Sonntag9. November 2025

Demaart De Maart

Filmfestival: Luxemburger Film verjagt das Publikum

Filmfestival: Luxemburger Film verjagt das Publikum

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

¡Dios mío! Nicht nur der luxemburgische Beitrag beim diesjährigen Filmfestival im baskischen San Sebastián sorgte für gepflegte Langeweile. Da konnten auch Juliette Binoche, Timothée Chalamet und Robert Pattinson nichts retten.

Von Susanne Jaspers

Bei der Eröffnungsgala der Filmfestspiele am Golf von Biskaya war man noch zum Scherzen aufgelegt: „Stellt euch mal vor, die Goldene Muschel geht an einen Film, der nachher auch in die Kinos kommt!“, witzelten die Präsentatoren dem Drehbuch gemäß, das ihnen die Erfolgsautoren des Kinokrachers „Acht Namen für die Liebe“ geschrieben hatten. Im Jahr davor hätte das fast geklappt. Da gewann die Tragikomödie „The Disaster Artist“ von Regisseur und Hauptdarsteller James Franco die Concha de Oro und San Sebastián schien endlich mal ein international erfolgversprechendes Werk gekürt zu haben. Doch wenige Wochen später, in der Nacht, in der Franco auch den Golden Globe als bester Protagonist errungen hatte, holten ihn im Rahmen der #MeToo-Bewegung sexuelle Missbrauchsvorwürfe ein und der als Oscar-verdächtig gehandelte Film samt seinem Schöpfer verschwand in der Versenkung.

Dem einzigen US-amerikanischen Beitrag des diesjährigen Wettbewerbs dürfte dieses Schicksal mangels öffentlichen Interesses erspart bleiben. In der Verfilmung des autobiografischen New-York-Times-Bestsellers „Beautiful Boy“ von David Sheff spielt Steve Carell einen Vater, der an der Drogensucht seines Sohnes verzweifelt. Den verkörpert der seit seiner Oscar-Nominierung für die italienische Schwulenschmonzette „Call Me By Your Name“ gehypte Timothée Chalamet.

Luxemburg mit von der Partie

Während es da noch ganz putzig anzusehen war, wie Chalamet sich mit einem Pfirsich verlustierte, knallchargiert der Nachwuchsmime in dem Familiendrama dermaßen, dass man sich als genervter Zuschauer insgeheim bei dem Wunsch ertappte, der Junge möge sich doch bitte endlich den goldenen Schuss setzen. Im Abspann erhielten die Kinobesucher den wichtigen Hinweis, dass Drogen gefährlich sind. WTF? Wenigstens der Soundtrack (Mogwai, Sigor Rós, natürlich Nirvana usw.) stimmte. Nach dem unverdaulichen „Casanova Variations“ von 2014 war Luxemburg durch die Produktionsgesellschaft Amour fou und den österreichisch-luxemburgischen Beitrag „Angelo“ auch mal wieder mit von der Partie. Leider ließ schon die endlos lange Eröffnungsszene, in der gezeigt wird, wie Sklaven in Booten anlanden und die – Holzhammer! – auf die heutige Flüchtlings- und Migrationssituation verweist, schwere Kost erahnen.

Während der knapp zwei Stunden des in Quadratformat und überwiegend Bühnenoptik gedrehten Streifens wird wenig gesprochen, zu sehen ist aufgrund der düsteren Ausleuchtung meist ebenfalls nicht viel, womit die Zuschauer konsequenterweise auch in Sachen Handlung im Dunkeln tappten – wenn überhaupt von einer Handlung die Rede sein kann. Warum Regisseur Markus Schleinzer manche Szenen seines im 18. Jahrhundert angesiedelten Dramas um einen Mohrensklaven an europäischen Adelshöfen in einer neonbeleuchteten Halle spielen lässt, die an die Tiefgarage des Merscher Cactus erinnert, bleibt wohl sein Geheimnis. Künstlerisch vielleicht wertvoll, aber derart zäh, dass das Publikum scharenweise den Saal verließ.

