Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner kündigte am Donnerstag an, mehr Geld für den Bundestagswahlkampf ausgeben zu wollen als vor vier Jahren. Insgesamt liege das Wahlkampfbudget nun bei über zehn Millionen Euro. 2017 waren es noch rund sechs Millionen. Die Partei hat viel vor – sie will endlich in die Regierungsverantwortung kommen, vielleicht sogar mit Annalena Baerbock oder Robert Habeck die Kanzlerin oder den Kanzler stellen.
Der Wahlkampf muss sitzen, er muss aus einem Guss sein. Das kostet Geld – und Nerven. Bei den Grünen weiß man: „Fehlverhalten wird bei uns anders bemessen“, so jüngst jemand aus der Parteiführung. Wenn also Klimaschützer Habeck bei einem Inlandsflug ertappt und das in den sozialen Netzwerken veröffentlicht wird, ist die Aufregung viel größer als bei anderen Politikern. Darauf muss man reagieren können. Auch rechnen die Strategen damit, dass sich alle im Wahlkampf auf die Grünen einschießen werden. „Wir werden angegriffen werden ohne Ende“, heißt es.
Geld allein schützt aber nicht. Schon gar nicht, wenn die eigenen Leute programmatisch gerne mal daneben langen. Der Ruf der Verbotspartei hat sich bei manchem verfestigt, und er wird vom politischen Gegner gerne gepflegt. Speziell von der Union. Ob das Image stimmt, sei dahingestellt. Beispiele grüner Skurrilität gibt es allerdings reichlich: Unvergessen ist der „Veggie Day“ aus dem Jahr der Bundestagswahl 2013. Ins Spiel brachte ihn seinerzeit Renate Künast, damals Fraktionsvorsitzende. Pro Woche wolle man einen fleischlosen Tag in Kantinen einführen und so den Fleischkonsum in Deutschland senken. Ein Sturm der Entrüstung brach los. Die Debatte über den „Veggie Day“ verhagelte den Grünen den Wahlkampf – man landete bei der Bundestagswahl schließlich nur bei etwas mehr als acht Prozent.
Die Mitte nicht verprellen
Das Eigenheimverbot, das unverhofft und wohl auch ungewollt der aktuelle Fraktionschef Anton Hofreiter belebt hat, und wofür ihm intern der Kopf gewaschen wurde, hat etwas vom Rückfall in alte Zeiten. Erinnerungen werden wach: Schon 1998 sprach sich die Partei dafür aus, den Preis für einen Liter Benzin auf fünf Mark zu erhöhen. Bis heute ist das Vorhaben bei vielen politischen Beobachtern die Mutter aller grüner Kapriolen. Im Kuriositätenkabinett der Partei finden sich zudem eine Singlesteuer, sexuelle Dienstleistungen für Pflegebedürftige oder das Untersagen des Ponyreitens. Vor allem die grüne Basis ist dafür bekannt, auf den Parteitagen Abseitiges und Absurdes beschließen lassen zu wollen, wie 2013 den Antrag: „Keine Pflanze ist illegal.“
Solche inhaltlichen Ausschläge haben andere Parteien freilich auch. Für den Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke, Redakteur bei den Blättern für deutsche und internationale Politik, zeigt sich bei den Grünen aber eine Besonderheit: „Sie leiden stets unter einer Kollision von programmatischem Anspruch und realpolitischer Wirklichkeit.“ Kurzum: Bei den Grünen gibt es offenbar mehr Weltverbesserer als bei anderen. Laut Lucke kommt im anstehenden Wahlkampf erschwerend hinzu, „dass die Grünen auf die Kanzlerschaft zielen beziehungsweise diese für sich reklamieren“. Dadurch laufe man mit jeder radikalen Forderung Gefahr, „die für einen Wahlsieg erforderliche Mitte zu verprellen“. Genau das will die Parteiführung in den nächsten Monaten möglichst verhindern.
De Maart
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