Es scheint – nach erster Lektüre – in der Tat nicht nur ein aufschlussreicher Rückblick auf geplante und verwirklichte Realisationen in mannigfaltigen Bereichen zu sein, nein, dieses Buch zeichnet auch die Entwicklung der Baukunst, die Kunstfertigkeit des Namensgebers und die Geschichte des Architekten*Innen-Lebens der beteiligten Partner auf. Es setzt sich kritisch-kreativ mit der Baukultur auseinander.
François Valentiny ist nicht bei seinem ersten Buch mit architektonischen Plänen und Darstellung von fertigen Werken und/oder Abhandlung über seine Bilder und Skulpturen. In diesem Sammelband wird jedoch die Gesamtleistung des Teams aus Remerschen aus den letzten Jahrzehnten dargelegt. Sind einige Bauprojekte des Architekten hinreichend bekannt, so greift diese Retrospektive auch Unveröffentlichtes auf, Material, das selbst im als Museum fungierenden Prachtbau der vor einigen Jahren gegründeten Stiftung nicht gezeigt wird.
Diese Reise ins Reich der Valentiny-Architektur gerät auch zu einer echten Entdeckungsreise, werden doch ganz aktuelle Projekte auf diese Weise der Öffentlichkeit vorgeführt. Durch dieses „Buch der fünf Bücher“ führen neben prachtvollem Bildmaterial auch mehrere Texte, ob Interviews, Porträts von Partnern, Manuskripte von Konferenzen oder Positionen von Experten, aber auch ein fließender Beitrag von Ian De Toffoli, Autor und Verleger, das Ergebnis mehrstündiger Gespräche mit François Valentiny, sozusagen eine Initiation des Laien in die Kunst der Architektur und das Innenleben des Architekten.
Fünf Themenschwerpunkte in fünf Bänden
Die Publikation ist in fünf Themenschwerpunkte – Kultur, Lernen & Arbeiten, Wohnen, Freizeit und Monografie – gegliedert. Im letzten Kapitel „From Past to Present“ geht es vordergründig um die „Valentiny Foundation“, dem Bürogebäude und dem ansonsten abgeschirmten Familienbereich, das Herzstück des Architekten, das Nachdenken, Konzipieren, Planen und Umsetzen des „Architekturschaffens“ erst möglich macht.
Band 1, der Kultur gewidmet, präsentiert eingangs eine Weltkarte mit den entsprechenden Wirkungsstätten der Valentiny Hvp Architects, transparent aufgeschlüsselt in verwirklichte und nicht umgesetzte Projekte sowie Vorhaben, die mit „work in progress“ bezeichnet werden. Die Hauptzielländer sind Luxemburg, Deutschland und Österreich, derweil Brasilien und China jeweils mit einem Vorhaben vermerkt sind.
In zahlreichen anderen Regionen dieser Welt hat es auch Projekte, aber scheinbar keine Kultur-Realisationen gegeben. Vorgestellt wird die Partnerin Daniela Flor. Ihre Philosophie resümiert sie in drei Begriffen: elementar, experimentell und emotional. Sie setzt diesen Konzepten „angemessen, nachhaltig und bedeutend gegenüber“. Folgt eine Übersicht mit acht Kulturprojekten, u.a. die Umwandlung des „Tutesall“, eine Liste mit 14 Projekten aus den Bereichen Theater, Konzert- und Opernhäuser, darunter das Haus der Musik in Salzburg. Hinzu kommen fünf „szenische Entwürfe“ sowie Planungen für Messen, etwa der Luxemburger Pavillon bei der Weltausstellung in Schanghai.
Band 2, dem Lernen & Arbeiten vorbehalten, ergänzt oben angeführte Weltkarte, stellt die Partnerin Laurye Pexoto, deren drei Kernworte „Kunst, nützlich und bewegend“ sind, vor, und gibt eine Übersicht aller Gebäude, die mit Ausbildung, öffentlichen Verwaltungen, Arbeits- und Bürogebäuden sowie Urbanismus und Landschaftsgestaltung zu tun haben, wobei die beiden letzten Kapitel als „Essays“ oder Gedankenspiele zu den jeweiligen Themen umschrieben werden. Dieser reich illustrierte Band umfasst mehr als 400 Seiten.

Band 3 konzentriert sich auf das Wohnen, geht auf einer Karte in allen Einzelheiten vorwiegend auf Wohnungsbau in Luxemburg ein, gibt dem Partner Axel Theodor Christmann, Weggefährte von François Valentiny, das Wort. Er geht auf seine Arbeit mit den Worten „planen, bauen und nutzen“ ein.
Die Liste der untersuchten Realisationen im Wohnungsbau ist lang. Sie umfasst sowohl Vorhaben im Großherzogtum als auch in Deutschland oder Österreich. Bei diesen Wohneinheiten kommt einmal mehr die Vorliebe des Architekten für bestimmte Materialien und Formen zum Ausdruck. Dem Leben in der Gemeinde Schengen ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Es ist bekannt, hier wurden mehrere Gebäude unterschiedlicher Nutzung von Valentiny entworfen. Der Besucher der Ortschaft erkennt den eigensinnigen Stil des Architekten auf Anhieb. Abgeschlossen wird dieser sehr umfangreiche Band mit einer kleinen Einsicht in Wohnungen, die speziell für Senioren geplant sind.
