Dienstag18. November 2025

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Ungeklärter Mord: Bulgariens Journalisten leben gefährlich

Ungeklärter Mord: Bulgariens Journalisten leben gefährlich
Die Leiche von Wiktorija Marinowa war am Samstag in einem Park in der nordbulgarischen Stadt Ruse entdeckt worden

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Wurde die bulgarische TV-Journalistin Wiktorija Marinowa getötet, weil sie über Korruption berichtete? Noch ist der Hintergrund des brutalen Mords nicht aufgeklärt. Sicher ist, dass es nirgendwo in der EU so schlecht um die Pressefreiheit bestellt ist wie in dem Balkanstaat: Bedrängt werden Journalisten nicht nur von der Unterwelt, sondern auch von der Politik.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad/Sofia

Ein grausamer Mord schockiert Bulgarien. Wurde Wiktorija Marinowa zum zufälligen Opfer eines grausamen Verbrechens oder wurde der 30-jährigen Reporterin des privaten TV-Senders TVN ihr Journalistenberuf zum Verhängnis? Alle Spuren würden verfolgt, versicherte am Wochenende ein Sprecher der Polizei in der nordbulgarischen Donaustadt Ruse. Die besten Ermittler des Landes seien auf den Fall angesetzt, verspricht Premier Bojko Borissow das baldige Auffinden des Täters.

Vermutlich war die junge Reporterin am Samstag zur Vorbereitung auf einen Stadtlauf beim Joggen unterwegs, als sie von ihrem Mörder in einem Park mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen, vergewaltigt, erwürgt und ausgeraubt wurde. Nach der Malteserin Daphne Caruana Galizia und dem Slowaken Jan Kuciak ist Marinowa die dritte Journalistin in der EU, die innerhalb eines Jahres zum Opfer eines Mords wurde.

Missbrauch von EU-Fördergeldern

Lange Zeit hatte Marinowa bei dem TV-Sender eine Live-Style-Sendung moderiert, doch vor einigen Monaten die Leitung des Enthüllungsmagazins „Detector“ übernommen. In ihrer letzten Sendung hatte sie zwei Enthüllungsjournalisten aus Rumänien und Bulgarien interviewt, die nicht nur mit ihren Recherchen über den Missbrauch von EU-Fördergeldern durch einen Baukonzern in den letzten Wochen in Bulgarien für kräftig Wirbel gesorgt hatten: Bei dem Versuch, das Verbrennen von Beweismaterial auf einem Feld bei Pernik zu filmen, waren die lästigen Journalisten Mitte September von der Polizei zeitweise verhaftet worden.

Bestürzt haben nicht nur ihre Kollegen, sondern auch die bulgarischen und europäischen Journalistenverbände auf den Tod der TV-Journalistin reagiert. Noch ist der Hintergrund des brutalen Mords an Marinowa nicht aufgeklärt. Sicher ist, dass es nirgendwo in der EU so schlecht um die Pressefreiheit bestellt ist wie in dem Balkanstaat. Im jüngsten Pressefreiheits-Ranking von „Reporter ohne Ranking“ rangiert das EU-Mitglied hinter Bolivien und knapp vor Zentralafrika auf dem 111. Rang. Die Drohungen und Attacken gegenüber Journalisten hätten sich in den letzten Monaten „intensiviert“, konstatierte „Reporter ohne Grenzen“ im August: „Es kann sich als gefährlich erweisen, ein Journalist in Bulgarien zu sein.“

„Politischer Druck“ als „übliches Phänomen“

Tatsächlich sehen sich Journalisten in dem Balkanstaat schon seit Jahren wüsten Drohungen und Attacken ausgesetzt. So wurde der TV-Journalist Dimitar Warbanow Ende September bei Recherchen über die Umverpackung abgelaufener Lebensmittel in einem Lagerhaus in Veliko Tarnovo zusammengeschlagen. Nach Recherchen über die Machenschaften eines Narko-Clans wurde die Lokaljournalistin Marija Dimitrowa in Vratza genauso wie ihr Redaktionsleiter der Zeitung Zovnews von lokalen Unterweltgrößen massiv bedroht.

Mehrmals wurden in den letzten Jahren Journalisten nicht nur wüst verprügelt, sondern auch die Autos bekannter Enthüllungsreporter in Brand gesteckt. Doch nicht nur von der Unterwelt, sondern auch von der Politik fühlen sich bulgarische Journalisten zunehmend bedrängt. „Sie benutzen starke Worte. Das kann Sie Ihr Brot kosten“, schnauzte Anton Todorow von der regierenden Gerb-Partei bei einem Interview im letzten November öffentlich einen Reporter von Nova TV an.

Bei einer Untersuchung zum Zustand von Bulgariens Pressefreiheit im vergangenen Jahr erklärten 92 Prozent der befragten Journalisten, dass „politischer Druck“ ein „übliches Phänomen“ in der weitgehend von schillernden Oligarchen wie Deljan Peewski kontrollierten Medienlandschaft Bulgariens sei.

Grober J-P.
9. Oktober 2018 - 10.16

Was ist mit Malta? Was ist mit Luxemburg in Sachen Pressefreiheit?