LUXEMBURG – 4. Januar 2009: Auf der N10 in Stadtbredimus stoppt die Polizei einen Wagen, der mit überhöhter Geschwindigkeit fährt. Der Fahrer erklärt, er müsse schnellstmöglich den Krankenwagen in Remich abholen, um anschließend wegen dringlicher Hilfeleistung eine Frau in Grevenmacher zur Klinik zu bringen. Jede Minute zählte und er hatte immerhin noch sechs plus 22 km zu fahren.
Doch die Polizei ließ die Entschuldigung nicht gelten, zog den Führerschein sogleich ein und hinderte den Mann an der Weiterfahrt.
Fahrer war schon vorbestraft
Seine Freundin übernahm also das Steuer und hielt sich an die 50-km/h-Grenze. Die Polizeikontrolle nahm eine gewisse Zeit in Anspruch, und als der Krankenwagen schließlich in Grevenmacher eintraf, war die Frau tot.
Ob der Tod aufgrund der Verzögerung eingetreten war, oder ob die Frau sowieso verstorben wäre, steht beim vorliegenden Prozess gegen den Krankenwagen-Fahrer nicht direkt zur Debatte.
Doch es geht ums Prinzip, und Anwalt Gérard Schank, dessen Klient in erster Instanz vom Polizeigericht freigesprochen worden war, dessen Prozess aber dann vom Zuchtpolizeigericht annulliert wurde, er nun gestern also zum dritten Mal vor dem Kadi stand, stellte die grundlegende Frage: Was ist wichtiger, der Versuch, ein Menschenleben zu retten oder einen hypothetischen Unfall durch Übergeschwindigkeit zu provozieren, wobei doch gerade jene Strecke, auf der der Fahrer gestoppt wurde, übersichtlich und niemand gefährdet gewesen sei.
Dass die Mühlen der Justiz übrigens nach dem ersten Urteil weitergemahlt hatten, ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass der Beschuldigte bereits am 15. Oktober 2007 wegen Übergeschwindigkeit in einer Ortschaft zu 225 Euro Strafe verdonnert worden war.
Eine zweite Verfehlung dieser Art, also eine erneute Zuwiderhandlung, stellt ein Delikt innerhalb von drei Jahren (gemäß neuem Gesetz) dar und bedingt somit eine Verhandlung vor dem Zuchtpolizeigericht und nicht vor dem Polizeigericht.
Eine mögliche Bestrafung seines Mandanten, so Me Schank, sei ein Affront gegenüber dem Opfer. Er fordert Freispruch.
Die Staatsanwaltschaft hielt sich gestern relativ bedeckt. Sie meinte einerseits, dass die Übergeschwindigkeit ein Risiko geschaffen habe, dass aber andererseits der Beschuldigte voll guten Willens war und helfen wollte.
Sie fordert deshalb eine Verurteilung zu einer symbolischen Geldstrafe. Doch damit ist das Problem an sich nicht gelöst. Denn die Richterin wird jetzt den grundsätzlichen Entscheid treffen müssen, ob es rechtens ist, mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren, wenn ein Mensch dringend Hilfe benötigt, oder nicht. Das Strafmaß an sich ist eigentlich Nebensache. Das Urteil wird am 16. Februar gesprochen.
Romain Durlet
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