Tony Hawk ist groß gewachsen, hager – so war er von Kindesbeinen an. Der 42-Jährige hat die Skateboard-Szene revolutioniert und sich selbst zur Legende gemacht. Seit Anfang Juli ist der US-Amerikaner für seinen Kleider-Sponsor Quiksilver auf Europa-Tournee: Berlin, Rom, Barcelona, Brighton. Beim Zwischenstopp in Winterthur bei Zürich nahm sich der Ausnahmesportler Zeit für ein Exklusiv-Interview mit dem Tageblatt.
David Thinnes
Seine Karriere nahm einen rasanten Verlauf: Als er acht war, schenkte ihm Bruder Steve das erste Skateboard, mit zwölf Jahren wurde er Profi bei Dogtown Skateboards, der Firma Nr. 1 dieser Zeit, mit 16 Jahren war er der beste Skateboarder der Welt, mit 17 kaufte er sein erstes Haus, mit 19 das zweite, mit 24 gründete er seine erste eigene Firma, Birdhouse (Skateboards).
Tony Hawk gewann in 17 Profi-Jahren 73 seiner 103 Wettkämpfe. Aber er ist nicht nur eine Wettkampfmaschine. Er treibt den Sport auch durch innovative Tricks voran. Definitiv zur Legende wurde er 1999: Bei den X-Games (der Extremsport-Veranstaltung in den USA schlechthin) stand er als Erster den wahrscheinlich schwierigsten Trick im Skateboarden: einen 900er, eine zweieinhalbfache Drehung um die Körper-Längsachse in der Vert-Rampe.
1999 beendete er seine Profikarriere, was aber lange nicht heißt, dass er das Skateboard in die Ecke gestellt hat. Nach der Tour durch Europa geht es zurück in die Staaten, wo eine dreiwöchige Tournee ansteht.
„T“: Wie erklären Sie den Leuten, die Tony Hawk nicht kennen, wer Tony Hawk ist?
Tony Hawk: „Die beste Erklärung ist: Ich bin professioneller Skateboarder, ganz einfach. Außerdem besitze ich eine Firma, entwickle Videospiele.“
„T“: Was würde Tony Hawk ohne Skateboarden machen?
T.H.: „Ich würde sicherlich in der Computerbranche arbeiten. Mein ganzes Leben beschäftige ich mich mit Computern. Zu Beginn habe ich im Bereich Video-Bearbeitung gearbeitet.“
„T“: Ist Skateboarden gefährlich?
T.H.: „Im Vergleich zu anderen Sportarten nicht. Ohne Zweifel gibt es viel Risiko, vor allem wenn man den Sport auf Wettbewerbsniveau ausführen will. Es ist aber nur so gefährlich, wie man es selbst macht. Du kannst einfach auf deinem Skateboard auf der Straße cruisen, ohne Tricks. Du kannst dich aber auch in den großen Halfpipes versuchen, für Filme zum Beispiel. So kannst du dann die Grenzen ausloten. Auf Profi-Niveau bleiben die Verletzungen mit der Zeit nicht aus. Der wahre Test ist, ob du nach einer Verletzung wieder zurückkommen willst. Das ist die Herausforderung, die bestimmt, ob du es in den Profizirkus schaffst oder nicht. Ich fühle mich gut. Seit fast 30 Jahren bin ich Profi. Ich habe gelernt, zu was ich fähig bin, vor allem mit zunehmendem Alter. Dennoch versuche ich immer wieder neue Tricks und so denke ich nicht zu sehr an Verletzungen. Aber ich muss sagen, dass ich während einiger Jahre viele Schmerzen hatte. Ich werde den Sport so lange ausüben wie ich kann.“
„T“: Passen Skateboarden und Olympia zusammen?
T.H.: „Das ist machbar. Die Spiele benötigen Skateboarden mehr als das Skateboarden die Olympischen Spiele braucht. Die Sommerspiele benötigen etwas Cooles, Jugendorientiertes, wie z.B. skaten. Die Ursache ist einfach: Die TV-Zuschauer werden nicht jünger.“
„T“: Was macht Skateboarden zum coolen Sport?
T.H.: „Es ist nicht nur ein Sport, sondern eine Kunstform, eine Lebensauffassung. Die Leute lieben den Sport, weil sie frei sind: Du brauchst nicht auf einen Trainer zu hören, keinem strengen Trainingsplan zu folgen. Und trotzdem bist du akzeptiert.“
„T“: In Ihrer Autobiografie kann man lesen, dass Ihr erster Lohn als Skate-Profi 85 Cent (ca. 0,6 Euro) betrug. Haben Sie zu dem Moment gedacht, dass Sie mit ihrem Sport Millionär werden?
T.H.: „Ja, das war einer meiner ersten Löhne. Ich war sehr jung als ich Profi wurde (12, d. Red.). Und so habe ich nicht gedacht, dass ich mit dem Skateboarden später Karriere machen werde. Eigentlich wollte ich mich dem Skateboarden vermehrt nach der Highschool widmen. Und wenn ich dann ein gewisses Alter erreicht habe, suche ich mir einen Job. An eine große Karriere dachte ich zu dem Zeitpunkt nicht. Das kam erst, als ich die Highschool beendet hatte. Dann verdiente ich viel Geld. Meine Schulkollegen fragten sich, welchen Job sie annehmen sollen, während ich bereits einen hatte.“
„T“: Anfang der 90er Jahre schien Skateboarden von der Bildfläche zu verschwinden. Wie erklären Sie sich den Aufschwung, an dem Sie maßgeblich beteiligt waren?