Binoche beim Sex mit Ex-Vampir

Filmgöttin Juliette Binoche war diesmal in gleich zwei Beiträgen zu sehen. In dem spirituell entrückten japanischen Streifen „Vision“ von Naomi Kawase um im Wind schwankende Bäume, ein seltenes Kraut und naturverbundene Waldbewohner kamen zumindest Ökofreaks auf ihre Kosten (sowie die Firma The North Face, deren Produkte ständig im Bild waren). Irgendwie hatte das was mit Mutterschaft und Geistern zu tun, aber beim unaufhörlichen einschläfernden Blätterrauschen bekamen das viele am Ende nicht mehr mit.

Mochte der Japaner schon ein bisschen abgedreht sein, vollends abgehoben ging es dann bei „High Life“ der französischen Regisseurin Claire Denis zu. Darin fliegt Binoche als durchgeknallte Ärztin mit Robert Pattinson in der Rolle eines schlecht gelaunten Kriminellen ins Weltall, wo der ehemalige Twilight-Star gemeinsam mit anderen Ex-Häftlingen künstlich Kinder zeugen soll. Was erst klappt, nachdem er von Binoche vergewaltigt wurde – ein weiterer Beitrag zu #MeToo mit umgekehrten Vorzeichen? Vielleicht, denn ansonsten blieben Sinn und Anliegen des ziemlich sexlastigen Science-Fiction-Spektakels so undurchsichtig wie das während der Filmhandlung angesteuerte Schwarze Loch. „High Life“ wurde folgerichtig mit dem Fipresci-Preis der internationalen Journalistenvereinigung ausgezeichnet – deren Entscheidungen sind nämlich meist auch unverständlich.

Unentwegt hysterisch schreiende Angehörige nach einer Familientragödie im norwegischen Beitrag, ein sich endlos in die Länge ziehendes chinesisches Sozialdrama über Pflegeeltern, ein südkoreanischer und ein philippinischer Ballerfilm sowie die üblichen iberischen Verdächtigen, die sowieso alle in den nächsten Wochen in den spanischen Kinos (und vermutlich nur da) anlaufen, konnten die mit viel Wohlwollen durchschnittliche Qualität des diesjährigen Festivals auch nicht heben.

Und die Concha ging an…

Dazu musste schon der bereits 2007 verstorbene polnische Journalist und Autor Ryszard Kapuscinski antreten, wenn auch in der Nebenreihe Perlas. Der spanische Film „Un día más con vida“ / „Another Day of Life“ nach dem gleichnamigen Buch Kapuscinskis über seine Erlebnisse im angolanischen Bürgerkrieg 1975 ist ein interessantes – und geglücktes – cineastisches Experiment. Eine Mischung aus Dokumentation und Animationsfilm, in dem die Regisseure Raúl de la Fuente und Damian Nenow heutige und damalige Aufnahmen verbinden, mit surrealen Elementen verweben und das böse Tun fremder Mächte auf dem Schwarzen Kontinent furchteinflößend deutlich werden lassen. Ein historisch hochspannender und ungebrochen aktueller Stoff, der außerdem Lust macht, die Bücher des polnischen Ausnahmereporters wiederzuentdecken – wenn man sie nicht ohnehin schon kannte. Der vielleicht beste Film auf dem diesjährigen Festival erhielt verdient den Publikumspreis.

Brauchen Sie sich nicht zu merken. Mit gleich drei Silbernen Muscheln wurde der schräg-experimentelle argentinische Krimi „Rojo“ ausgezeichnet, für die beste Darstellerin hielt die Jury die Heulboje aus dem norwegischen Familiendrama, einen Spezialpreis bekamen die philippinischen Ballermänner. Der Drehbuchpreis für „Yuli“, die Verfilmung der Autobiografie des kubanischen Tänzers Carlos Acosta, war in Ordnung, den zweiten ex aequo für den französischen Beitrag gab’s wahrscheinlich nur, weil Laetitia Casta und Lily-Rose Depp mitspielen. Tja, und die Goldene Muschel für den besten Film … ging an das spanische Sozialdrama „Entre dos aguas“ über die schwierigen Lebensumstände der einheimischen Gitanos.

Die Entscheidung der Jury unter dem Vorsitz von Alexander Payne gab den Gagschreibern der Eröffnungsgala leider recht: Außerhalb der spanischen Kinosäle (wenn überhaupt) dürfte auch der diesjährige Gewinner kaum einen Verleih, geschweige denn Besucher locken. Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

J.C. KEMP
2. Oktober 2018 - 15.53

Derart versickern also die Steuergelder, die der Filmfonds so grosszügig verteilt.