Mit scharfen Angriffen gegen die CDU und einer selbstbewussten Rede ist SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz in den Bundestagswahlkampf eingestiegen. „Ich bin es leid, dass wir mit unserer Professionalität anderen das Handwerk erklären müssen“, sagte der Vizekanzler am Sonntag auf dem SPD-Parteitag unter Bezug auf die gemeinsame Regierung in der großen Koalition. Er wolle eine Regierung anführen, „die Ideen umsetzt, statt zu zaudern, zu zögern, zu verwässern und zu verhindern“.
Scholz warf den Unionsparteien vor, den Weg ins 21. Jahrhundert zu blockieren. „Sie sind verantwortlich für den Fortschritts-Stau.“ Deutschland könne bei der Digitalisierung, der Energiewende oder moderner Mobilität viel weiter sein. „Darum sage ich es jetzt in vollem Ernst: Eine weitere von CDU und CSU geführte Regierung wäre ein Risiko für Wohlstand und Arbeitsplätze – ein Standortrisiko für unser Land.“ Vergleichbare Angriffe auf die Grünen fehlten in der Rede. Allerdings betonte der 62-Jährige offenbar in Abgrenzung zur grünen Spitzenkandidatin Annalena Baerbock mehrfach seine Eignung für das Kanzleramt. „Ich kann das“, sagte Scholz und wies auf seine langjährige Regierungserfahrung als Minister und als Erster Bürgermeister Hamburgs hin. Scholz, der vom Vorstand schon im letzten Sommer nominiert worden war, wurde auf dem Parteitag formell als Kanzlerkandidat gewählt; er erhielt 96 Prozent Zustimmung.
99 Prozent für das „Zukunftsprogramm“
Der Parteitag fand wegen der Pandemie als Online-Veranstaltung statt; nur Scholz, die beiden Parteivorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie ein halbes Dutzend weiterer Vorstandsmitglieder befanden sich in der Berliner Veranstaltungshalle, aus der die Veranstaltung organisiert wurde. Das erhoffte Aufbruchssignal war daher stimmungsmäßig schwer zu erzeugen. Scholz las seine Rede vom Teleprompter ab. Die rund 600 Delegierten wurden zu ihren Reden zugeschaltet und stimmten am Ende des fünfstündigen Treffens über das vom Vorstand vorgelegte Wahlprogramm ab. Es trägt den Titel „Zukunftsprogramm“ und wurde mit 99 Prozent der Stimmen angenommen.
Darin benennt die SPD vier „Zukunftsmissionen“: den Klimaschutz, die Mobilität, die Digitalisierung und das Gesundheitssystem. Zum Klimaschutz wurde der Leitantrag kurzfristig umgeschrieben, nachdem sich die Bundesregierung letzte Woche auf neue, ehrgeizigere Klimaziele verständigt hatte. Jetzt soll schon 2045 Klimaneutralität erreicht werden. Auf Autobahnen soll ein Tempolimit von 130 km/h eingeführt werden.
Scholz betonte in seiner Rede, dass er auf der Seite der „ganz normalen Leute“ stehe. Er wolle eine „Gesellschaft des Respekts“, sagte der SPD-Spitzenkandidat. Zu den Forderungen der Partei gehört eine Einkommenssteuerreform zur Entlastung niedriger und mittlerer Einkommen. Der Solidaritätszuschlag für Spitzenverdiener soll erhalten bleiben. Wegen der Corona-Kosten will die SPD eine Vermögensabgabe von einem Prozent auf sehr hohe Vermögen einführen und auch die Erbschaftssteuer für große Erbschaften anheben. Bei Hartz IV soll künftig in den ersten zwei Jahren auf eine Vermögensprüfung verzichtet werden. In Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten soll es ein zeitlich befristetes Moratorium geben können, in dem die Mieten nur gemäß der Inflationsrate angehoben werden dürfen. Der Mindestlohn soll auf 12 Euro pro Stunde steigen.
De Maart
Am taktisch klügsten wäre es wohl, jetzt wo die CDU offensichtlich in der Krise steckt, aus dieser Koalition auszusteigen um so vorzeitige Neuwahlen herbeizuführen. Was hat die SPD denn zu verlieren? Durch konsequentes Handeln und Authentizität kann sie nur gewinnen.