Band 4 setzt sich mit Vorhaben aus der Freizeitgestaltung auseinander, Projekten, die sich vorwiegend in Luxemburg ansiedeln. Im Fokus steht die Partnerin Jeanne Petesch. Die Luxemburgerin, die 2009 zum Büro gestoßen ist, spricht bei ihrer Arbeit gerne von Kunst, Form und Gefühl. 2013 wurde sie dann Partnerin. Mit fünf Hotel-Projekten wird dieser Band eingeleitet.
Es folgen neun abgeschlossene Projekte und zwei die sich noch im Aufbau befinden. Dies alles im Erholungssektor, etwa im „Haff Réimech“, zu dem auch das kürzlich international ausgezeichnete Biodiversum Camille Gira gehört. Andere „outdoor“-Vorhaben, u.a. die Zone in Andenken an das Schengener Abkommen, sowie vier Pläne für Sportanlagen ergänzen diese Reihe. Sieben Bauprojekte im Bereich der Gastronomie, vier in Verbindung mit Wein und Winzer sowie sechs sogenannte „landmarks“, etwa der „Turm der Träume und der Sehnsüchte“ für die Landesgartenschau 2004 in Trier, prägen am Ende dieses breit gestreute Feld. Interessant auch Überlegungen von Hubert Hermann und François Valentiny zum Medium „Zeichnung“, eine Ausdrucksweise, die bei der Architektur ja unabkömmlich ist.
Auf der Suche nach Form, Maßstab, Licht und Schatten …
In Band 5 „From Past to Present“ wird es ganz persönlich. François Valentiny, 1953 in Remerschen geboren, stellt sich mit privaten und beruflichen Eckdaten bis hin zu seinen Ehrungen und der Gründung der Valentiny Foundation vor. Diese Stiftung hat bekanntlich neben ihrer Funktion als Valentiny-Museum seit kurzem die Rolle eines Kulturzentrums mit Ausstellungen, Konferenzen und Konzerten übernommen und so das kulturelle Leben in der Moselgemeinde aufgefrischt. „Architekt, nicht Architektur“ betitelt François Valentiny seinen 2018 in Berlin gehaltenen Vortrag, den er mit einem Bekenntnis zur Architektur beendet, in dem er feststellt: „Doch faszinierend an der Architektur finde ich, dass über unsere Horizonte und die Epochen hinaus die Suche nach der Form, dem Maßstab, dem Material, dem Licht, dem Schatten, und oft auch der Illusion die Gleiche geblieben ist.“
Dem Leser wird gleichfalls Einblick in das „Anna House“, dem Atelier seiner Frau Edith, die selbst Künstlerin ist, gewährt, ferner werden der als Rückzugsoase konzipierte Garten sowie ein Atelier-Pavillon gezeigt. Außerdem gibt es Bilder von der legendären 1.-Mai-Feier der Familie, den Büros von Valentiny Hvp Architects sowie selbstredend von der Valentiny Foundation, in der Pläne, Entwürfe, Zeichnungen, Modelle, Skulpturen, Fotos und Bilder dem Publikum zugänglich sind.
Es ist ein lebendiges Buch-Kapitel mit farbenfrohen Illustrationen aus dem Familienalbum, ein Blick auch auf das rein „künstlerische“ Schaffen von François Valentiny, ein Interview mit seinem Luxemburger Kollegen Rob Krier, ein Gespräch mit Hubert Hermann sowie eine Bildreihe über den Bau besagter Foundation. Das Schlusskapitel mit der Monografie der Valentiny Hvp Architects mit Fotos aller Mitarbeiter und einer Liste aller Realisationen endet mit einem großen Foto des mit dem „Best Architecture Award“ der IAI (Asia Pacific Designers Federation) kürzlich ausgezeichneten und 2015 fertiggestellten Biodiversums, eines Informationszentrums für Natur- und Tierfreunde, das an einem der Baggerweiher in Remerschen gelegen ist.
Das von Studio Polenta gestaltete fünfbändige Buch ist übersichtlich, gepflegt designt und realisiert, mit zahlreichen Illustrationen gespickt und durch Beiträge in deutscher, französischer und englischer Sprache sowie dem von Ian De Toffoli geschriebenen Fließtext auf originelle, teils poetische Weise mit Anekdoten und Geschichten rund um einige Projekte bereichert. Treibende Kraft des Projektes ist Anna Valentiny, die mit ihrem im März 2020 gegründeten Verlag Point Nemo Publishing gemeinsam mit dem Verlagshaus Birkhäuser das Entstehen des Buches begleitet hat und in Luxemburg den Vertrieb besorgt.
Fazit: Das Werk „40 Years Valentiny Hvp Architects – Stories from the Inside“ ist nicht nur ein gescheites Buch mehr über Architektur, es ist in mehrfacher Hinsicht ein Lehrbuch nicht nur für kreative Architektur, sondern auch auf menschlicher Ebene, da Architektur, so wie sie in all den Jahren von Remerschen aus praktiziert wurde, stets das Wohl der Menschen im Visier hatte.
Info
40 Years Valentiny Hvp Architects
Stories from the Inside
Schuber mit fünf Büchern
2.150 Seiten
Format 488 x 290 mm
Verleger: Anna Valentiny
Zum Preis von 99,95 Euro im Buchhandel erhältlich
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können