Dann hätte Luxemburg dem Herrn Barroso, diesem schwächsten aller bisherigen Kommissionspräsidenten, im November 2009 für 2010 ein Budgetdefizit von 4,8% melden müssen, weil ein solches vom Statec errechnet worden war. Barrosos Dienststellen wären prozedurgemäß gegen Luxemburg eingeschritten: Schaut, dass ihr das Minus auf 3% runterkriegt; baut euren Sozialstaat ab, erhöht die Steuern.
Die Tripartite à la luxembourgeoise bräuchte es in diesem Szenario überhaupt nicht zu geben. Roma locuta, causa finita, Rom sprach, die Sache ist erledigt, sagten die Alten. Brüssel locuta, causa finita? Kein Sozialdialog mehr? Nirgends in EU-Europa?
Auch nicht in Luxemburg? Alle EU-Europäer, die Musterschüler (wie Luxemburg) und die wirklich großen Defizitsünder (wie Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, England) und die, in der Summe für das System ungefährlichen, kleinen Konto-Überzieher (wie Griechenland und Portugal) zum Sparkurs gezwungen? Auf Kosten des Salariats?
Herr Frieden konzipierte das radikale Umverteilen von unten nach oben aufgrund des 4,8%-Defizits, das für ihn noch Gültigkeit hatte, als die Indikatoren schon in die gute Richtung wiesen.
Es war ihm bekannt, dass die Steuereinnahmen nach dem ersten Trimester 2010 weit über den Schätzungen lagen. Er ließ sich einreden, was zu ihm, diesem ängstlichen Menschen, passt: Nur kein Risiko, bleibe auf deinem Kurs, wer weiß, wann die zweite Bankenkrise kommt …
Dafür, für diese Einschätzung der wirtschafts- und finanzpolitischen Großwetterlage, werden wir nun zur Kasse gebeten.
Dafür, wegen Herrn Friedens Sicherheitsbedürfnis, nicht wegen der tatsächlichen Lage des Landes, dieaus EU-europäischer Sicht außerordentlich gut ist:Wenig Schuld, nur 2,1% statt 4,8% Budgetdefizit, unddazu, wie einen Bonus, satte 3% Wirtschaftswachstumin 2010.
Wir gingen mit dem furchtsamen Finanzminister, der, als gewiefter Rechtsanwalt, beim Sprung über seinen Schatten lieber drei Netze unter sich hat als keines, gerne die Diskussion ein über mittel- und langfristige Risiken, die es ja nicht nur im politischen Geschäft gibt, sondern in allen Branchen.
Warum hält er, bei einem Defizit-Risiko von 2,1%, an den Maßnahmen fest, die vielleicht, bei einem Defizitrisiko von 4,8%, vertretbar gewesen wären?
Weil er auftrumpfen möchte? Wie Werner, Santer und Juncker in den guten Zeiten? Die Überschüsse an ihre Klientel verteilen konnten, ohne die Folgekosten zu rechnen?
Seine Aufgabe, die Aufgabe des jetzigen Finanzministers, ist keine einfache.
Sie besteht aber nicht darin, uns allen einen Sparkurs zu verordnen, der ihn, den Herrn der Steuergelder, vor dem politisch eventuell unguten Mali schützt.
Sie besteht darin, dem Staat das Geld bereitzustellen, das er braucht, um seinen Verpflichtungen gerecht zu werden. Zu denen gehören nun einmal die sozialen Transfers!
Diese Rede mag Herr Frieden nicht hören. Er verweist, seinem Wesen gemäß, auf die Gefahren, die Luxemburg möglicherweise drohten, wenn die Finanzgewaltigen der Erde dies und das täten.
Wes Geistes sind sie?
Man höre doch nicht mehr auf die Jeremiade. Man einige sich wieder darauf, was die Ur-Tripartite so erfolgreich machte: den allem übergeordneten Willen zur Wahrnehmung der Chancen Luxemburgs und, aufgrund der Chancen, den Willen zum Konsens.
Ist zu diesem Konsens ein antigewerkschaftlich eingestimmtes Patronat noch bereit?
Ein Patronat, das den Wirtschafts- und Sozialrat bereits verlassen hat und den Index vernichtet wissen will?
Wes Geistes sind die, welche neuerdings in den Arbeitgeberverbänden das Wort führen?
Alvin Sold
[email protected]
De Maart
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