Der nach der erzwungenen Landung eines Passagierflugzeugs in Minsk und der Verhaftung eines darin aus Athen nach Vilnius reisenden Regimekritikers international isolierte Lukaschenko war am Freitagnachmittag planmäßig zu dem lange zuvor arrangierten Treffen gereist. Das Arbeitstreffen zog sich allerdings merklich in die Länge und wurde am Samstag außerplanmäßig durch informelle Gespräche ergänzt.
Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sollen die 500 Millionen Dollar in „allernächster Zukunft“ freigegeben werden. Es handelt sich dabei um die zweite Tranche eines russischen 1,5-Milliarden-Dollar-Kredits für Weißrussland. Laut dem Kreml ging es bei dem zweitägigen Treffen in Sotschi jedoch vor allem um Fragen des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Weißrussland ist wirtschaftlich stark angeschlagen und seit Jahren hochgradig von Russland abhängig. Putin hatte schon zum Auftakt des Treffens angekündigt, Lukaschenko in der Konfrontation mit dem Westen unterstützen zu wollen. Der Kreml hatte sich auch demonstrativ hinter Lukaschenko bei der umstrittenen Zwangslandung der Ryanair-Maschine in Minsk gestellt.
Lukaschenko wollte bei dem Treffen laut der amtlichen weißrussischen Presseagentur „Belta“ Putin vor allem auch über die Hintergründe der wegen einer angeblichen Bombe erzwungenen Ryanair-Landung aufklären. Dazu hatte er eine schwarze Aktenmappe voller Dokumente nach Sotschi gebracht, die von den regimetreuen Medien immer wieder gezeigt wurde. Die westlichen Sanktionen bezeichnete Lukaschenko als „Ausbruch von Emotionen“.
Bei dem Treffen in Sotschi handelte es sich um das bisher dritte Arbeitsgespräch mit Putin alleine in diesem Jahr. Dabei geht es immer auch um den 1999 vertraglich beschlossenen gemeinsamen Föderationsstaat mit Russland. Russland hat vor den mutmaßlich gefälschten Präsidentenwahlen vom 9. August 2020 immer vehementer auf eine Umsetzung dieses Vertrags gedrängt. Lukaschenko hingegen wehrt sich seit Jahren dagegen. Nach der mit russischer Unterstützung niedergeschlagenen Protestwelle und nun auch noch dem Ryanair-Debakel ist der Autokrat indes Moskau immer mehr ausgeliefert.
Putin allerdings drängte in Sotschi laut „Belta“ nicht auf ein forscheres Tempo bei der Vertragsumsetzung. „Wir setzen die Vereinbarungen um, wir eilen nicht, sondern gehen einfach vorwärts“, soll Putin am Freitagabend versichert haben. Ende März waren drei von rund 30 Verhandlungskapiteln noch offen – Steuerpolitik, gemeinsame Währung und Verteidigung.
In U-Haft beide Arme gebrochen
In Weißrussland kam es derweil am Wochenende zu weiteren Entführungen unabhängiger Medienvertreter wie des am Pfingstsonntag festgenommenen Roman Protassewitsch. In der aufmüpfigen westweißrussischen Stadt Grodno wurde am Sonntagmittag Aleksej Schota, der Chefredakteur der lokalen Internetzeitung Hrodna.Life, entführt. Zivilbeamte sollen ihn laut Augenzeugen vor seiner Wohnung in einen weißen Minibus gezerrt haben. Am Nachmittag bestätige die Polizei die Festnahme Schotas wegen „Extremismus“. Bereits Ende Januar warfen ihm die Behörden sein Mitwirken in einem in Polen produzierten TV-Programm für die polnische Minderheit Weißrusslands vor. Zuvor hatten die Sicherheitskräfte dem Fotografen von Hrodna.Life, Ruslan Kulewitsch, in U-Haft beide Arme gebrochen.
Aleksey Schota hat früher aus Grodno auch für die vor zwei Wochen vom Regime gesperrte Nachrichtenseite tut.by berichtet. 15 Journalisten von tut.by sitzen nach Durchsuchungen der Redaktionsräume immer noch in Untersuchungshaft. Ebenfalls am Sonntag wurde in Minsk der junge russische Internetgrafiker Jegor Dudnkow festgenommen. Er soll Zeichentrickfilme für die Opposition animiert haben.
Der Schwester von Roman Protassewitsch ist es inzwischen laut Angaben seiner Eltern gelungen, seinen Haftort ausfindig zu machen und ihrem Bruder Hygieneartikel und warme Kleider zu übergeben. Protassewitsch sitzt demnach im gefürchteten Minsker KGB-Gefängnis. Ebendort wird auch seine Freundin Sofia Sapiega festgehalten. Laut Kreml-Sprecher Peskow ist deren Fall für den Kreml „nicht egal“. Allerdings sei auch zu bedenken, dass sie eine Aufenthaltsbewilligung in Weißrussland gehabt habe. Vor dem Treffen Lukaschenko-Putin war über eine mögliche Freilassung Sapiegas spekuliert worden.

De Maart
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