Von Eric Hamus
Elvis Presley war sein erster Kunde in den Vereinigten Staaten, US-Präsident Richard Nixon war so von den Heilkräften des Yogis überzeugt, dass er ihm als Dankeschön eine Aufenthaltserlaubnis schenkte. Hunderttausende Schüler konnte der gebürtige Inder in den letzten Jahrzehnten in seinen Bann ziehen, mehr als 1.200 Studios unterrichten das nach ihm benannte Yoga: Bikram Choudhury ist einer der bekanntesten Yoga-Meister der Welt. Und wegen zahlreicher Vorwürfe sexuellen Missbrauchs und Diskriminierung sicherlich auch einer der umstrittensten.
Am Wochenende sollte der Yogi auf Einladung des kleinen Luxemburger Studios „Hot Box Yoga“ nach Arlon (B) kommen. Für 325 Euro pro Person sollten 60 Teilnehmer zwei Tage lang die Gelegenheit erhalten, den Meister in Natur zu erleben und von ihm zu lernen. Als Austragungsort wurde das moderne Business-Hotel Van Der Valk direkt an der Luxemburger Autobahn gebucht, knapp sieben Kilometer vor der Grenze zum Großherzogtum. Doch hat Bikram Choudhury seine Teilnahme an der Veranstaltung inzwischen abgesagt.
Krankheitsbedingt, wie die Veranstalter dem Tageblatt mitteilten. Der Yogi habe seit Längerem Probleme mit den Stimmbändern, wurde deswegen auch bereits operiert. Nun seien wieder Knötchen aufgetaucht, so Sheelagh O’Connor. Mit seiner Ex-Frau Rajashree habe man bereits einen passenden Ersatz gefunden. „Sie ist absolut gleichwertig, eine tolle Lehrerin, ein Sprachrohr für Kinder- und Frauenrechte“, unterstreicht die Besitzerin des Luxemburger Studios.
Die Veranstaltung selbst ist bereits seit Wochen ausverkauft, trotz sämtlicher Kontroversen um den 1944 in Indien geborenen Yoga-Meister, der seine Kurse stets nur in knappen Badehosen und mit goldener Rolex am Handgelenk abhält. 1973 lässt sich Choudhury in Los Angeles nieder, wo er das „Bikram Yoga College of India“ gründete. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten: Mit seiner Sequenz von 26 Positionen in einem auf mehr als 40 Grad Celsius geheizten Raum kann er rasch die nach alternativen Entspannungs- und Heilmethoden lechzenden Kalifornier für sich gewinnen.
Die Schüler sind vom Guru begeistert. Menschen mit körperlichen Gebrechen berichten von spontaner Heilung. Sie schwärmen von Choudhurys Gabe, auf einen Blick erkennen zu können, was mit dem Körper nicht stimmt. Er erkenne Potenziale, die man selbst nie für möglich gehalten hat. Wenn er singt, berühre er Seelen. Bikram selbst beweist indessen ein Talent zur Selbstdarstellung. Mal Guru, mal Showmaster, zieht er die schwitzenden Teilnehmer seiner Kurse rasch in seinen Bann.
Yogi, Guru, Raubtier
„Ich bin der reinste Mensch, dem Sie jemals begegnen werden. Ich verkaufe die Wahrheit“, verkündet Bikram Choudhury großspurig in einem Interview mit einer amerikanischen Nachrichtensendung. Die Sequenz stammt aus einer aktuellen Netflix-Doku über die Machenschaften des selbst ernannten Gründers des Bikram-Yoga. Dabei zeichnet der Film das glaubhafte Bild eines einflussreichen Manipulators, der Ruhm und Einfluss dafür nutzt, Menschen gefügig zu machen. Neben dem Geld hat er es vor allem auf junge Frauen abgesehen, von denen manche sogar behaupten, vom Yogi sexuell missbraucht worden zu sein.
Zahlreiche ehemalige Weggefährten kommen in der Doku „Bikram: Yogi, Guru, Raubtier“ zu Wort. Alle berichten sie von den außergewöhnlichen Talenten des Yoga-Meisters und den wohltuenden Auswirkungen „seiner“ Methode. Nach und nach aber tauchen Schatten auf: Manche berichten von seiner ruppigen Art, andere erzählen davon, wie er bei jedem neunwöchigen Lehrgang Auserwählte um sich schart, die ihm auch nachts zur Verfügung stehen müssen. Dabei soll es dann zu den Übergriffen gekommen sein.

Nach Außen indessen schafft es der Guru, die Lehren seines Meisters als die eigenen zu vermarkten und ein 100-Millionen-Dollar-Imperium aufzubauen. Franchisen verkauft Choudhury zwar keine. Doch darf man nur ein „Bikram-Studio“ eröffnen, wenn man bei ihm die neunwöchige Lehrerausbildung absolviert. Der Preis: bis zu 15.500 Euro pro Lehrgang. Soweit die Vorwürfe, wie sie in der Netflix-Doku dargestellt werden. Er selbst lässt diese natürlich „entschieden“ zurückweisen. Der Film bereite nur alte Gerüchte wieder auf, betont ein Sprecher, der im gleichen Zusammenhang darauf hinweist, dass die Doku Bikrams sogenanntem „Hot Yoga“ zu einem enormen Comeback verholfen habe.
