Dienstag21. Oktober 2025

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„Crèches“ in der Corona-KriseReaktionen des Betreuungspersonals auf die neuen Exit-Richtlinien

„Crèches“ in der Corona-Krise / Reaktionen des Betreuungspersonals auf die neuen Exit-Richtlinien
Als private „Crèche“ ist die Einrichtung von Dennis Kirps in Mertzig auf Hilfen vom Staat angewiesen, um die anstehenden finanziellen Verluste aufzufangen Foto: Crèches Kiddies

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Es ist definitiv: Ab dem 25. Mai werden die Kapazitäten in Luxemburgs „Crèches“ auf fünf Kinder pro Raum und Erzieher reduziert, das Tragen einer Maske soll in den Betreuungseinrichtungen jedoch nicht vorgeschrieben werden. Ein Stückchen Klarheit, das in einer unvorhersehbaren Krise für Aufatmen sorgt. Doch auch nach der offiziellen Pressekonferenz von Bildungsminister Claude Meisch hatten die Erzieher und „Crèches“-Besitzer noch Fragen. Denn da, wo die einen Licht am Ende des Tunnels sehen, müssen andere um ihre Existenz bangen und fordern Gleichberechtigung zwischen staatlichen und privaten Einrichtungen.

„Zurück in die Crèche“ könnte der Titel für das Kapitel lauten, das in rund zehn Tagen beginnt. Bis zum Anfang der Sommerferien soll wenigstens ein wenig Normalität in den Alltag von Kleinkindern und Erziehern zurückkehren, auch wenn die Realität in den Räumlichkeiten der Betreuungseinrichtungen wohl alles andere sein wird als normal. „Wir wollen lieber einen guten, vorsichtigen Start als sofort eine komplette ‚reprise’“, betonte Bildungsminister Meisch bei der Verkündung der neuen Richtlinien für den Zyklus 1, die „Crèches“ und die Kompetenzzentren am Freitagnachmittag.

Vor allem im Arbeitsbereich mit Kleinkindern seien die regulären Sicherheitsmaßnahmen größtenteils nur begrenzt umsetzbar, deshalb müsse die Regierung auf Alternativen bauen. Das bedeutet konkret: Das Tragen von Masken ist bei Kindern unter zwei Jahren verboten und bei den unter Sechsjährigen nicht empfohlen. Maximal fünf Kinder sollen gleichzeitig in einem Raum betreut werden. Diese Maßnahmen hat das Ministerium in enger Zusammenarbeit mit der „Santé“, dem „Conseil supérieur des maladies infectueuses“ sowie auf Basis der Dokumente von Experten wie dem Direktor des „Luxembourg Centre for Systems Biomedicine“, Rudi Balling, oder der Kinderärztin Dr. Isabel De La Fuente Garcia beschlossen. Vor zwei Monaten herrschten Ängste um einen schweren Verlauf der Krankheit beziehungsweise eine Verbreitung des Virus bei Kleinkindern. Diese Befürchtungen entsprächen nicht mehr dem aktuellen Wissensstand. Deshalb müsse man langsam, aber sicher zurück in die Normalität, sagte Meisch.

Nach außen isoliert, nach innen familiär

Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt Pasqualina Di Nicola die „Crèche beim Petzi“ in Grass, welche künftig nur noch rund 20 Kinder betreuen darf
Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt Pasqualina Di Nicola die „Crèche beim Petzi“ in Grass, welche künftig nur noch rund 20 Kinder betreuen darf Foto: Crèche beim Petzi

Um dennoch ein größtmögliches Maß an Sicherheit zu gewährleisten, soll die Anzahl der zu betreuenden Kinder ab dem 25. Mai deutlich verringert werden. Vor allem soll dies dazu beitragen, dass in den „Crèches“ dennoch die gewohnte Nähe zu anderen Kindern und dem Personal beibehalten werden kann. „Es wird mit kleinen Gruppen gearbeitet, die nach außen geschlossen sind, um nach innen ein Stück weit familiärer sein zu können und in denen man sich punktuell auch mal näherkommen darf“, erklärte Meisch. Viel Aufenthalt an der frischen Luft, kein Kontakt zu anderen Gruppen, eine potenzielle Eingewöhnungsphase und die Wahl der Eltern, ob sie ihre Kleinen wieder in die „Crèche“ schicken oder doch lieber Gebrauch vom „congé pour raisons familiales“ machen – das sind die Kernpunkte der kommenden Phase.

