Donnerstag6. November 2025

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B(r)icherhaff

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„Unsere öffentlichen Bibliotheken sind (...) die wichtigsten Vermittler von Kulturwerten, die Drähte, die direkt aus den großen Kulturzusammenhängen das Wesentliche zu uns herüberleiten müssen. Sind diese Drähte schadhaft, so gibt es keine Kontakte, und wir hocken außerhalb der Welt. Und diese Drähte sind schadhaft: Unsere öffentlichen Bibliotheken sind kläglich ausgestaltet“, klagte Frantz Clément im August...

Heute, fast hundert Jahre später, hat sich an der kläglichen Situation der öffentlichen Bibliotheken in Luxemburg so gut wie nichts geändert. Ebenso wenig wie an der Wichtigkeit dieser Institution – trotz Digitalisierung.

Luxemburg hinkt im Bibliothekswesen auf europäischer Ebene weit hinterher. Nehmen wir die Nationalbibliothek: chronischer Platzmangel, Auslagerung ganzer Bestände in Zweigstellen, unfreundliche, viel zu kleine Lesesäle und Horrormeldungen über den Schimmelbefall von wertvollen Büchern – der Kampf für ein neues, modernes und vor allem funktionsfähiges Gebäude wird seit Jahrzehnten geführt.

Jüngst machte der LSAP-Abgeordnete Ben Fayot mit einer parlamentarischen Anfrage (27. Januar 2010) an Bautenminister Claude Wiseler erneut Druck. Die Antwort (19. April 2010) war nichts weiter als eine Vertröstung. Weder eine konkrete Standortbestimmung noch konkrete Zeitangaben, nur Hypothesen und die Instrumentalisierung der Krise als Grund für Investitionsstopps. Eine „never ending story“, so scheint es.

Und dann, am 5. Mai, heißt es auf einmal von Jean-Claude Juncker persönlich: „Mir brauchen eng nei Nationalbibliothéik. Ee Land, dat eppes op sech hält, däerf seng Bicher an domat e Stéck vu senger Vergaangenheet net vermuuschte loossen.“ Der Bau einer neuen Nationalbibliothek war die einzige kulturelle Investition, von der Juncker in seiner Rede zur Lage der Nation sprach. Und zwar mit konkreten Angaben. Standort: Kreuzung Bricherhaff auf Kirchberg. Baubeginn: 2014.

2014 ist Wahljahr

Auch wenn diese klaren Worte, vor allem nach dem bisherigen Zögern von Seiten der Regierung, positiv zu werten sind, sollten alle Bibliotheksverfechter von Luftsprüngen dennoch wohl erst einmal absehen. Denn warum kann mit dem Bau erst 2014 begonnen werden? Der Bauplatz gehört dem Staat und steht frei. Sobald die Baupläne fertig sind, könnte doch sofort gebaut werden.

Nun ja, 2014 ist Wahljahr … Und da macht es sich wohl schick, sich als Politiker mit dem ersten Spatenstich abbilden zu lassen. Doch bis dahin kann noch viel Wasser die Kellerwände, pardon den Bach, hinunterfließen.

Eine Nationalbibliothek ist kein Thema für wahltaktische Versprechen. Denn sie ist zentraler Wissensspeicher eines Staates. Neben dem kulturellen Gedächtnis eines Landes sind Bibliotheken wichtige demokratische Bildungseinrichtungen. Ihnen steht in der wachsenden Informations- und Wissensgesellschaft eine Schlüsselrolle zu, nicht nur für die Aufbewahrung, sondern auch für den Austausch von Information und Wissen, um diese für alle Bürger verfügbar zu machen.

Eine moderne Bibliothek tritt zudem als vollwertiger Mitspieler in der digitalen Welt auf. Das bedeutet – neben der Erstellung von digitalisierten Dokumenten – die effiziente Vernetzung von Bibliotheken auf nationaler und internationaler Ebene: Die Bibliothek des 21. Jahrhunderts sollte zur Entwicklung eines nationalen und globalen Wissensaustausches beitragen. Diese Aufgabe sollte man nicht alleine Google überlassen.

Eine funktionsfähige Nationalbibliothek ist kein Luxus. Deshalb ist zu hoffen, dass die veranschlagten vier Jahre Planung auch wirklich effizient und zukunftsorientiert genutzt werden. Denn der Neubau der Nationalbibliothek sollte als Chance begriffen werden.

Als Chance, keine Kompromisse einzugehen und ein Gebäude zu bauen, das nicht nur für die Gegenwart steht, sondern vor allem Weichen für die Zukunft stellt. „A library is a growing organism“, heißt eine der fünf goldenen Bibliotheksregeln, die der indische Bibliothekar S.R. Ranganathan bereits 1931 festlegte.

Deshalb ist ein wichtiger Punkt, langfristig zu planen und Anbaumöglichkeiten bereitzuhalten, damit in wenigen Jahrzehnten die „never ending story“ nicht wieder von vorne losgeht.

Janina Strötgen
[email protected]