Mittwoch22. Oktober 2025

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US-WahlenGerrymandering: Wie der Zuschnitt der Wahlkreise instrumentalisiert wird

US-Wahlen / Gerrymandering: Wie der Zuschnitt der Wahlkreise instrumentalisiert wird
In den USA sind es nicht die Wähler, die den Präsidenten wählen, sondern die Wahlleute Symbolfoto: dpa/AP/Rogelio V. Solis

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Durch das US-Wahlsystem spielen die Wahlkreise eine wichtige Rolle: Wer wo seine Stimme abgeben darf, kann die Wahlen nachhaltig verändern. Beim Planen dieser Wahlkreise kann die regierende Partei auch im eigenen Interesse handeln – das nennt man Gerrymandering und ist eigentlich illegal.

In den USA sind es nicht die Wähler, die den Präsidenten wählen, sondern die Wahlleute. Bei den Wahlleuten kommt in den meisten Bundesstaaten das Prinzip „The Winner Takes it All“ zum Einsatz. Das heißt, der Kandidat, der die meisten Stimmen im Staat bekommt, erhält alle Wahlleute des Bundesstaates, die dann für ihn abstimmen. Statt also 35 Stimmen für Kandidat A und 20 Stimmen für Kandidat B gibt es am Ende 55 Stimmen für Kandidat A. Bei den Präsidentschaftswahlen, doch vor allem bei der Wahl der Abgeordneten, kommt die Einteilung der Wahlbezirke ins Spiel.

Alle zehn Jahre werden in den USA die Wahlkreise neu zugeschnitten – 2021 ist es wieder ‎so weit. Dabei können die Abgeordneten in den jeweiligen Bundesstaats-Parlamenten Einfluss ‎auf den Zuschnitt nehmen und versuchen, sich so einen Vorteil bei der Wahl der Abgeordneten zu verschaffen. Das nennt ‎man Gerrymandering. Technisch gesehen ist Gerrymandering illegal, aber es ist schwer zu beweisen. Beide politischen Parteien leugnen, dass sie Gerrymandering praktizieren. Aber: Nach fast jeder Neueinteilung der Bezirke geht die Minderheitspartei vor Gericht, um der Mehrheitspartei Gerrymandering vorzuwerfen.

„Cracking“ und „Packing“

Nach der Volkszählung in den USA entscheidet die regionale Regierung in rund 35 der 50 Staaten über den Zuschnitt der ‎Wahlkreise – und nicht etwa eine unabhängige Kommission. Dabei gibt es zwei große Taktiken: „Cracking“ und „Packing“. Beim „Cracking“ werden die Wählerinnen und Wähler der ‎gegnerischen Partei über mehrere Bezirke verteilt, sodass ihre Stimmen weniger Gewicht ‎haben. Beim „Packing“ werden möglichst viele Unterstützerinnen und Unterstützer der eigenen Partei auf einen ‎Wahlkreis konzentriert.

Problematisch ist auch das Gefängnis-Gerrymandering: Der Wahlbezirk wird so um das Gefängnis gezogen, dass die erforderliche Einwohneranzahl gegeben ist. Häftlinge dürfen allerdings in den meisten US-Bundesstaaten nicht wählen. Das bevorzugt vor allem ländliche Regionen, in denen Gefängnisse stehen. Obwohl in diesen Bezirken weniger Menschen wählen, haben ihre Stimmen dann mehr Gewicht.

Gerrymandering führt bisweilen auch dazu, dass die Wahlkreise auf der Karte seltsam aussehen. Oft wird nicht auf den Straßenverlauf oder die Häuserverteilung geachtet.

Der dritte Kongressbezirk von Maryland wurde 2014 von der „Washington Post“ in die Top Ten der am stärksten verunreinigten Bezirke der Vereinigten Staaten aufgenommen
Der dritte Kongressbezirk von Maryland wurde 2014 von der „Washington Post“ in die Top Ten der am stärksten verunreinigten Bezirke der Vereinigten Staaten aufgenommen Bild: United States Department of the Interior

Da eine einzelne Partei fast immer einen Bundesstaat kontrolliert, ist es in ihrem Interesse, die Bezirksgrenzen so zu ziehen, dass sie mehr Sitze im nationalen Repräsentantenhaus gewinnt als die Oppositionspartei. Obwohl sowohl ‎Demokraten als auch Republikaner immer wieder Gerrymandering ‎vorgeworfen wurde, haben in den letzten Jahren vor allem die Republikaner von dieser Regelung profitiert. Beim letzten Zuschnitt vor zehn Jahren hatten sie meistens eine Mehrheit im Parlament. In den „Midterm“-Wahlen 2018 spielte die Verteilung der Wahlbezirke in Ohio zuletzt eine wichtige Rolle. Die Demokraten holten fast die Hälfte der Wählerstimmen, aber nur vier von 16 Sitzen in der Kammer.

Der Republikaner Thomas Hofeller ist bekannt für den Satz: „Die Neueinteilung von Bezirken ist wie eine umgekehrte Wahl. Es ist ein großartiges Ereignis. Normalerweise dürfen die Wähler die Politiker wählen. Bei einer Neueinteilung der Wahlbezirke können sich die Politiker die Wähler aussuchen.“

Wo kommt das Wort Gerrymandering her?

Der Begriff Gerrymandering ist Elbridge Gerry zu verdanken. Während seiner Amtszeit als Gouverneur von Massachusetts 1812 unterzeichnete er einen Gesetzentwurf, der seinen Bundesstaat zugunsten seiner Partei (den Republikanern) umgestaltete. Einer der Kongressbezirke soll wie ein Salamander geformt gewesen sein. Ein Karikaturist nannte ihn daher Gerrymander.