Sonntag9. November 2025

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Es gibt Alternativen

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„Eigentum ist Diebstahl“ behauptete der französische Soziologe Pierre-Joseph Proudhon 1844 in seinem Werk „Qu’est ce que la propriété?“ und meinte damit den Besitz der Produktionsmittel, die zur Ausbeutung führen. In seinen Schriften entwarf er eine Gesellschaftsform, die man zwischen Kapitalismus und Staatssozialismus ansiedeln kann.

Die ihm vorschwebende Organisationsform gründete auf dem Prinzip des Mutualismus, was vereinfacht nicht mehr bedeutet, als sich gegenseitig zu helfen. Proudhon wurde später als Vater des Anarchismus bekannt.

Dass dieser Begriff mit der Zeit eine ausschließlich negative Konnotation erhielt (es erging den Anarchisten damit wie den germanischen Vandalen), erklärt wohl, dass einige Theorien in der breiten Öffentlichkeit nicht weiter bekannt sind.

Die Idee jedoch, dass Genossenschaften und Mutualitäten als Organisationsformen der Wirtschaft fungieren können, erlebte in den vergangenen zwanzig Jahren unter dem Namen Solidarwirtschaft eine Renaissance.

Als der OGBL mithalf, das „Objectif Plein Emploi“ zu gründen, wurden alte gewerkschaftliche Ideen re-aktualisiert. (In Luxemburg existierte schon Anfang des 20. Jahrhunderts eine gewerkschaftliche Selbsthilfe, wie z.B. die Kooperativen.)

Die Gewerkschaft wollte keine reine Lohnforderungsmaschine sein, sondern aktiv an der Lösung von Problemen mithelfen. „Warum sollte es nicht möglich sein, dass wir als Gewerkschaft oder Zivilgesellschaft auch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unsere Verantwortung übernehmen?“, sagte der frühere OGBL-Präsident John Castegnaro in einem Tageblatt-Gespräch.

Dritter Pfeiler der Wirtschaft

Die Solidarwirtschaft versteht sich als dritter Pfeiler neben der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand. Ihr Angebot richtet sich nach den Bedürfnissen der Menschen, nicht nach dem größtmöglichen Profit. Sie widerspricht damit dem Wirtschaftstheoretiker Milton Friedman, der einst behauptete, die einzige soziale Verantwortung der Betriebe sei es, Profit zu machen.

800 Menschen haben in Luxemburg mittlerweile ein Einkommen dank der Beschäftigungsinitiativen der „économie solidaire“. Weil sie allerdings Gelder vom Staat erhalten, werden sie von Patronatsorganisationen als unfaire Konkurrenz angeklagt. Würde der sogenannte „erste Arbeitsmarkt“ die schwer vermittelbaren Arbeitslosen jedoch einstellen, bräuchte es diese „unlautere“ Konkurrenz gar nicht zu geben. Und jeder, der schon mal einen Handwerker für eine kleine Reparatur zu Hause benötigte, weiß, wie lange man warten muss, bis sich ein qualifizierter Handwerker endlich mal bemüht, vorbeizukommen. Von Konkurrenz kann also keine Rede sein, denn die Bedürfnisse, welche die Beschäftigungsinitiativen abdecken, werden von den Betrieben des „freien Marktes“ überhaupt nicht wahrgenommen.

Implizit sprechen die Arbeitgeber den Angestellten von Beschäftigungsinitiativen mit ihrer Kritik sogar das Recht auf Arbeit ab. Da gelten auf einmal die von ihnen so oft gelobten fundamentalen Freiheiten nicht mehr.

In der aktuellen Regierung wurde ein Ministerposten für die Solidarwirtschaft geschaffen, ein absolutes Novum. Die im Regierungsprogramm angekündigte Arbeitsgruppe, die sich mit der Finanzierung der Solidarwirtschaft befassen soll, hat Minister Schneider zufolge ihre Arbeit schon aufgenommen.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Maßnahmen nicht nur symbolischer Natur bleiben, denn sie könnten wahre Alternativen für den angespannten Arbeitsmarkt darstellen. Und wer weiß, vielleicht entsteht ja in Luxemburg so etwas wie ein dritter Weg. Aber, Goethe paraphrasierend heißt es doch wohl: „Es träumt der Mensch, solange er lebt.“

Claude Molinaro
[email protected]