Sonntag19. Oktober 2025

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LuxemburgVerschwundene Modehäuser: Die Beispiele „Louis Brahms“ und „Au nouveau Paris“

Luxemburg / Verschwundene Modehäuser: Die Beispiele „Louis Brahms“ und „Au nouveau Paris“
Das „Nouveau Paris“ in der Grand-rue Foto: Rolph

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Luxemburgs Geschäftswelt ist im Umbruch. Beunruhigend wirken die rezenten Schließungen der Geschäfte Zara, C&A, Tapis Hertz, H&M in der Innenstadt und der Verlagerung ihrer Aktivitäten in die großen Einkaufszentren am Stadtrand. Gründe dazu gibt es wohl mehrere, die es zu erforschen gilt, wesentlich bleibt dabei die Frage, wo städtischer Raum gelebt wird. Vielleicht kann ein Blick zurück an die Ursprünge des Warenhauses zu einem besseren Verständnis des steten Wandels führen.

Die Trennung zwischen Handwerk und Warenhaus ist eng mit der industriellen Revolution verknüpft. Die Industrie stellt einheitliche Massenwaren her, besonders um zwei Grundbedürfnisse zu regeln: Konfektion und Eisenwaren für handwerkliche und landwirtschaftliche Geräte. Die Massenproduktion richtet sich an die breiten Bevölkerungsschichten, welche im städtischen Raum wohnen. Sie tragen alle die gleichen Kleidungstypen: Berufskleidung, Freizeitkleidung, Festkleidung. Die einheitliche Massenherstellung ermöglicht es, feste Verkaufspreise im Voraus zu bestimmen. Dies fördert Markt- und Preisstrategien, um stets eine Kundschaft zu gewinnen und Kunden zu binden. Feste Verkaufspreise schaffen soziale Gerechtigkeit, denn sie sind für jeden Kunden der gleiche. Es entsteht ein neuer Beruf, der des Geschäftsunternehmers. Der Anschluss Luxemburgs an die Eisenbahn fördert diese Unternehmen, deren Verkaufsstelle und Lagerhaus räumlich getrennt sein können.

Das Warenhaus – ein neues Geschäft

Bereits 1889 stellt die einheimische Wirtschaftskammer fest, dass sich die Zahl der Warenhäuser in Luxemburg stark entwickelt hat und dass die Nachfrage nach Luxusgütern in allen Bevölkerungsschichten stark gestiegen sei. Wer jetzt glaubt, ein Warenhaus müsse in Luxemburg die Größe des „Printemps“, der Kaufhäuser „Tietz“, „Kaisergalerie“, „Herzmansky“, „Grands magasins de la Bourse“, „Innovation“ oder „Au bon marché“ haben, irrt. Beim Warenhaus handelt es sich um ein international anwendbares Handelskonzept, das sich der Größe des Marktes vor Ort anpassen kann. „Galeries de France“, „Galeries Lafayette“ und die Marke „Tietz“ waren um die Jahrhundertwende in Luxemburg vertreten. Interessant ist, dass Pariser und Brüsseler Warenhäuser in der einheimischen Presse ihre Warenkataloge anpriesen. Man konnte direkt von zu Hause aus Bestellungen aufgeben. Zentrale Lage, getrennte Lagerhalle, große Auswahl, feste Preise und nach Produkten geordnete Ausstellungsflächen kennzeichnen weltweit ein bis heute gängiges Konzept. Diese Einkaufstempel, aufgrund des Verkaufserlebnisses, das sie vermitteln, benötigen jedoch Platz. Zur Zeit ihrer Entstehung wurden in Brüssel, Berlin, Wien oder Budapest, ganze historische Stadtviertel abgerissen. In vielen Städten prägen diese Einkaufstempel der Gründerzeit heute noch ihr Aussehen.

Das Nouveau Paris befand sich dort, wo heute die H&M-Filiale ist
Das Nouveau Paris befand sich dort, wo heute die H&M-Filiale ist Foto: Robert L. Philippart

International austauschbar

Die Verkaufsstellen von Massenwaren für Bevölkerungsmassen schafften ein neues Empfinden des städtischen Raumes. „Das Warenhaus wird die Nahtstelle zwischen Massenprodukt und Massenkonsum, Massenbedarf und Massenbefriedigung“, schreibt der Historiker Klaus Strohmeyer in seiner Studie „Warenhäuser – Geschichte, Blüte und Untergang im Warenmeer“ (Berlin, 1986).