Recht positiv sieht Pasqualina Di Nicola die neuen Richtlinien. Zusammen mit ihrem Mann betreibt die Kindergartenlehrerin die „Crèche beim Petzi“ in Grass, wo normalerweise 36 Kinder einen Platz finden. „Ich finde, die Mitteilungen der Regierung waren alle sehr gut aufgebaut und zur Abwechslung mal auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmt, was meistens leider nicht der Fall ist“, fand Di Nicola. Die Rolle der Erzieher sei es nun vor allem, ihren Schützlingen schnellstmöglich die gewohnten Rituale wieder zu ermöglichen, denn eine Rückkehr nach zwei Monaten in Isolation sei besonders für Kleinkinder kein Zuckerschlecken.

Fragen über Aufteilung der Arbeitszeiten

Die „Crèche“ aus Grass hat den Vorteil, dass sich die Räumlichkeiten mit nur wenig Aufwand auf die neuen Distanzregeln umstrukturieren lassen. Alle Mitarbeiter können wie gehabt wieder arbeiten und auch die Eltern zeigen Verständnis für die Lage. Sorgen bereiten Di Nicola allerdings die bislang unzureichenden Informationen zum „congé pour raisons familiales“ sowie die Strukturierung der Arbeitszeiten: „Es heißt, dass dieselben Erzieher die Kinder empfangen und wieder an ihre Eltern abgeben sollen. Ich kann allerdings keine Schichten von zehn Stunden verteilen. Auch stellt sich mir die Frage, wie das Ganze aussehen soll, wenn um 17 Uhr in zwei Gruppen jeweils nur noch ein Kind anwesend ist, ich diese allerdings nicht zusammensetzen darf und so beide Erzieher vor Ort bleiben müssen, um die Trennung der Gruppen zu gewährleisten. Alle benutzen hingegen dasselbe Bad, wodurch die Situation irgendwie kontradiktorisch wird. Wäre es dann nicht logischer gewesen, das Ganze einfach normal anlaufen zu lassen?“

Erzieherin Jessica Costa Gomes weiß die Nähe der „Crèche Louklëppelcher“ zum Wald in Reiler zu schätzen, denn auch Minister Meisch setzt auf mehr Zeit in der Natur mit den Kindern
Erzieherin Jessica Costa Gomes weiß die Nähe der „Crèche Louklëppelcher“ zum Wald in Reiler zu schätzen, denn auch Minister Meisch setzt auf mehr Zeit in der Natur mit den Kindern Foto: privat

„Educatrice diplômée“ Jessica Costa Gomes sieht der neuen Gruppierung ihrer Kids hingegen freudig entgegen: „Fünf Kinder sind für den Start optimal, da ich gezielt auf ihre Bedürfnisse eingehen kann und so auch die pädagogischen Aktivitäten viel individueller ausgerichtet werden. Das ist bei 16 Kindern meist unmöglich.“ Auch die Empfehlung des Ministers zum Aufenthalt in der Natur weiß die junge Erzieherin zu schätzen: „Wir haben in unserer ‚Crèche Louklëppelcher‘ in Reuler das Glück, einen riesigen Schulhof, mehrere Spielplätze sowie einen Wald direkt auf unserem Gelände zur Verfügung zu haben. Dass wir jetzt raus dürfen, ist also super für unsere Kleinen.“

Etwas besorgt blickt Jessica Costa Gomes allerdings auf die Zeiten, die die Kinder in den „Crèches“ verbringen werden: „Ich finde die Idee einer Eingewöhnungsphase sinnvoll und hoffe, dass die Arbeitgeber der Eltern dies bei der Zustimmung zum Sonderurlaub auch berücksichtigen werden. Schließlich sind für einen Zweijährigen direkt acht Stunden Betreuung, eventuell noch in einer fremden Gruppe und mit fremden Kindern, nach zweimonatigem Daheimbleiben echt eine Zumutung.“

Kontrollen am Eingang

Auf die enormen finanziellen und organisatorischen Schwierigkeiten vor allem für kleinere Einrichtungen weist die Verantwortliche der „Crèche Wonnerland“ und der „Villa Wonnerland“ aus Düdelingen und Kayl hin. Wo normalerweise rund 50 beziehungsweise 80 Kinder Platz finden, werden künftig aufgrund der Personal- und Raummöglichkeiten nur noch 20 bis 25 willkommen sein. Betreut wird hier vor allem der Nachwuchs von Pflegepersonal, Berufstätigen des Bildungswesens und anderen Eltern, die die Betreuung ihrer Kleinen nicht zu Hause übernehmen können. Doch auch diese bekommen die Folgen der Covid-19-Krise zu spüren. „Am Eingang des Gebäudes werden die Eltern von zwei Erziehern empfangen, die ihre Temperatur messen und sie einen kurzen Fragebogen ausfüllen lassen“, berichtet die Verantwortliche. „Und das jeden Tag.“

