Sonntag9. November 2025

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ItalienRechte wollen durch Präsidenten-Rochade wieder an die Macht gelangen

Italien / Rechte wollen durch Präsidenten-Rochade wieder an die Macht gelangen
Italiens Präsident Sergio Mattarella (l.) und Regierungschef Mario Draghi (r.) während einer Feier zum Tag der Befreiung Italiens  Foto: AFP/Quirinale Press Office/Francesco Ammendola

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Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella kündigte an, für eine weitere Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen. Das Mandat des Präsidenten läuft im kommenden Februar ab. Rechte Politiker wie Matteo Salvini oder Giorgia Meloni können sich den derzeitigen Regierungschef Mario Draghi auf dem Quirinal vorstellen. Sollte der frühere EZB-Chef annehmen, könnten Neuwahlen anstehen, die die rechten Parteien an die Regierungsmacht führten.

Die Ankündigung kam überraschend. Vor Schülern einer römischen Schule erklärte der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella, dass er „in acht Monaten Zeit haben werde, sich zu erholen“. Dann nämlich – im Februar 2022 – läuft die gegenwärtige Amtszeit des Präsidenten aus und die aktuellen Zeichen deuten darauf hin, dass Mattarella eine zweite Kandidatur ausschlägt. Er habe nicht vollständig gewusst, welch schwierige Aufgaben auf ihn zukämen, hatte Mattarella den Schülern erklärt. Zum Glück gäbe es die Verfassung und er müsse nicht alles allein entscheiden, zudem hätte er ein verantwortungsvolles Team, so der Präsident.

Bei den politischen Parteien wurde die Nachricht unterschiedlich bewertet. Die aus der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und dem sozialdemokratischen Partito Democratico (Pd) bestehende Parlamentsmehrheit hatte darauf gesetzt, dass die nächsten Wahlen erst mit Ende der Legislaturperiode im Herbst 2023 abgehalten werden. Dies hätte die Chancen für Sergio Mattarella – oder einen anderen, der Mitte-links-Bewegung nahestehenden Kandidaten –  erhöht, wieder in den Quirinalpalast einzuziehen.

Die rechten Kräfte, die sich gegenwärtig vor allem um Lega-Chef Matteo Salvini und die Vorsitzende der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI), Giorgia Meloni, versammeln, setzen indes in einen möglichen Rücktritt des Präsidenten große Hoffnungen.

Rechte setzen auf Draghi

Seit langem verfolgt Salvini den Plan, den Chefsessel im Palazzo Chigi und somit die Funktion des Regierungschefs einzunehmen. Bislang sind alle seine Versuche gescheitert. In den vergangenen Wochen unternahm Salvini mehrere Anläufe, die Wirtschaftspläne der Regierung Draghi zu unterminieren. Die gegenwärtige Regierung, so der Lega-Chef, sei nicht in der Lage, die notwendigen Reformen durchzuführen, die Migrationspolitik – ein Lieblingsthema der Rechten – sei ohnehin verfehlt.

Draghi reagierte mit einem Brüssel-konformen Wirtschaftspaket, das bis ins Jahr 2023, dem Ende der Legislatur, hineinreicht. Und zu weiteren Salvini-Forderungen konstatierte der frühere EZB-Chef lakonisch: „Jeder hat seine Lieblingsthemen, jetzt gilt es die mit gesundem Verstand umzusetzen.“

Mit Mattarellas Rücktrittsgedanken könnte jedoch eine neue Situation geschaffen werden: Sowohl Salvini als auch FdI-Chefin Meloni wünschten sich den gegenwärtige Premier auf den Präsidentensessel. Dann könnten noch im Februar Neuwahlen ausgeschrieben werden, von denen sich die Rechten einen siegreichen Ausgang versprechen.

Rechts liegt in Umfragen vorn

Infolge des wirtschaftlichen und sozialen Drucks, der mit der nun seit mehr als einem Jahr andauernden Covid-Pandemie einhergeht, haben die populistischen Versprechungen der beiden Rechtsparteien ein positives Echo im Wahlvolk gefunden. So könnte die Lega nach derzeitigen Umfragewerten bei Wahlen mit 21,8 Prozent der Wählerstimmen stärkste Partei im Parlament werden. Zwar befindet sich auch der Pd mit 19,4 Prozent im Aufwind, doch nur dicht gefolgt von den postfaschistischen FdI mit 18,5 Prozent der Stimmanteile – Tendenz seit Monaten steigend. Georgia Meloni überholte sogar den Lega-Chef in der Wählersympathie und erklärte bereits ihre Bereitschaft, eine Regierung in Rom anzuführen. Sollte es in der Tat so weit kommen, wäre es die erste quasi-faschistische Regierung seit dem Sturz Mussolinis.

Allerdings muss man festhalten, dass die Sympathiewerte von Meloni und Salvini bei 28 und 27 Prozent und damit eher abgeschlagen in der gegenwärtigen Rangfolge liegen. Die wird vom Staatspräsidenten Mattarella mit 62 Prozent angeführt, gefolgt von Mario Draghi (59 Prozent) und seinem Amtsvorgänger und aktuellen M5S-Chef Giuseppe Conte (58 Prozent). Deutlich noch vor den rechten Politikern liegt der linke Gesundheitsminister Roberto Speranza (45 Prozent) und Pd-Chef Enrico Letta, der mit 34 Prozent der Wählersympathie einen Punkt vor dem früheren Premier und heutigen EU-Kommissar Paolo Gentiloni liegt.

Doch auch wenn Meloni und Salvini – Italien schweigt derzeit über den erkrankten Silvio Berlusconi – bei den persönlichen Wertungen nicht auf den vorderen Plätzen liegen, so käme eine Mitte-rechts-Koalition derzeit doch auf 48,3 Prozent der Wählerstimmen und erhielte wegen des geltenden Wahlrechts einen Parlamentsbonus, der eine deutliche Mehrheit im Abgeordnetenhaus sichert. Dass Brüssel von solchen Aussichten wenig begeistert ist, liegt auf der Hand.

Draghi schweigt bislang

Vonseiten des Ministerpräsidenten gab es zu den präsidialen Aussichten bislang jedoch keine Meinungsäußerungen. Mario Draghi fährt in seinem Alltagsgeschäft fort, als gelte es, die Legislatur auf jeden Fall bis 2023 fortzuführen.

Neben seiner Personalie wird auch die der gegenwärtigen Justizministerin und vormaligen ersten weiblichen Vorsitzenden des Verfassungsgerichts, Marta Cartabia, als Kandidatin für das Präsidialamt genannt. Sollte man sich für die parteilose Juristin entscheiden, zöge mit Cartabia zum ersten Mal in der Geschichte Italiens eine Frau in den Quirinalpalast ein.