Im Gegensatz zu dem angelsächsischen Typus des Warenhauses, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Lagerhaustypus entwickelt hat, setzt der kontinentale Typus dieser Geschäftsbauten in den Innenstädten oder Bahnhofsvierteln auf die Kunst der architektonischen Inszenierung. Ähnlich der heutigen Einkaufsmeilen an der Peripherie waren die Warenhäuser als Ort der Verführung gedacht und die Architektur sollte mit ihren Mitteln diese Raumstimmungen erzeugen. Diese Bauten waren durch die Presse in weiten Kreisen der Betriebsführung bekannt und wurden in Fach- und Architektur-Zeitschriften als Modell gepriesen. Der internationale Charakter steht klar der regional aufs Handwerk bedachten Heimatarchitektur entgegen. Der austauschbare internationale Charakter des Warenhauses spiegelt die Bedürfnisse des „Weltbürgertums“ zurück. Alle Register des Marketings wurden bespielt und die Geschäfte trugen dabei verlockende Namen, welche an andere Großstädte erinnern: „Au nouveau Paris“, „Au bon marché“, „Galeries de France“, „Metropol“.

Architektur und Schaufenster

Auf zwei Beispiele prägender Warenhaus-Architektur der Gründerzeit in der Grand-rue soll hier hingewiesen werden. Die unter den Namen „Tapis Hertz“ (ehemals Klees-Kaiser – Louis Brahms, Nummer 44) und „Au nouveau Paris“ (Nummer 83) bekannten Geschäftshäuser folgen dem Bauprogramm ihrer großen Schwestern im Ausland. Sie befinden sich im Herzen der Innenstadt an zentraler Lage. Ihre Fassade liegt an einer Straßenkreuzung, welche die Besucher aus zwei Richtungen anzieht. Der Schnittpunkt zweier Straßen fördert die Sichtbarkeit des Gebäudes im öffentlichen Raum. Die architektonische Ecklösung ermöglicht es, die Warenhäuser als Referenzgebäude erscheinen zu lassen.

Den Großwarenhäusern gemein ist die Nutzung von Beton, Glas und Stahl. Dank dieser neuen Baumaterialien konnten die Bauherren auf geschlossene Fassaden verzichten. Das gesamte Gebäude wird zum Schaufenster. Dies entspricht dem Bedürfnis des städtischen „Flaneurs“, der dank geregelter Arbeitszeit Zeit zum Einkaufsbummel findet. Ein direkter Bezug besteht zwischen Architektur und Werbung in der Presse. Der Leser wird aufgerufen, sich die Schaufenster anzusehen, welche mehrmals im Jahr, anlässlich der Saison oder bedeutender Feste, neu dekoriert werden. Somit verändert die Fassade ständig ihr Aussehen. Passant und Ware stehen im direkten Austausch.

Es ist bedauerlich, dass bei den beiden Geschäftshäusern „Tapis Hertz“ und „Au nouveau Paris“ diese Nutzung des Baues als Warenträger heute nahezu vergessen ist! Die großen Schaufenster ermöglichten die Schaffung lichtdurchfluteter Innenräume, die den Kunden in Stimmung versetzen sollten und die Ware bestens feilboten. Die Warenhäuser selbst wurden als große Waren-Ausstellungen empfunden. Dies erklärt der Hinweis in der Presse auf freien Zutritt und keinen Kaufzwang.

Das ehemalige Gebäude des Warenhauses „Klees-Kaiser – Louis Brahms“
Das ehemalige Gebäude des Warenhauses „Klees-Kaiser – Louis Brahms“ Foto: Rolph, 2006

Stararchitekten am Werk

Sehr interessant ist, dass beide Warenhäuser „Klees-Kaiser – Louis Brahms“ und „Au nouveau Paris“ zeitgleich im Jahr 1913 öffneten. Sind ihnen das Ausstellungskonzept, die Nutzung neuer Baumaterialien und die Lage gemein, so ist ihre stilistische Ausrichtung doch sehr unterschiedlich. „Klees-Kaiser – Louis Brahms“ ist im historisiertem Stil ausgeführt, während „Au nouveau Paris“ Jugendstil ausstrahlt. Das an der Kreuzung zur Kapuzinerstraße gelegene Geschäftshaus verfügt über eine Steinfassade, während das an der rue Philippe II gelegene Haus ganz deutlich ein Stahlkorsett zur Schau trägt. Eindeutig richten sich beide Fassaden an unterschiedliche Kundschaften, die erste etwas konservativer als die zweite. Beide Warenhäuser verfügen über Wohnungen in den oberen Stockwerken.

