Sonntag9. November 2025

Demaart De Maart

Mehr TransparenzEU-Rat und Parlament einigen sich in wichtiger Steuerfrage

Mehr Transparenz / EU-Rat und Parlament einigen sich in wichtiger Steuerfrage
Der Grünen-EU-Parlamentarier und Finanzexperte Sven Giegold zeigt sich zufrieden mit der Einigung  Foto: Pool AFP/dpa/François Walschaerts

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Große Konzerne wie Amazon, Google oder Siemens sollen die Hosen herunterlassen und Gewinne und Steuerzahlungen in der Europäischen Union offenlegen. Darauf haben sich die 27 EU-Staaten und das Europaparlament nach fünfjährigen zähen Verhandlungen geeinigt. Die neuen Regeln sollen für mehr Transparenz und Steuergerechtigkeit sorgen.

Das sogenannte „Country-by-Country-Reporting“ ist für multinationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz geplant. Die Multis sollen ihre Nettoumsätze, den Gewinn oder Verlust vor Steuern und die tatsächlich gezahlten Ertragssteuern publizieren. Auch die Zahl der Mitarbeiter und die Tochterfirmen sollen aufgedeckt werden.

Bisher verstecken viele Multis ihre Geschäfte vor den europäischen Steuerbehörden. Die Gewinne werden in Tochterfirmen verschoben, die in Steueroasen angesiedelt sind, wo niedrige Sätze gelten. In den EU-Staaten hingegen melden die Firmen Verluste. Auch EU-Länder wie Luxemburg, Malta oder die Niederlande sind an der „Steueroptimierung“ – also Vermeidung – beteiligt.

Auf diese Weise gingen den EU-Staaten jährlich mehr als 50 Milliarden Euro verloren, erklärte der portugiesische Wirtschaftsminister Pedro Siza Vieira, der derzeit den halbjährlich wechselnden EU-Ratsvorsitz führt. „Es ist unsere Pflicht sicherzustellen, dass alle Akteure ihren fairen Anteil zur wirtschaftlichen Erholung beitragen“, betonte er.

Es ist unsere Pflicht sicherzustellen, dass alle Akteure ihren fairen Anteil zur wirtschaftlichen Erholung beitragen

Pedro Siza Vieira, portugiesischer Wirtschaftsminister

Um die Einigung zu erreichen, griff der portugiesische Vorsitz zu einem Trick. Wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, wird die neue Richtlinie nicht als Steuergesetz präsentiert, sondern als Harmonisierung des Gesellschaftsrechts für den europäischen Binnenmarkt. Somit reicht eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten für einen Beschluss, ein Veto kann die Novelle nicht stoppen.

Mindeststeuer für Konzerne einführen

Bisher scheiterten faire und transparente Steuergesetze in der EU regelmäßig daran, dass dafür die Regel der Einstimmigkeit gilt. Denn Steuerpolitik ist immer noch eine nationale Domäne. Dies machten sich kleine EU-Staaten zunutze, um große Konzerne mit niedrigen Steuersätzen anzulocken. Damit soll nun Schluss sein.

Der grüne Europaabgeordnete und Finanzexperte Sven Giegold sprach von einem „Meilenstein für Steuergerechtigkeit“. Länderbezogene Steuertransparenz sei ein scharfes Schwert gegen Steuervermeidung. Wenn große Unternehmen ihre Gewinne und gezahlten Steuern pro Geschäftsland offenlegen müssen, werde Steuerdumping für alle sichtbar.

Kritik kommt auch von Transparency International. Der Kompromiss enthalte zu viele Schlupflöcher, kritisieren die unabhängigen Experten. Große Konzerne könnten weiter Steuerdumping und -vermeidung betreiben – wenn nicht in der EU, dann eben in Steueroasen außerhalb Europas. Ähnlich äußerte sich Oxfam. „Die EU-Gesetzgeber haben Steueroasen und Konzernen viel zu lange einen Freibrief gegeben“, kritisiert die NGO. Die meisten Steuerparadiese stünden immer noch nicht auf der „Schwarzen Liste“, die die EU ausgearbeitet hat. Die Europäer seien keine Vorreiter, sondern Nachzügler, wenn es um Transparenz und Steuergerechtigkeit geht.

Allerdings gibt es auch außerhalb Europas internationale Bemühungen um mehr Fairness. So werben die USA im Industrieländerclub OECD für eine globale Mindeststeuer für Konzerne. Der Steuersatz soll bei 15 Prozent liegen, zunächst waren sogar 25 bzw. 21 Prozent im Gespräch. Die meisten EU-Länder unterstützen diesen Vorstoß. Doch Irland stellt sich quer – es will an seinem Billigtarif von 12,5 Prozent festhalten, von dem auch Amazon und Google profitieren. Die EU wird also noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, bevor es bei den Unternehmenssteuern endlich gerechter zugeht.

Maastricht-Regeln werden bis Ende 2022 ausgesetzt

Die größten Sünder sitzen in den eigenen europäischen Reihen. Um sie ausfindig zu machen und für mehr Druck zu sorgen, hat die EU-Kommission allerdings noch einen weiteren Trumpf im Ärmel. Bereits am Dienstag wurde eine Beobachtungsstelle für die Steuerpolitik eingerichtet, die von dem prominenten französischen Ökonomen Gabriel Zucman geleitet wird. Er gilt als Experte für Steuergerechtigkeit. Die neue, in Paris angesiedelte Stelle wird EU-Mittel in Höhe von 1,2 Millionen Euro erhalten. „Es ist überaus wichtig, dass wir die öffentlichen Einnahmen schützen, die für die Erholung und die enormen Investitionen in den ökologischen und digitalen Wandel gebraucht werden“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Zum Start legte Zucman eine Studie vor, die die Vorteile einer globalen Mindestbesteuerung für Großkonzerne aufzeigt. Bei einem Steuersatz von 15 Prozent könnten die EU-Staaten demnach mit Mehreinnahmen von jährlich bis zu 50 Milliarden Euro rechnen. Bei einem Satz von 25 Prozent wären es sogar 170 Milliarden Euro.

Die meisten EU-Länder könnten das Geld gut gebrauchen. Denn die Corona-Pandemie und die Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft haben riesige Löcher in die Budgets gerissen. Die Lage ist so ernst, dass die EU-Kommission am Mittwoch ankündigte, die strikten europäischen Defizit- und Schuldenregeln um ein weiteres Jahr auszusetzen – bis Ende 2022.

Camille Robert
3. Juni 2021 - 10.23

Wo der Mann recht hat, hat er Recht.
Aber ich kenn den nur als Dauermeckerer, und, als grosser Freund Luxemburgs!!!
Hat mit seinem Dauerlamentieren bisher NULL erreicht.
Wird nicht ernst genommmen. Ausser von sich selbst.
Aber jede Zivilisation sollte ihrern Trauerkloss haben dürfen.
CR