Portugal klebt ziemlich abgelegen am Saum der Iberischen Halbinsel. Am südwestlichen Rand Europas. Doch die Randlage, unter der die Portugiesen wirtschaftlich ziemlich leiden, erweist sich in der Corona-Krise als großer Vorteil. Denn auch die Virus-Krankheit Covid-19 hat es so etwas schwerer, bis nach Portugal vorzudringen und sich dort auszubreiten.
Die Zahlen am gestrigen Nachmittag (Stand: 15 Uhr) sprechen für sich: Aus Spanien meldete die Johns Hopkins University 177.633 Infektionen, aus Portugal nur 18.091. Bei den Todesfällen ist der Unterschied noch größer: Spanien meldet 18.579 Opfer, Portugal nur 599. Zwar leben in Spanien mit 47,1 Millionen Bewohnern nahezu fünfmal mehr Menschen als in Portugal. Doch trotzdem sieht die Corona-Bilanz für Spaniens kleinen iberischen Bruder vergleichsweise gut aus.
Nun beten die zehn Millionen Portugiesen, dass nicht doch noch in den nächsten Tagen die große Corona-Welle aus Spanien über sie hereinbricht. Denn das Land mit seiner Hauptstadt Lissabon ist alles andere als gut für die Katastrophe gerüstet: Portugal gehört immer noch zu den ärmsten Staaten Westeuropas. Das Gesundheitssystem hat wegen der horrenden Staatsverschuldung in den letzten Jahren brutale Einschnitte verkraften müssen. Es mangelt allerorten an Material und Personal.
Viele örtliche Gesundheitszentren wurden geschlossen. Tausende Ärzte und Pfleger wanderten mangels Perspektiven ins europäische Ausland ab – zum Beispiel nach Großbritannien. Das wurde der Nation gerade erst wieder schmerzlich vor Augen geführt, als sich der am Virus erkrankte britische Premier Boris Johnson in London öffentlich bei seinem portugiesischen Krankenpfleger bedankte.
Was passiert, wenn das Virus SARS-CoV-2 in Ländern wütet, deren Gesundheits- und Sozialsystem kaputtgespart wurde, kann man gerade in Spanien, Europas schlimmsten Corona-Hotspot, sehen: überfüllte Krankenhäuser, in denen man ältere Menschen mangels Intensivbetten sterben lassen muss. Und Seniorenheime, in denen wegen fehlender medizinischer Hilfe ein fürchterliches Massensterben einsetzte, dem bereits Tausende Bewohner zum Opfer fielen.
Sehr früh reagiert
Vielleicht reagierten die Portugiesen deswegen so diszipliniert, als sie in den TV-Nachrichten die ersten Horrornachrichten aus Spanien sahen: Zehntausende portugiesische Familien gingen in Selbstquarantäne, noch bevor die sozialistische Regierung eine nationale Ausgangssperre verhängte. Die Angst, dass Portugal eine ähnliche Katastrophe wie Spanien durchmachen könnte, war groß.
„Es geht ums Überleben“, sagte Portugals sozialistischer Regierungschef António Costa, als er Mitte März schließlich den Notstand ausrief, die Bewegungsfreiheit einschränkte und nicht lebenswichtige Wirtschaftsaktivitäten stilllegte. Zu diesem Zeitpunkt war in Portugal noch kein einziger Corona-Toter gemeldet worden und die amtliche Statistik wies kaum mehr als 100 Infektionsfälle aus. Damit reagierte Portugal sehr viel früher als dies viele andere europäische Länder taten. Ein Umstand, der vermutlich entscheidend half, die Ausbreitung des Virus unter Kontrolle zu halten.
Bewundernswert ist auch, wie die sozialistische Regierung und die Opposition an einem Strang ziehen. Und sich nicht, wie in Spanien, wo mit Pedro Sánchez ebenfalls ein Sozialist regiert, bis aufs Messer bekämpfen. Portugals konservativer Oppositionschef Rui Rio versprach Premier Costa in dieser schweren Zeit absolute Loyalität. „Herr Ministerpräsident“, sagte Rio im Parlament. „Sie haben unsere Unterstützung. Wir werden Ihnen überall, wo wir können, helfen.“ Und: „Ich wünsche Ihnen Mut, stählerne Nerven und viel Glück. Denn Ihr Glück wird auch unser Glück sein.“
Schön, dass auch mal etwas über Portugal in den Luxemburger Zeitungen steht. Wir, die wir kein Portugiesisch sprechen, aber regelmäßig mit portugiesischen Mitbürgern zu tun haben, sind auf Erzählungen dieser Mitbürger angewiesen, um auf dem Laufenden zu sein.
Das Gleiche gilt übrigens für die Staaten, die früher zu Jugoslawien gehört haben.