Mittwoch5. November 2025

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Der Index als Sündenbock

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„Wettbewerbsfähigkeit“ ist das derzeitige Reizwort. Ihre Verbesserung soll jetzt als Rechtfertigung für den Sozialabbau, genauer gesagt für die Verstümmelung des Index herhalten. Auch die OECD schlägt in ihrem gestern veröffentlichten Bericht über die wirtschaftliche Lage des Landes vor, den Index so zu ändern, wie es der Premierminister bereits vorgeschlagen hatte. Na so eine Überraschung!

In diesem Bericht wird der Eindruck erweckt, der Rückgang der Wettbewerbsfähigkeit werde alleine von den steigenden Lohnkosten bestimmt – also genau die Vereinfachung, die man seit Wochen hierzulande hört.

„Wir sind nicht mehr wettbewerbsfähig; schuld daran ist der Index, also muss der Index weg“, lautet das neue Dogma des Patronats und der Wirtschaftsliberalen in der Regierung. Die Botschaft erscheint von einer solch einfachen, aristotelischen Logik, dass sie einfach wahr sein muss.

Aber auch wenn die Aussage formal stimmt, heißt das noch lange nicht, dass auch die Inhalte und die Schlussfolgerung richtig sind. Wo steht geschrieben, dass Luxemburg nicht mehr wettbewerbsfähig ist? L

iest man den Bericht von 2009 des „Observatoire de la compétitivité“ (ODC) zur Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs, so muss man nicht notgedrungen zu diesem Schluss kommen. In den in diesem Bericht erwähnten Rating-Listen schneidet Luxemburg jedes Mal anders ab.

Hat sich unsere Wettbewerbsfähigkeit 2008 laut den Indikatoren der EU-Kommission um zwei Plätze verschlechtert, verbessert sie sich laut der Analyse des Weltwirtschaftsforums um vier Plätze. Was die Fähigkeit angeht, die Krise schnell zu überwinden, liegt Luxemburg laut einem Bericht des „International Institute for Management Development“ weit vor seinen Nachbarn.

Neben bekannten Analysen stellt das ODC auch einige unbekanntere Bewertungen vor, in denen das Ländchen, je nach Kriterien, mal gut, mal weniger gut abschneidet. Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Obwohl der Begriff täglich benutzt wird, scheiden sich die Geister darüber, was „compétitivité“ eigentlich bedeutet.

Laut dem US-amerikanischen Wirtschaftsprofessor Paul Krugman ist es nur ein anderes Wort für Produktivität. In diesem Sinne verstehen es auch die Arbeitgebervertreter. Der Wirtschafts- und Sozialrat gibt eine komplettere Definition. Für diesen ist es die Fähigkeit eines Landes, den Lebensstandard seiner Einwohner nachhaltig zu verbessern und ihnen einen hohen Grad an Beschäftigung und sozialem Zusammenhalt zu gewähren und gleichzeitig die Umwelt zu bewahren.

87 Indikatoren

Das ODC hat zehn Kategorien mit insgesamt 87 (!) Indikatoren aufgestellt, welche die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den anderen EU-Ländern bestimmen. Die Arbeitskosten stellen nur einen dieser Gradmesser dar.

Niemand bestreitet, dass die Arbeit hierzulande teuer ist. Aber ist das Land allein deswegen nicht „kompetitiv“? Anders gefragt: Wird alles gut, wenn man den Index manipuliert oder abschafft? Wohl kaum. Etliche der 87 Indikatoren zeigen, dass wir in diesem oder jenem Bereich an Leistung verloren haben.

Die Liste der roten Bereiche ist lang. Als Beispiel sei der Arbeitsmarkt genannt, wo der Beschäftigungsanteil der Arbeitnehmer, die älter als 55 Jahre sind, 2008 unter dem EU-Durchschnitt lag.

Sehr schlecht steht es um die Bereiche „Umwelt“ und „Wissensgesellschaft“. Es gibt also genug Schrauben, an denen man drehen kann, um die heiß begehrte „compétitivité“ zu steigern. Nicht zu vergessen, dass sozialer Zusammenhalt und sozialer Frieden auch Bestandteile der Wettbewerbsfähigkeit sind, Faktoren, zu denen der Index viel beiträgt.

Claude Molinaro
[email protected]