Donnerstag23. Oktober 2025

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ÖsterreichVerfassungsschützer schlägt Alarm: Gefährder nicht unter Kontrolle

Österreich / Verfassungsschützer schlägt Alarm: Gefährder nicht unter Kontrolle
Anfang November kam es im Zentrum von Wien zu einem islamistischen Anschlag: Potenzielle Gefährder könnten nicht ausreichend bewacht werden, heißt es von einem Verfassungsschützer in Österreich. Foto: Joe Klamar/AFP

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Ein hochrangiger Verfassungsschützer warnt vor neuerlichem Terror in Österreich, weil das Personal zur Überwachung bekannter Gefährder fehlt.

Die E-Mail war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, ging aber nun doch an die Medien. Fünf Tage nach dem islamistischen Anschlag im Zentrum Wiens am 2. November hatte der Leiter des steirischen Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), Rupert Meixner, eine dringende Warnung an seinen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) geschickt: „Solche Typen wie der Attentäter aus Wien“ würden auch in der Steiermark „frei und nicht überwacht herumlaufen“, schreibt der LVT-Chef und kann keine Verbesserung der Situation versprechen: „Ich habe keine Ressourcen, diese Leute zu überwachen, und daher ist so etwas wie in Wien auch in Graz möglich.“

Überfordert und unfähig

Meixner verweist in dem Schreiben auf 14 verfassungsfeindliche Moscheen mit mehr als 2.000 Islamisten und aktuell 23 Gefährdern. Für deren lückenlose Überwachung seien mindestens 350 Beamte notwendig, 25 zusätzliche Ermittler brauche er mindestens. Die Verfassungsschützer haben nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein qualitatives Personalproblem, wie der LVT-Chef seinem Landeshauptmann unverblümt offenbart. Er fordert neben mehr Personal gleich auch eine Neuausschreibung aller bestehenden Posten im Verfassungsschutz, weil „es durchaus ungeeignete Leute gibt, die ersetzt werden müssten“.

Pikanterweise missachtet der oberste steirische Verfassungsschützer selbst eine Grundregel seines Gewerbes: Die brisante Kommunikation mit dem Landeshauptmann wickelte er nicht über einen geschützten Kanal ab, sondern über Schützenhöfers private E-Mail-Adresse.

Die beschriebenen Sicherheitsdefizite beschränken sich wohl nicht auf die Steiermark, deren Landeshauptstadt Graz neben Wien als Salafisten-Hochburg gilt. Schon lange vor dem Wiener Anschlag hatte der Chef eines anderen Landesverfassungsschutzes in einem Hintergrundgespräch eingeräumt, dass man in ganz Österreich lediglich die personellen Ressourcen zur Rund-um-die-Uhr-Überwachung von höchstens zehn Gefährdern habe. Auch die Schwachstellen im Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) sind seit Jahren hinlänglich bekannt, was Österreich 2018 vorübergehend die Mitgliedschaft in der „Berner Gruppe“, einem Zusammenschluss internationaler Geheim- und Nachrichtendienste, kostete. Seit der Gründung des BVT im Jahr 2002 hatten die – mit einer Ausnahme – von der ÖVP gestellten Innenminister den Sicherheitsapparat nach parteipolitischem Gusto besetzt, womit nicht immer die besten Leute zum Zug gekommen sind.

Auch nach dem Wiener Anschlag war schnell klar geworden, dass das BVT seiner Schutzfunktion nicht gerecht geworden war: Der IS-Sympathisant, der mitten in der Stadt vier Menschen erschossen und 23 weitere verletzt hatte, war längst als Gefährder bekannt, aber nicht entsprechend behandelt worden. Eine Warnung aus der Slowakei, wo der spätere Mörder im Sommer Munition zu kaufen versucht hatte, war in Wien verschlampt worden.

Komplizen festgenommen

Die triste Gesamtsituation des österreichischen Sicherheitsapparates wurde am Sonntag von einer Erfolgsmeldung etwas erhellt. In Wien wurden zwei mutmaßliche Komplizen des am 2. November von Sicherheitskräften erschossenen Attentäters inhaftiert. Bereits am Freitag hat eine Spezialeinheit einen gebürtigen Afghanen mit österreichischem Pass festgenommen, dessen DNA-Spuren auf der beim Anschlag verwendeten Tatwaffe und auf Patronenhülsen gefunden wurden. Bei dem zweiten Festgenommenen handelt es sich um einen ebenfalls bereits amtsbekannten Tschetschenen.