„Pflegen Sie Ihr menschliches Kapital!“ /VIDEO/

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Gestern haben mehr als 1.200 Metallarbeiter aus neun Ländern in Brüssel gegen den Stellenabbau bei ArcelorMittal protestiert./René Hoffmann

„Die Kundgebung war ein großer Erfolg“, so Verantwortliche des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB). Sie hatten sich nur etwa 400 Teilnehmer erwartet. Aber es waren über 1.200 Gewerkschaftler, die im strömenden Regen durch die Straßen der belgischen Hauptstadt zogen.
Die Demonstranten kamen aus der Tschechischen Republik, Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Polen, Rumänien und aus Luxemburg. Das Großherzogtum war mit einer hundert Mann starken Delegation des OGB-L und des LCGB angereist.
Die Metaller waren mit Pfeifen, Hupen und Plakaten gekommen. Die französischen Metallarbeiter skandierten unter anderem „Mittal profiteur, Sarko menteur“. Die Kundgebung verlief ruhig.

Gegen Stellenabbau

Das Hauptziel der Demo war, gegen die Firmenpolitik von ArcelorMittal zu protestieren. „In Zeiten, wo die Firmen starke finanzielle Strukturen benötigen, ist es unverantwortlich, nur die Interessen der Aktionäre zu berücksichtigen. In Krisenzeiten darf der Mensch nicht auf dem Altar des Profits geopfert werden“, so Peter Scherrer, Generalsekretär der EMB, vor den Demonstranten.
„Wir wollen eine klare Nachricht an Lakshmi Mittal senden, dass wir keinen Stellenabbau dulden“, warnte Nico Cué, Generalsekretär der MWB-FGTB (Belgien).
Ein Gewerkschaftler erinnerte daran, dass ArcelorMittal weltweit über 9.000 Stellen abbauen wolle. „Aber es geht nicht nur um die Arbeitsplätze bei ArcelorMittal. Wenn ein Stahlgigant seine Aktivitäten reduziert, leiden auch die Zulieferfirmen. So sind über 15.000 Stellen in Gefahr.“
Das Unverständnis über die Stellenstreichungen ist groß, zumal ArcelorMittal immer größere Gewinne macht und erklärt, die europäischen Fabriken seien rentabel.
Angesichts der drohenden Rezession und der steigenden Arbeitslosenzahlen braucht Europa eine nachhaltige Sozial- und Industriepolitik, um das Vertrauen in die Wirtschaft zu gewährleisten und die Nachfrage anzukurbeln. Nur so kann man Arbeitsplätze sichern. Innovation und neue Technologien spielen bei der nachhaltigen Entwicklung des Stahlsektors eine bedeutende Rolle, so der EMB.
Der Gewerkschaftsbund fordert, dass ArcelorMittal wieder mehr in das menschliche Kapital anstatt in die Dividenden der Aktionäre investiert. Unter anderem wird verlangt, die Ausbildung und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das Personal soll an den Gewinnen der Firma beteiligt werden. Schließlich besteht auch großer Nachholbedarf, was den Sozialdialog anbelangt. „Die Direktion spricht gar nicht mehr mit den Gewerkschaften. Das muss sich drastisch ändern“, so Peter Scherrer.

 3 FRAGEN AN Alain Kinn

Tageblatt: Sind Sie mit der Protestkundgebung in Brüssel zufrieden?
Alain Kinn: „Wenn man bedenkt, dass der EMB nur zwei Wochen Zeit hatte, um diese Demo vorzubereiten, kann man getrost von einem Erfolg reden.
Wir wollten ein Signal setzen. Der Abbau von über 6.000 Arbeitsplätzen in Europa ist nicht gerechtfertigt, wenn man die Resultate der Firma berücksichtigt. Der Gewinn vor Steuern und Abschreibungen betrug letztes Jahr 24,7 Milliarden Dollar. 2007 bezifferte er sich auf nur 24,2 Milliarden. Die Wut des Personals ist berechtigt.“
„T“: Was wirft der EMB ArcelorMittal vor?
A.K.: „Der Metallerbund versucht seit Wochen vergeblich, eine Unterredung mit Lakshmi Mittal zu bekommen. Der Firmenchef schickt lediglich seine zweite Garde vor.
Aber wir wollen mit Mittal über seine Politik reden, hohe Dividenden ausschütten zu wollen und parallel Stellenabbau zu betreiben.
Es gilt, sich auf die Zeit nach der Krise vorzubereiten. Wenn man jetzt qualifiziertes Personal abbaut, fehlt dieses einem, wenn die Konjunktur wieder anzieht.“

„T“: Wie schätzen Sie die Lage in Luxemburg ein?
A.K.: „Die augenblickliche Situation ist undurchsichtig. Wir wissen nur, dass 400 Stellen auf ’natürliche‘ Weise verschwinden sollen. Es gibt keine definitiven Pläne was die Anlagen betrifft. Deshalb haben wir ein Dringlichkeitstreffen mit Arcelor-Generaldirektor Michel Wurth beantragt. Wir wollen ihm dann auch unsere Enttäuschung mitteilen über die Nichteinhaltung von Versprechungen, unter anderem was die Ausbildung und den Sozialdialog anbelangt.
Die Ausarbeitung eines Planes (Lux 2011) durch die Stahltripartite ist gut, aber er reicht nicht. ArcelorMittal muss uns erklären, wo genau sie die angekündigten 75 Millionen Euro in Luxemburg investieren will.“
rh