Bedeutsam war die Wahl der Architekten. „Klees-Kaiser – Louis Brahms“ wurde nach den Plänen von Jean-Pierre Koenig errichtet, „Au nouveau Paris“ war von Georges Traus entworfen worden. Koenig hatte den Bau der Sparkasse an der place de Metz entworfen, das Hotel Brosius ins Pôle Nord umgewandelt, mehrere Pläne zu Kirchen- und Klostergebäuden gezeichnet. Er war Mitbegründer des „Cercle artistique“ gewesen. 1917 wurde Koenig mit der Auszeichnung „Prix Grand-Duc Adolphe“ für sein Werk geehrt. Traus war Schriftführer beim „Cercle artistique“. Er hatte sich durch den Entwurf der Denkmäler für Dicks-Lentz an der place d’Armes und Laurent Menager (Friedhof Siechenhof) hervorgetan. Er hatte die Pläne zum Bau des Luxushotels „Grand Hotel Brasseur“ am Boulevard Royal entworfen. Traus führte mehrere Bauprojekte für Gemeinden in Luxemburg aus. Der von ihm und Architekt Michel Wolff entworfene Pavillon zur Brüsseler Weltausstellung 1935 wurde ausgeführt. Traus hat mehrere Jugendstilbauten in Luxemburg-Stadt entworfen. Beide Bauherren scheuten somit weder Investition noch die Wahl der besten Architekten.

Wie in den meisten Warenhäusern dieser Zeit in Luxemburg war das Personal mehrsprachig (luxemburgisch, deutsch, französisch). Verkaufsoffene Sonntage gehörten zum Geschäft.

Zwei elegante Modehäuser

Das Modehaus „Klees-Kaiser“ hatte Nicolas Klees-Kaiser 1879 gegründet. Er hatte seinen Beruf als Lehrer aufgegeben, um als Geschäftsmann Karriere zu machen. Er hatte sein Modehaus an der Kreuzung Grand-rue – rue des Capucins eingerichtet. 1913 hatte sein Sohn Adolphe das Unternehmen übernommen und den heute noch erhaltenen Neubau errichtet. Heute erinnert lediglich das Monogramm „K-K“ über dem Eingang an der rue des Capucins an den Bauherrn. Adolphe Klees verlegte sein Geschäft an die rue du Fossé – rue Genistre und vermietet das neu errichtete Haus an Louis Brahms und Ida Ermann, welche hier „Luxemburgs größtes Spezialhaus für Damen- und Mädchenkonfektion“ eröffneten. Das Geschäft bot auf 31 Metern Länge neun Schaufenster. Zur Innendekoration gehörten Jugendstil-Ornamente. Das von den Nazis enteignete Geschäft trug während der Kriegsjahre den Namen „Wiener Modehaus – Fachgeschäft für Damen, Mädchen & Knabenoberbekleidung“. Nach dem Krieg befanden sich hier die Geschäfte „Victoria“, „Vogue“, „Tapis Hertz“ und seit 2020 der Pop-up-Store „Vis-à-vis“.

Die Gründung des Unternehmens „Au nouveau Paris“ führt auf das Jahr 1874 zurück. 1894 hatte Emile Alexandre das Haus übernommen und die Geschäftsstelle an die Kreuzung rue Philippe II – Grand-rue verlegt. Das Modehaus führte Kurzwaren, Hemden, Heiratsgut, Babyausstattung, Mützen und Unterwäsche und im Winter Pelzmäntel. Alexandre kaufte die Ware ohne Zwischenhändler selbst beim Produzenten ein, was ihm eine besonders günstige Preispolitik erlaubte. 1904 erhielt er die Goldmedaille von Luxembourg Attractions, der Vorgängervereinigung des heutigen Luxembourg City Tourist Office. Dem Beispiel der Großwarenhäuser aus Berlin, Wien oder Paris folgend, verkaufte Alexandre zu festen Tageszeiten an Grossisten. Privatkunden, welche die Auslagen zu festen Preisen im Geschäft entdecken konnten, bilden jedoch den größten Teil seiner Klientel. 1910 übernahm sein Sohn Emmanuel das Geschäft. Auf zwei Parzellen errichtete er das heute noch bestehende Haus „Au nouveau Paris“ mit 750 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Als architektonisches Modell dazu diente das Warenhaus „Riquet“ in Leipzig. „Au Nouveau Paris“ bot auf jedem Stockwerk einen anderen Warentypus.