Zudem müssen die Personen, die die Kinder bringen und abholen, genaue Zeiten angeben, damit die Einteilung des Personals genau darauf abgestimmt werden kann. „All unsere Mitarbeiter werden Masken tragen, es wird noch mehr desinfiziert als vorher und bei den Mahlzeiten werden wir versuchen, die Distanzen zwischen den Stühlen einzuhalten. Wir werden unser Bestes geben, aber es wird schwierig“, sagt die Verantwortliche der „Wonnerland“-Einrichtungen. Eine zusätzliche Challenge erwartet das Team noch: In einem der Gebäude wurde die zweite Etage vom Ministerium für zu betreuende Schulkinder beansprucht. „Unsere Treppen sind keine fünf Meter breit. Wir müssen also enorm aufpassen, dass sich die Gruppen dort nicht kreuzen.“

Kontroverse um Räumlichkeiten

Damit verbunden ist einer der beiden Paragrafen, die nun im „règlement grand-ducal“ vom 14. November 2013 während der Corona-Krise außer Kraft gesetzt wurden. „In dem Schreiben des Ministeriums, welches am Donnerstag an uns rausging, wird betont, dass keine alternativen Räume genutzt werden dürfen, die nicht für die Betreuung von Kindern zugelassen sind“, erklärt Dennis Kirps von den „Crèches Kiddies“ in Merzig, Rosport, Betzdorf und Schieren. Die Kritik des Tagesstätten-Betreibers richtet sich an die Kontroverse, dass das Ministerium selbst nun Räumlichkeiten umdisponiert und nicht ausgebildetes Personal rekrutiert, um die Betreuung der Kinder zu übernehmen, private „Crèches“ hingegen weder Schlafsäle noch andere Räumlichkeiten nutzen dürfen, um die hauseigene Kapazität mit den nunmehr nur noch fünf erlaubten Kindern pro Raum zu erhöhen.

Der selbsternannte „Crèchist“ Dennis Kirps fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen
Der selbsternannte „Crèchist“ Dennis Kirps fühlt sich von der Regierung im Stich gelassen Foto: Crèches Kiddies

„Bei älteren Kindern verstehe ich die Begrenzung. Allerdings macht es in meinen Augen keinen Unterschied, ob man als Erzieher nun fünf oder sechs Babys beaufsichtigt, die jeweils alleine in ihrer eigenen Krippe liegen“, meint Kirps. Als Teil des privaten Sektors empfindet der „Crèchist“ die Maßnahmen generell als ungerecht. Man fühle sich von der Regierung vergessen: „In Meischs Ansprache ging es um „Crèches“, „Maisons relais“ und „Foyers du jour“, die allesamt konventionierte Betriebe sind, keine Mieten zahlen müssen und Personal beschäftigen, das vom Staat bezahlt wird. Dort ist es egal, wenn 50 Prozent der Kapazitäten wegfallen.“

Neuer Vertrag bis Juli

Für private Einrichtungen wie die von Dennis Kirps bedeuten die neuen Maßnahmen ein Bangen um die hauseigenen Finanzen, trotz Hilfe vom Staat
Für private Einrichtungen wie die von Dennis Kirps bedeuten die neuen Maßnahmen ein Bangen um die hauseigenen Finanzen, trotz Hilfe vom Staat Foto: privat

Auch die Möglichkeit einer Verlängerung des „congé pour raisons familiales“ sieht Kirps skeptisch: „Man hofft, dass die Hälfte der Eltern ihre Kinder freiwillig zu Hause behalten. Dabei ist jedoch bis jetzt noch unklar, wie die genaue finanzielle Hilfe des Staates aussehen wird, wenn die ‚chèques-service acceuil‘, welche den Eltern als Zuschuss denen, nicht mehr an die ‚Crèches‘ ausbezahlt werden. Positiv ist hingegen, dass für jedes nun zu betreuende Kind ein neuer Vertrag ausgestellt werden muss, so wie dies nun auch für die Eltern mit den Betreuungseinrichtungen bis zum 15. Juli der Fall ist. Dadurch können wir die Verluste minimieren.“ Kurzarbeit darf Kirps für seine Mitarbeiter allerdings nicht beantragen – diese Antwort erhielt er im Mai auf seine Anfrage beim Staat. „Es gibt für uns also keine ausweichenden Maßnahmen, um die restlichen entstehenden Verluste aufzufangen“, ergänzt er.

Man wisse, dass niemand für die aktuelle Krise verantwortlich sei, dennoch müsse die bereits schwierige Situation nicht noch durch politische Entscheidungen erschwert werden. „Die Maßnahmen gelten nun bis zum 15. Juli in der Hoffnung, dass danach alles wieder normal laufen darf. Das wäre natürlich toll, aber heißt dies, dass Corona dann weg sein wird? So vieles ist noch unbekannt, deswegen müssen wir jetzt alle abwarten, wie die ersten Wochen der ‚reprise’ verlaufen werden“, meint auch Pasqualina Di Nicola und drückt damit aus, was alle in der Krise verbindet: Ungewissheit.