Claude Wolf
Der Vergleich mit der Polizei gefällt ihm. Besonders in der doppelten Überwachungs- und Helferfunktion. „Wir wollen nicht nur überwachen und strafen, sondern auch begleiten und beraten“, sagt der elegante Herr im grauen Anzug. Auf den ersten Blick wirkt er eher diskret, vermittelt den Eindruck, gut zuhören zu können. Seine Sprache jedoch ist klar, seine Beispiele anschaulich.
Der Knackpunkt der Krise
Seine Aufgabe an der Spitze der 340 Mitarbeiter starken Überwachungsbehörde hat er knapp sechs Monate nach der Finanzkrise übernommen, zu einem Zeitpunkt, an dem es an Kritik und Debatten über die Mitverantwortung der Kontrollbehörde nicht fehlte. Neuland hat der studierte Jurist und langjährige Finanzspezialist jedoch nicht betreten, vor seiner Amtsübernahme hatte er elf Jahre lang den Rat geleitet, der der kollegialen Direktion der Finanzaufsichtsbehörde übergeordnet ist.
Dieser Rat, in dem Regierungsbeamte und Bankenvertreter sitzen, hat rein budgetäre Aufgaben, darf nicht in die Aufsichtsarbeit der Behörde eingreifen.
Finanzkontrolle und Regulierung sind Bausteine in Jean Guills Karriere. Nach seinem Studium in Straßburg, wo er in Jura und Öffentliche Finanzen promovierte, kam er 1974 zum damaligen Bankenkontrollkommissariat.
Dessen Zuständigkeiten hatten sich zwei Jahre früher, mit dem Gesetz über die Investmentfonds, wesentlich vergrößert. Mit an vorderster Front war Jean Guill auch 1983 bei der Gründung des „Institut monétaire luxembourgeois“ IML, das damals nach der (für Luxemburg unfreiwilligen) Abwertung des belgischen Francs gegründet wurde. „Durchaus schon mit dem Auftrag, die Währungsunion vorzubereiten“, sagt der damalige Präsident des Instituts.
In dieser Eigenschaft hat er die Gründung der 1998 geschaffenen Zentralbank begleitet, bevor er im Finanzministerium von Yves Mersch das Amt des Direktors des Schatzamts übernahm.
„Aus diesem Gesichtspunkt heraus hatte ich bis dahin die Staatsfinanzen noch nicht kennengelernt“, sagt Guill über seine beruflichen Etappen durch Kontrolle, Verwaltung und Zentralbank. Dazu kommen, wie bei allen Regierungsbeamten, zahlreiche internationale Pflichten. 26 Jahre lang hat Jean Guill Luxemburg im „Comité monétaire“ der Europäischen Gemeinschaften vertreten.
Diese langjährige Erfahrung hat dem Spezialisten den Wechsel zweifellos erleichtert. Sechs Monate nach dem Beginn der Krise war die Behörde mitten im Wandel.
„Ihre Rolle hat sich verändert, weil die Akzente anders gesetzt wurden. Es wurde mehr Kontrolle verlangt, sowohl in den Banken selbst als auch in den Gesellschaften. Die Qualität unserer Kontrolle ist das Gütesiegel des Finanzplatzes. Daran messen uns unsere Konkurrenten. Mit der für 2011 angestrebten Harmonisierung der Europäischen Aufsichtsbestimmungen wird sich wiederum viel verändern.“
Jean Guill ist offensichtlich in seinem Element.
Unaufgeregt, klar und deutlich spricht er von den Kosten der vom Finanzsektor finanzierten Behörde und ihren Pflichten. Als Regulierer darf sie Betriebe verwarnen, suspendieren und im Extremfall sogar schließen, darf aber nicht in die Rolle des Richters schlüpfen und verurteilen.
Genau wie die Notenbanken werden die Aufsichtsbehörden ab 2011 zusammenrücken und unter einer gemeinsamen Institution funktionieren. Banken, Finanzmärkte sowie Versicherungen und Pensionen werden nach dem gleichen Schema harmonisiert. Die Befürchtung, dass dies auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner erfolgen könnte, wehrt Jean Guill ab.
„Die Krise hat eine gewisse Eigendynamik vorangetrieben. Es wird nicht bei minimalistischen Verhaltensregeln bleiben, wenn alle gleich arbeiten. Über kurz oder lang wird sich daraus eigenes europäisches Recht entwickeln.“ Als Beispiel zitiert er die systemrelevanten europäischen Banken mit einem starken Mutterhaus und Töchterbanken auf allen europäischen Finanzplätzen.
Während die Geschäfte und Gewinne jeweils zentral zusammenlaufen, bleiben bei Schwierigkeiten die einzelnen Länder für die Rechtslage bzw. die Rechtsprechung der Töchter zuständig.
„Wir müssen uns als Regulatoren austauschen können, um den Überblick zu haben“, so Jean Guill und wird dann noch deutlicher: Was passiert, wenn eine Bank Konkurs anmelden muss?
„Es wäre für uns einfacher, wenn die Banken europäische Gesellschaften gründen würden. Leider passiert das äußerst selten“, bedauert der Regulator.
In der Zukunft wird es anders sein
Jean Guills Ausblick geht noch weiter. Die starke Intervention der einzelnen Staaten und der Rückgriff auf Steuergelder zur Rettung der Banken werde es im Fall einer neuen Krise nicht nochmals geben.
Deshalb müsse über Regeln für eine „saubere Liquidierung ohne staatliche Intervention“ nachgedacht werden. „Eine Bank darf auch sterben, wenn sie in der bestehenden Marktordnung nicht mithalten kann.“ Für den Fall müsse es Richtlinien und Regeln geben, wie die Interessen der Anleger gewahrt und ihre Einlagen gerettet werden können.
Obwohl der Regulator weiß, wie schwierig es ist, das Vertrauen der Anleger zu behalten oder wiederzugewinnen, warnt er vor komplizierten Finanzverschiebungen und buchhalterischen Kniffen. Lieber ist ihm die vorsichtige luxemburgische Art und Weise, die Rückstellungen erlaubt und empfiehlt.
„Wir sind keine Vollkaskogarantie für den Finanzplatz, selbst wenn die massive Hilfe des Staates bei der letzten Krise diesen Eindruck erwecken konnte.“
De Maart
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