Die grassierende Covid-Pandemie habe Italien in eine schwere Krise gestürzt, aus der man nur mit einer gemeinsamen Anstrengung des ganzen Volkes herauskäme. Ein solches Vorgehen böte heute die Chance, durch ökologischen Umbau, neue Technologien und einer veränderten Arbeitswelt künftigen Generationen ein lebenswertes Italien zu hinterlassen.
Dieser Mittwoch war von einem langen Sitzungstag im Parlament geprägt. Am späten Vormittag unterbreitete der neue Ministerpräsident Mario Draghi sein Regierungsprogramm. 68 Senatoren hatten sich daraufhin zu Wort gemeldet, um ihre oder die Meinungen ihrer parlamentarischen Gruppe zu den Ausführungen des Premiers kundzutun. Der Premier erhielt am Abend nochmals Gelegenheit zur Replik, danach war die namentliche Vertrauensabstimmung anberaumt. Es stand von vornherein fest, dass das Kabinett sich das Vertrauen der Senatoren sichern würde: Mario Draghi hatte bei der Bildung der Regierung nahezu alle im Parlament vertretenen politischen Parteien und Gruppierungen eingebunden.
Sein Hauptaugenmerk legte der Regierungschef auf die Punkte Gesundheit, Arbeit und Umwelt. Nach seiner Rede erntete Draghi breite Zustimmung. Lediglich Giorgia Meloni, die Chefin der postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI), bekräftigte ihre Ablehnung: „Nachdem wir die Ausführungen des Premiers gehört haben, betonen wir unser ‚Nein‘ zum Vertrauen in diese Regierung.“
Gesundheit und Impfkampagne
Die aktuelle Pandemie, so Draghi in seiner Antrittsrede, habe Italien vor enorme wirtschaftliche und soziale Probleme gestellt. Nach ihm vorliegenden Zahlen seien seit Beginn vor einem Jahr 92.522 Menschen an oder mit Covid-19 verstorben, insgesamt waren 2.725.106 Menschen infiziert, von denen noch 2.074 intensivmedizinisch behandelt werden müssten.
Die Pandemie habe enorme soziale Folgen. Die „neue Armut“, so Draghi, sei von 37 auf 45 Prozent gestiegen. Betroffen seien vor allem Frauen und Jugendliche, der Süden des Landes sei stärker betroffen als der Norden. Der Premier prognostizierte, dass sich Italien erst Ende des Jahres 2022 auf den Vor-Pandemie-Stand erholen werde.
Höchste Priorität gelte jetzt einer Impfkampagne. Die Wissenschaft habe es vermocht, in nur zwölf Monaten einen Impfstoff zu finden, nun gelte es, diesen der Bevölkerung zukommen zu lassen. Die Testkapazitäten müssten erweitert werden. Der Staat werde alles in seiner Macht unternehmen, um ausreichende Mengen sowohl von Impfstoff als auch von Testmitteln bereitzustellen. Zudem würden sich Krankenhäuser, Pflegestationen, Zivilschutz, Armee und freiwillige Helfer zusammenschließen, um die Pandemie zu bekämpfen. „Das Virus ist unser aller Feind“, so Draghi.
Bildung und Arbeit
Eine wichtige Aufgabe sei es, wieder zur „normaleren“ Bildungsarbeit zurückzukehren, so der Premier. Noch sei es zu früh, den regulären Schulbetrieb wieder aufzunehmen. Schrittweise jedoch würden die Bildungseinrichtungen wieder geöffnet. Auch müsse über eine Anpassung des Schuljahresablaufs an die Bedingungen der Pandemie nachgedacht werden. Draghi erwog dabei, das Schuljahr über den gesamten Juni zu verlängern, um ausgefallene Zeiten zu kompensieren. Gegen diesen Punkt erhoben Epidemiologen Einspruch und warnten: Die Infektionsraten unter Kindern erhöhten sich, Virusmutationen und geöffnete Schulen könnten zu neuen Infektionszentren führen. Diesen Gesichtspunkt beachtend, sprach sich Draghi dafür aus, neue moderne Lehr- und Lernmethoden in den Schulen einzuführen und die Digitalisierung den aktuellen Anforderungen anzupassen.
Der Ausbruch der Pandemie im vergangenen Jahr hatte dramatische Folgen für den Arbeitsmarkt. Sieben Millionen Italiener seien in dieser Zeit in Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit geraten, die Integrationskasse hätte für diese Menschen – vor allem Frauen und Jugendliche – vier Milliarden Euro gezahlt. Die Regierung werde die Arbeitenden schützen. Draghi erklärte dennoch unumwunden, dass nicht alle Betriebe erhalten bleiben könnten und sich einige umorientieren müssten.
Eine gesunde Umwelt für die Nachkommen
Der Wiederaufbau Italiens nach der Pandemie verglich Draghi mit den Anstrengungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg unternommen werden mussten. Dazu gehöre ausnahmslos auch der Umweltschutz. Die anstehenden Aufgaben seien nur in der Zusammenarbeit aller, in nationaler Einheit zu lösen, betonte Draghi wiederholt. „Die Einheit ist nicht eine Wahlmöglichkeit, sondern ein dringendes Muss“, so der neue Regierungschef.
Zudem seien diese Aufgaben nur in enger internationaler Zusammenarbeit im Rahmen der EU und mit internationalen Partnern zu lösen. „Zur EU und zum Euro gibt es keine Alternative“, betonte der frühere EZB-Chef und reagierte damit auf eine Provokation des Lega-Chefs Matteo Salvini vom Vortag, der ein wiederholtes Mal den Verbleib Italiens in der EU und dem Euroraum infrage gestellt hatte.
Draghis programmatische Rede überzeugte die meisten Senatoren, wie sich in der anschließenden Diskussionen zeigte. Das Vertrauen des Senats ist dem neuen Regierungschef gewiss, das Abgeordnetenhaus, das am Donnerstag zusammentritt, wird sicher ähnlich entscheiden.
De Maart
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