Tageblatt: Herr Mergen, als Leiter eines häuslichen Pflegedienstes stehen Sie derzeit vor großen Herausforderungen. Wie würden Sie als Verantwortlicher die derzeitige Situation betiteln?
Alex Mergen: Wir leben von Minute zu Minute.
Was bedeutet das konkret in der Organisation des Pflegealltags?
Wir reagieren umgehend auf die Verordnungen der Regierung und des Gesundheitsministeriums. Die Maßnahmen müssen in die Praxis umgesetzt werden, ggf. muss nachgebessert werden. Doch neue Verordnungen lassen nicht lange auf sich warten. Tagtäglich reichen wir schriftliche Berichte bei dem Ministerium ein, nehmen an Videokonferenzen teil, führen Rücksprache mit dem Personal und natürlich mit unseren Patienten. Als Pflegedienstleiter sitzt man wie auf Kohlen, zumal die Zukunft, sprich die nächste Stunde und der nächste Tag, ungewiss ist.
Wie steht es eigentlich um Ihre Mitarbeiter?
Momentan können wir von Glück reden, dass niemand bisher erkrankt ist – und auch unseren Kunden geht es den Umständen entsprechend gut. Auch hier gilt: Man weiß nie, was uns in der folgenden Minute erwartet.
Ihre Mitarbeiter rücken aktuell mit Gesichtsmasken und Handschuhen aus, sind zudem mit genügend Desinfektionsmittel eingedeckt. Reichen die Vorräte aus?
Bisher ja, wir werden wöchentlich mit neuer Ware beliefert, das Gesundheitsministerium versorgt die Pflegedienste gut. Und auch die Kommunikation klappt hervorragend.
Was wurde im Bereich der häuslichen Pflege durch die Corona-Krise noch verändert?
Die Tagesstätten wurden geschlossen, Aktivitäten finden keine mehr statt. In der Hauspflege garantieren wir nur noch die wichtigste Grundversorgung. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass wir die Patienten vernachlässigen. Im Gegenteil. Wir arbeiten zusammen, individuell abgestimmt mit den Familien. Wenn sich jemand in der Familie etwa um den Haushalt oder Einkäufe kümmern kann, so wird diese Aufgabe von den Angehörigen übernommen. Dies ist sicherlich eine hohe Belastung, aber eine optimale Situation ist derzeit nicht möglich. Die Hygienevorschriften wurden erheblich verschärft, was mehr Zeitaufwand für die Pfleger bedeutet. Und auch die Kontakte zu Patienten auf ein Minimum zu reduzieren, verlangt ihnen mehr Konzentration ab.
In normalen Zeiten bieten Sie Ihren Kunden gewisse Freizeitaktivitäten an, sei es ein Spaziergang, der Besuch einer Konditorei oder die Begleitung zum Supermarkt. All diese Aktivitäten wurden vorübergehend ausgesetzt. Wie gestalten Sie nun die Freizeit Ihrer Kunden?
Für alleinstehende Menschen tätigen wir die Einkäufe oder den Gang zur Apotheke. In der aktuellen Phase können und dürfen wir aus verständlichen Gründen nicht bei den Patienten zu Hause sein und mit ihnen dort plaudern. Wir isolieren die Menschen aber nicht von der Außenwelt. Wir nutzen die Möglichkeit von Telefongesprächen und Videokonferenzen intensiv, um weiterhin mit unseren älteren Mitbürgern im Kontakt zu bleiben.
Besteht im häuslichen Pflegedienst derzeit ein Personalmangel?
Nein, bisher nicht. Einige Mitarbeiter sind wegen der Kinderbetreuung freigestellt. Durch die Reduzierung der Dienstleistungen auf das Wesentliche sind wir momentan allerdings gut aufgestellt, um die Krise zu meistern.
Hat der Shutdown des gesellschaftlichen Lebens trotzdem eine positive Auswirkung auf das Berufsleben im Sektor der Hauspflege?
Ja, einen kleinen Trost gibt es: Die Mitarbeiter stecken nicht mehr im Stau, und Parkplätze finden sie auch problemlos.

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