Tatsache ist: Bisher haben sechs Frauen Choudhury vor US-Gerichten wegen sexueller Nötigung und Vergewaltigung verklagt. Zu Verfahren kam es noch nicht. Doch: Durch außergerichtliche Einigungen hat er mehr als 16 Millionen US-Dollar Schulden angehäuft. Seiner ehemaligen Anwältin wurden in einem separaten Verfahren mehr als 7 Millionen Dollar zugesprochen, unter anderem wegen Belästigung und widerrechtlicher Kündigung. Bis heute hat die Frau noch keinen Cent gesehen, weshalb im Mai 2017 in Kalifornien ein Haftbefehl gegen Choudhury erlassen wurde. Dieser allerdings hat sich in Zwischenzeit ins Ausland abgesetzt.
Zuvor hatte sich bereits seine Frau von ihm getrennt. Wegen „unüberbrückbaren Differenzen“ hatte Rajashree im Winter 2015 die Scheidung eingereicht, nachdem sie den Guru 1984 im zarten Alter von nur 19 Jahren geheiratet hatte. Zu diesem Zeitpunkt war die heute 54-Jährige bereits fünffache indische Yoga-Meisterin. Und auch heute gehört die gebürtige Inderin immer noch zu den anerkanntesten Lehrerinnen ihrer Zunft. Allerdings ist auch Rajashree Chakrabarti nicht unumstritten: Ihr wird vorgeworfen, die Scheidung mit Choudhury nur zum Schein vollzogen zu haben, um dessen Imperium vor seinen Anklägern und Gläubigern zu schützen. Unbestritten ist allerdings ihr Engagement in zahlreichen Hilfsorganisationen, die sich in den USA für Kinder und Frauen einsetzen.
„Larger than life“
Eine neunwöchige Lehrerausbildung hat auch Sheelagh O’Connor 2013 in Los Angeles absolviert. Zusammen mit ihrem Ehemann führt die dreifache Mutter das „Hot Box Yoga“ in Strassen als eine Art Familienbetrieb. Das kleine Bikram-Studio ist Ausrichter des Lehrganges mit dem Meister am Wochenende in Arlon. Sie selbst habe während ihres Aufenthalts in Los Angeles allerdings nichts von den Vorwürfen aus der Netflix-Doku mitbekommen, betont die Yoga-Lehrerin im Gespräch mit dem Tageblatt.
Auf die Frage, ob sie mit Choudhurys Verpflichtung in Zeiten von #MeToo nicht die falsche Botschaft sende, unterstreicht O’Connor, dass sie persönlich nie widerrechtliches Benehmen seitens des Yogis festgestellt habe. „Ich bin Mutter von drei Teenagern, davon zwei Töchter. Ich erziehe sie zu starken, mündigen Erwachsenen, die sich jederzeit wehren können. Die kalifornische Staatsanwaltschaft hat betont, dass keine Strafanzeigen vorliegen. Die Verfahren waren nur zivilrechtlicher Natur“, so die Veranstalterin.
Sie habe über die Jahre hinweg mehrere Facetten des Yoga-Meisters erlebt, doch seien alle durchwegs positiv gewesen. In der Lehrerausbildung in Los Angeles sei Bikram Choudhury verständlicherweise etwas strenger gewesen. Er habe eine „larger than life“-Personalität. „Er ist nun Mal sehr schroff und offen: Wenn ihm eine Pose nicht gefällt, sagt er das auch“, so O’Connor, die seine Herangehensweise mit „strenger Liebe“ vergleicht. Bei späteren Lehrgängen sei er viel entspannter gewesen, da er es zu diesem Zeitpunkt mit etablierten Lehrern oder Novizen zu tun gehabt habe. O’Connor erinnert sich vielmehr an einen sehr einfühlsamen und zugänglichen Menschen, der auf die Bedürfnisse seiner Schüler eingeht und den Menschen zuhört.
Allerdings verweist sie fast gleichzeitig auch auf ein gemeinsames Statement sämtlicher Bikram-Studios zur Netflix-Doku: „Alle Studios sind unabhängige, kleine Unternehmen, die nicht durch eine Franchise vom Gründer abhängig sind. Vielmehr haben wir uns verpflichtet, seine Methode mit Integrität zu vermitteln“, heißt es in der Mitteilung. Die Kurse würden den Namen „Bikram Yoga“ tragen, weil es eine Marke sei, die über Jahre hinweg aufgebaut worden sei: „Es geht nicht um die Person, sondern um den Yoga-Kurs mit weltweitem Renommee.“
Es ist Sheelagh O’Connor aber auch daran gelegen, zu unterstreichen, dass sie ihre Kurse und ihr Studio mit sehr viel Hingabe führe. Nicht um Profit zu machen, sondern aus Überzeugung an der Methode, wie sie betont. Bikram-Yoga habe nicht nur viele Schüler berührt, sondern auch der eigenen Familie viel gebracht, so die Yogi. „Bikram hat viele Leben verändert, die Methode wirkt!“, fährt sie fort. Der Lehrgang mit Bikram in Arlon sei lange vor der Veröffentlichung der Doku angesetzt worden. Die Studiobesitzer wollen sich demnächst treffen, um über die weitere Vorgehensweise zu beraten.
De Maart
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