Die bebende Erde gibt Kroatiens Notstandsgebiet keine Ruhe. Seit dem Erdbeben mit einer Stärke von 6,2 auf der Richterskala, das am Dienstag mindestens sieben Menschenleben und 27 Verletzte gefordert hatte, wurden in der Region um die verwüstete Kleinstadt Petrinja über 40 Erdstöße registriert. „In den Trümmern ist alles eingestürzt, was noch nicht eingestürzt war“, beschrieb Bürgermeister Darinko Dumbovic gestern die Folgen der Nachbeben in einer Stärke bis zu 4,8 auf der Richterskala.
Schlaflos und mit Decken um die Schultern hatten viele der obdachlos gewordenen Anwohner die Nacht bei strömenden Regen in ihren Autos oder auf der Straße an kleinen Feuern verbracht. Er könne „die Kühe nicht alleine lassen“, so ein Landwirt im Dorf Majske Poljane bei Glina, wo alleine fünf Menschen ums Leben kamen. Vor allem ältere Bewohner wollten ihre zerstörten Häuser weder verlassen noch sich in kollektive Auffangzentren unterbringen lassen, berichtete Ivo Zinic, der Vorsitzende der Gespannschaft Sisak-Moslavina.
Die Erdbebenopfer plagen derweil Existenz- und Zukunftssorgen. Sie habe 1969 schon das Erdbeben im bosnischen Banja Luka und später den Kroatienkrieg (1991-1995) überlebt, berichtete die verzweifelte Rentnerin Milka Pujic dem Webportal „24sata“ in Petrinja: „Im Krieg bin ich mit ein paar Taschen in der Hand geflüchtet. Wenn es sein muss, werden wir wieder flüchten. Aber nach allem, was wir durchgemacht haben, ist dies das Ende, das psychische Ende.“
„Niemand weiß, was aus Petrinja wird“
Tatsächlich hat das Erdbeben mit der Banija ausgerechnet Kroatiens noch stets vom Krieg gezeichnetes Armenhaus hart getroffen. Schon im Zweiten Weltkrieg war die nur 50 Kilometer von Zagreb gelegene Region der Schauplatz grausamer Massaker und heftiger Kämpfe zwischen der von der deutschen Wehrmacht unterstützten Ustascha und den Partisanen.
Von Kriegsverbrechen, Flucht und Vertreibung wurde die gemischt besiedelte Banija auch während des Kroatienkriegs heimgesucht. Waren es zunächst Kroaten, die vor der Miliz des Kriegsverbrechers „Kapetan“ Dragan Vasiljkovic flüchteten, wurden 1995 bei der kroatischen „Operation Sturm“ der Großteil der Serben aus der Bajina dauerhaft vertrieben.
Seit Kriegsende gehen die Jungen – und bleiben nur die Alten. „Niemand weiß, was aus Petrinja wird“, so ein ratloser Anwohner in der verwüsteten Unglücksstadt. Ob die Rückstandsregion jemals wieder auf die Beine kommt, ist fraglich: Bevölkerungsschwund und leere Fensterhöhlen haben schon vor den fatalen Erdstößen das Leben in dem dünn besiedelten Landstrich an der Grenze zu Bosnien bestimmt.
De Maart
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