visier der großen Länder geraten war. Nun stimmt Finanzminister Gramegna der Stoßrichtung prinzipiell zu – pocht jedoch, sobald es ums Detail geht, auf sein Mitsprachrecht. Denn verlieren kann Luxemburg vor allem in anderen Bereichen: Etwa, wenn es um Zweckgesellschaften (Soparfis) geht oder darum, dass die Besteuerung dort anfällt, wo der Umsatz erwirtschaftet wird. Den Kampf an der Front kann Luxemburg so vorerst anderen Ländern überlassen, für die der Steuersatz allein wichtiger ist.
Bermuda hat das Recht, für sich selbst das beste Steuersystem zu finden
Abschätziger im Ton geht es auf der Kanalinsel Jersey zu. Regierungschef John le Fondré teilte mit, das Vorhaben der G7 werde „bemerkenswert geringe Auswirkungen“ auf seine Steueroase haben. Bermuda habe „das Recht, für sich selbst das beste Steuersystem zu finden. Hier geht es um Souveränität!“, findet der Finanzminister der Atlantikinsel, Curtis Dickinson. Gemeinsam haben die Territorien, dass sie in die Zuständigkeit des Vereinigten Königreichs fallen. Und London wacht eifersüchtig über seinen Status als größtes internationales Finanzzentrum der Welt.
Kaum hatten die Briten den G7-Vorsitz an Deutschland weitergereicht, begann Finanzminister Sunak mit der Lobbyarbeit für seine Finanzindustrie, die rund zehn Prozent des britischen Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Der Sektor soll nach den Vorstellungen Londons aus den Vereinbarungen ausgeschlossen bleiben, die vor allem auf digitale Dienstleistungen abzielen. Was auf dem Spiel steht, fasst Heather Self von der Buchhalterfirma Blick Rothenberg so zusammen: „Bei Einschluss des Finanzsektors würde das Königreich wahrscheinlich ein Nettoverlierer sein.“
Londons Geschachere bringt USA in Bedrängnis
Freilich bringt Sunaks Geschachere die mächtige US-Kollegin Yellen in Bedrängnis. Sollten die Ausnahmen am Ende große Volkswirtschaften begünstigen, nicht aber die USA, dürfte der Deal kaum Gnade vor den Augen der mächtigen Lobbyisten im US-Kongress finden.
Den G7-Berechnungen zufolge spülen die neuen Vorschriften sowohl den USA wie Deutschland, Frankreich und Italien mehr Geld in die Kassen. Mit Verlusten müssten vor allem jene Niedrigsteuerstaaten, darunter EU-Mitglieder wie Irland, Luxemburg und die Niederlande, rechnen, die von den Buchhaltungstricks global agierender Konzerne wie Google und Amazon profitieren. Der Klassiker unter diesen Tricks dürfte sein, dass Verluste in einem Land mit den Gewinnen in einem anderen Land verrechnet werden – bis nichts mehr da ist, was man noch versteuern müsste.
Die neue Mindeststeuer soll nur für jene Großkonzerne gelten, deren Gewinnmarge mindestens zehn Prozent des Umsatzes beträgt. Ein Fünftel der zusätzlichen Gewinne würde zukünftig in jenen Staaten besteuert, wo die Firmen ihre lukrativen Umsätze machen. Europäischem Wunschdenken nach zielt diese Maßnahme auf die enorm profitträchtigen Internet-Giganten wie Google oder Facebook ab – doch dabei wird es wohl nicht bleiben.
De Maart
Die von den G7 geplanten Steuern finde ich absolut in Ordnung und notwendig. Dass sich Luxemburg bei einem Scheitern zurücklehnen kann ist kleinkariert und kurzsichtig.