Als der „Tiger“ auf die Bühne kommt, ist eines sofort klar: Mit 69 Jahren steht er endlich zu sich selbst. Bis vor kurzem achtete er noch geflissentlich darauf, nicht als „Oldie“ abgestempelt zu werden und färbte sich die Haare dunkel. Sonst sähe er aus wie Santa Claus, gestand er vor ein paar Monaten erst in einem Interview. Von dem Aufwand hat er jetzt Abstand genommen, trägt seine Haare auf dem Kopf und am Kinn grau, wie sie sind und lässt damit Fünfe gerade sein. Kann er auch. Jackett und Hose sitzen immer noch auf Figur und das obligatorische protzige Goldkreuz hängt da, wo es hingehört. Um den Hals. Und aus dessen Tiefe zieht seine unverkennbare und voluminöse Stimme ihre Kreise durch die Halle.
Gutes Gefühl für Entertainment
Was sie und der Mann dahinter alles bewirken können, sollte sich nur kurze Zeit später zeigen. Genauso wie sich dann die Annahme, Tom Jones verdiene eine Komplettbestuhlung, als Fehlkalkulation der Veranstalter erwies. Seine Anziehungskraft auf die weiblichen Fans ist nach wie vor und trotz so mancher Häme ungebrochen. Und diese Frauen – übrigens aus allen Altersklassen – wollen nicht sitzen bleiben, sondern mitmachen.
Die Zutaten, aus denen das Phänomen Tom Jones gemixt ist, sind so einfach wie wirkungsvoll: Talent und ein Gespür für Entertainment, mit dem sich Karriere machen lässt, Charisma und dieser Sex-Appeal, der ihm den Beinamen „the tiger“ eintrug. Mittlerweile kokettiert er damit. „69 Jahre bin ich alt, das ist ’ne Hausnummer, oder?“ Steht ihm auch nicht schlecht.
Wie gut sein Gefühl für Entertainment ist, zeigte sich gleich zu Beginn. Es gehört zum Selbstverständnis von Künstlern dieser Generation, dass man eine Vorgruppe ins Feuer schickt, um das Publikum vorzuglühen. So fand man sich vor Florence Rowlings und Band – wer ist das überhaupt? – wieder, die zwar eine gute Stimme hat, süß aussieht und ein süßes, kurzes Kleidchen trug, aber ansonsten inmitten einer zudem noch steril wirkenden Akustik nicht viel daher machte. Mit Standbein-Spielbein-Wechsel in den glitzernden High Heels und schwingenden Armen à la Duffy, die auch nicht tanzen oder sich zu ihrer Musik bewegen kann, ist kein Blumentopf zu gewinnen.
Mit einem vor Vitalität strotzenden, ein wenig Las-Vegas-Glamour auf die Bühne zaubernden und geschickt an alte Erfolge anknüpfenden Tom Jones sieht die Sache da gleich ganz anders aus. Er zeigte dem jungen Kücken, wo der Bauer den Most holt und spätestens bei „Delilah“ als viertem Song hatte er das Publikum im Griff. Da flogen früher die Unterhosen, was die Neider spotten ließ, er könne auch als Dessous-Vertreter gehen. Heute lösen sich dann die ersten weiblichen Fans von ihren Sitzen und singen und tanzen neben denselben eifrig mit. Thomas Jones Woodward, wie der Sänger bürgerlich heißt, sieht’s und schickt einen erhobenen Daumen von oben als Kompliment herunter. Das will er, deswegen tritt er immer noch auf.
Da juckt es in den Beinen
Als es dann nach den Akustik-Versionen von „What’s New Pussycat“ oder „The Green, Green Grass Of Home“ an das Talking-Head-Cover „Burning Down The House“ geht, wird es auch ihm zu warm. Dieses Mal fliegt sein Jackett und vor „Sexbomb“ wird sogar das Hemd mal schnell gewechselt. So sehr hat er mal wieder alles gegeben. Da haben sich die Sitzreihen mittlerweile merklich geleert und vor der Bühne wird ausgelassen getanzt. Sehr zum Unmut der Security-Leute, die sich besorgt nach dem Rechten schauend immer wieder den Weg durch die Fans bahnen.
Als dann noch die Hymne „She’s a lady“ erklingt, gibt es kein Halten mehr. Da rast die Rockhal vollends vor Begeisterung, Arme gehen hoch und überall strömen die Fans auf die Gänge – zu sehr juckt es da doch in den Beinen. Danke Tom! Jetzt wissen wir, warum du dich im schnelllebigen Showgeschäft so lange und gut gehalten hast!
De Maart
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