Salvini versammelt die Seinen: Europas Ultrarechte beschließen den Wahlkampf in Mailand

Salvini versammelt die Seinen: Europas Ultrarechte beschließen den Wahlkampf in Mailand

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Lega-Chef Matteo Salvini fühlte sich geehrt: Europas Spitzenpolitiker der Ultrarechten versammelten sich am Wochenende zur Abschlusskundgebung des Europawahlkampfs in Mailand. Italiens Vizepremier und Innenminister sonnte sich bei der Vorstellung seiner rechten „Europäischen Allianz der Völker und Nationen“ im Glanz der Gesinnungsgenossen. Viele Mailänder sahen dies indes anders.

Von unserem Korrespondenten Wolf H. Wagner, Florenz

Mehr als 100.000 Menschen sollten den Mailänder Domplatz füllen, hatte der Chef der italienischen Lega, Matteo Salvini, versprochen. Am Ende waren es an diesem regnerischen Samstag gerade etwa 20.000, die gekommen waren, um die versammelten Nationalisten aus Europa zu sehen und zu hören. Der revolutionäre Aufbruch, den Salvini angekündigt hatte, blieb zumindest für diesmal, eine Woche vor den Europawahlen, aus. Ob die verbleibenden sieben Tage reichen werden, eine „Europäische Allianz der Völker und Nationen“ zu schmieden, wird sich am kommenden Wahlsonntag zeigen.

Italienische Journalisten hatten sich unter die auf dem Platz versammelten Anhänger Salvinis begeben und zumindest einige zweifelnde Töne eingefangen. Deren Grundtenor: Wie soll das denn gehen – Italien und die Nation zuerst, dann aber doch Europa? Auf diese Frage konnte keiner der anwesenden Populisten eine Antwort geben: Vom Niederländer Wilders bis zum Slowaken Kollar, von Salvini bis zur Französin Le Pen, alle betonten, dass ihre Völker zuerst kämen, und erst viel später alle anderen. Dies jedoch scheint keine gute Basis für eine Allianz.

Italiens derzeitiger Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini beeilte sich in seiner Rede, darauf hinzuweisen, dass er und seine Lega weder „Ultrarechte noch Extremisten“ seien. Diese, so Salvini, säßen in Brüssel, Paris und Berlin. Es seien die Macron, Merkel und Juncker sowie die Banken um Draghi, die Europa zugrunde richteten. Bei jeder Namensnennung ertönten Pfiffe vom Platz. Die Genannten hätten die Träume der Gründerväter De Gaulle und De Gasperi verraten, hätten ein „Europa der Finanzmächte und der unkontrollierten Zuwanderung“ konstruiert. Militante Töne vom Rednerpult, die an längst vergangen geglaubte Zeiten erinnerten.

Mailand zeigt Widerstand

Die Chefin des französischen Rassemblement National, Marine Le Pen, erklärte, dies sei der Tag, „an dem die souveränen Völker ihre Freiheit gegenüber der Globalisierung zurückgewinnen“. Boris Kollar von der rechtspopulistischen slowakischen Sme Rodina rief dazu auf, „alle Betrüger, Lügner und Geschäftemacher Brüssels auf den Müll zu werfen“. AfD-Chef Jörg Meuthen forderte auf dem Domplatz, endlich eine „Festung Europa“ gegen die Zuwanderung aus Afrika und Asien zu errichten.

Die neue Allianz, so hoffen ihre Gründer, will nach dem kommenden Sonntag die größte Fraktion im Europaparlament stellen.

Das hingegen sehen viele Mailänder und Italiener anders. Die Großveranstaltung auf dem Domplatz sah fast ebenso viele Gegendemonstranten. Beide Lager waren von der Polizei – deren oberster Dienstherr Salvini gerade sein Programm verkündete – strikt getrennt. Dennoch waren Protestchöre und Pfiffe der gegen jegliche Form von Nationalismus Protestierenden auf dem Platz deutlich zu hören.

„Wir bleiben menschlich!“

Ein als „Zorro“ Maskierter ließ von einem Hotelfenster gegenüber dem Dom ein Banner herab mit der Aufschrift: „Wir bleiben menschlich!“ Das Spruchband wurde von Beamten der Geheimpolizei Digos entfernt. Doch die lombardische Hauptstadt hatte den Lega-Chef bereits vor der Veranstaltung mit Tausenden, teils ironischen Spruchbändern empfangen: „Salvini – Du bist nicht willkommen“, „Kein Platz für Faschisten“, „Mehr Brücken, keine Mauern“ – so oder ähnlich war es von vielen Balkons und Fenstern der Stadt zu lesen. Eine Kampagne der Spruchbänder als Antwort auf die von Salvini und seiner Polizei angeordneten Entfernung eines Spruchbandes in der vergangenen Woche.

Der Spitzenkandidat der österreichischen FPÖ, Harald Vilimsky, hatte wegen der Bestechlichkeitsaffäre des FPÖ-Vizekanzlers Heinz-Christian Strache den Auftritt in Mailand abgesagt. Der Rücktritt Straches stürzt das Alpenland in eine tiefe Krise. Die Affäre sollte Salvini Warnung sein. Nicht nur, dass in der vergangenen Woche ein Lega-Staatssekretär ebenfalls wegen Bestechlichkeit aus dem Amt entfernt wurde, noch immer ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die populistische Partei wegen veruntreuter 49 Millionen Euro Wahlgelder. Vorsicht sei also geboten.

Zudem erhöhte der Mailänder Auftritt die Spannungen in der Koalitionsregierung. Partner Luigi Di Maio von der Bewegung 5 Sterne erklärte unumwunden, Italien brauche keine Nationalisten, Ultrarechte gefährdeten nur die Stabilität des Landes. Ohnehin ist der Streit zwischen den Koalierenden auf einem Punkt kurz vor der Explosion der römischen Administration.

Mephisto
21. Mai 2019 - 11.03

Die Rechtspopulisten hätten ein public viewing machen sollen mit dem Strache- Video aus Ibiza.