Das ehemalige Klees-Kaiser-Gebäude
Das ehemalige Klees-Kaiser-Gebäude

Die im Erdgeschoss zum Verkauf angebotenen Produkte richteten sich an flüchtige Kunden, die in den oberen Stockwerken entsprachen den besonderen Wünschen der Kundschaft. Das „Au nouveau Paris“ bot als weitere Dienstleistung einen Aufzug, mit Liftboy. Das Unternehmen arbeitete mit den 1912 gegründeten Galeries Lafayette aus Paris zusammen. 1927 fusioniert „Au nouveau Paris“ mit der Firma „Aux bons marchés réunis“, welche Auguste Alexandre gehörte. Das Haus in der Grand-rue behielt seinen Namen. Während der Kriegsjahre trug das von den Nazis enteignete Geschäft den Namen „Zum modernen Bekleidungshaus“. Das „Au nouveau Paris“ wurde 1968 ins Warenhaus „Rosenstiel“ integriert.

ute isolde maria Quack
26. Juni 2021 - 21.01

Wenn der Staat die perversen Mieterhöhungungen weiter zuläßt, ist die Stadt bald tod. Die nächste Herbst/Winter Welle steht bevor, dann ist es auch mit der Gastronomie wieder vorbei.
Die einzige Möglichkeit wäre, wenn der Staat die Leerstände und son stige extrem hohe Mietobjekte und an Mieter zu normalen Preisen Mietinteressenten anzubieten.

Caroline Ramier
26. Dezember 2020 - 2.56

> Le monde des affaires au Luxembourg est en
> plein bouleversement. Les récentes fermetures
> sont inquiétantes les magasins Zara, C&A,
> Tapis Hertz, H&M en centre ville

Trop de bureaucratie et des impôts trop élevés entraîneront des faillites massives. Et la classe moyenne luxembourgeoise fera complètement faillite!

La pandémie COVID est un succès retentissant lorsqu'il s'agit de détruire les PME luxembourgeoises!

Knutschfleck
26. Dezember 2020 - 0.05

Noch nie etwas von den oben genannten Geschäften gehört. Für mich also kein grosser Verlust. Schade natürlich wieder um die Steuereinnahmen. Wenn alle Geschäfte weg sind, können wir ja die Luft besteuern.

B.G.
25. Dezember 2020 - 17.30

Noch viel beruhigender in Eschilda !
Dort mieten die neuen Stadtherren in der längsten grösstenteils geschäftsleeren Einkaufstrasse des Grossherzogtums nicht nur die leerstehenden Läden um an Popup ( oder-down )- shops für ein kleines Trinkgeld zu „vermieten , sondern installieren hier ein eigenes Souvenir Geschäft ( leider ohne Pfeifenzubehör ), und schmücken dort die immer grösser werdende Anzahl hoffnungs leerer Ausstellungsfenster mit Bilder und anderem Trödlerzeug .
. So gelingt es dem Schultheiß und seinen rührigen Helfershelfer einen potemkinschen Fassadendorfkern für das Dutzend erwarteter Touristen im europäische Kulturistenjahr aufzuweisen um wiedergewählt zu werden........

Furial
25. Dezember 2020 - 12.40

Beunruhigend? Ach was, die Gemeindeoberen werden die Geschäfte mieten für 15-20.000€/Monat (mit unserem Geld) und sie für 100€ an diverse Popup-shops weitervermieten, die Pfeifenzubehör verkaufen oder Schnürsenkel.

Verona
25. Dezember 2020 - 12.38

"Beunruhigend wirken die rezenten Schließungen der Geschäfte Zara, C&A, Tapis Hertz, H&M in der Innenstadt und der Verlagerung ihrer Aktivitäten in die großen Einkaufszentren am Stadtrand. "

Wer geht denn noch einkaufen, wenn man von Amazon alles gratis nach Hause geliefert bekommt.

Die Leute die in die Concorde oder Belle-Etoile Essensvorräte einkaufen gehen, schlendern an den Boutiquen vorbei auf dem Weg dahin.

Einer dieser beiden wird auch mal schließen in nächster Zukunft, genau wie im Ausland.

jean-pierre goelff
25. Dezember 2020 - 11.30

...und so werden Stadtzentren langsam aber sicher zur Einöde!Stadtplanung verkehrt!