T.H.: „Es waren verschiedene Dinge. Zum einen kamen die X-Games (Extremsportveranstaltung, die 1994 vom Fernsehsender ESPN gegründet wurde, d.Red.) und die damit verbundene TV-Präsenz zur rechten Zeit. Auch die Videospiele wurden immer populärer. Wir haben das Bild verstärkt und die Anerkennung des Skateboardens erhöht. In verschiedenen TV-Serien traten Skater auf, wie zum Beispiel in ‚Jackass‘ (auf MTV, d.Red.). So wurde das Bewusstsein wieder hervorgerufen, dass Skateboarden immer präsent war.“
„T“: Im vergangenen Jahr wurde in Luxemburg der erste richtige Skatepark eröffnet. Wie wichtig sind diese Einrichtungen?
T.H.: „Die Skateparks helfen, Talente hervorzubringen, aus denen dann eventuell zukünftige Profis werden. Es gibt den Jugendlichen aber auch die Chance, etwas anderes zu versuchen. Auch wenn sie keine Karriere im Skateboarden starten und dies nur als Hobby nutzen, können sie Selbstvertrauen tanken und auch aktiv und fit bleiben. Solche Projekte sind für jede Stadt wichtig. Außerdem kriegt man die Jugendlichen von der Straße. Man kann den Jugendlichen nicht dauernd sagen: ‚Hier darf man nicht skaten‘.“
„T“: Waren Sie schon mal in Luxemburg?
T.H.: „Ich war Ende der 80er Jahre einmal dort. Das war für eine Skate-Tour. Leider weiß ich nicht mehr, wo wir gefahren sind.“
„T“: Ihr Vater war eine treibende Figur in Ihrer Jugend, insgesamt und vor allem in Bezug auf das Skateboarden. Was für ein Vater sind Sie?
T.H.: „Ich bin immer interessiert, was meine Kinder (insgesamt vier, d.Red.) gerade tun und unterstütze sie auch dabei. Durch meinen Job reise ich viel: Manchmal ist es schwierig, für sie da zu sein. Wenn ich aber zuhause bin, gehört meine ganze Zeit ihnen. Dann brauche ich auch keinen Babysitter.“
„T“: Als Jugendlicher waren Sie auch ein begabter Violinist, haben dies aber dann aufgegeben. Haben Sie das Instrument in der Zwischenzeit wieder mal in der Hand gehabt?
T.H.: „Für mich waren Violine und Skateboarding sehr herausfordernd. Violine zu spielen habe ich genossen, weil es etwas anderes war. Ich wurde auf diesem Weg kreativer. Dann kam der Punkt, wo ich hätte mehr üben müssen. Mein Lehrer wollte nicht, dass ich das nebenbei mache. So musste ich es aufgeben. Vor kurzem habe ich wieder versucht zu spielen: Doch die Violine ist kein Instrument, das man einfach wieder so beginnt.“
„T“: Ihr neues Videospiel „Ride“ spielt sich mit einem richtigen Skateboard, ohne Räder. Erwarten Sie sich, dass auf diesem Weg mehr Leute sich dem Skateboard-Sport zuwenden?
T.H.: „Das wird der Fall sein, ja. Es vermittelt das Gefühl: Ich kann auf einem Skateboard stehen. Auf diese Weise kann man Gleichgewicht und Timing bereits trainieren. Mit ‚Ride‘ wird man in Zukunft Skateboarden und Snowboarden können“.
„T“: Im Snowboarden ist die Entwicklung der Sprünge in den letzten zwei, drei Jahren enorm schnell vorangeschritten. Der doppelte Olympiasieger Shaun White war eine treibende Kraft, vor allem bei den Double Corks (doppelter Salto mit dreifacher Schraube, d.Red.). Ein Snowboarder, Kevin Pearce, war beim Training für diesen Sprung fast ums Leben gekommen. Wie sehen Sie in Zukunft die technische Entwicklung in Skate- und Snowboarden?
T.H.: „Snowboarden entwickelt sich immer weiter. Der Sport steht jetzt vermehrt in der Öffentlichkeit, deshalb wird auch viel darüber diskutiert. Skateboarding geht seit jeher durch diese Entwicklung, war aber nie so viel im TV wie Snowboarden. Der Skateboard-Gemeinschaft ist es gelungen, sich selbst zu regulieren, als die Sprünge zu hoch und zu gefährlich wurden. Skateboarden hat es fertiggebracht: Höher geht nicht – lasst uns das Aktuelle besser machen.“
„T“: Mit der Tony-Hawk-Stiftung bauen Sie in US-Städten Skateparks auf. Welches Erbe wollen Sie hinterlassen?
T.H.: „Seit sieben Jahren bauen wir Parks in Städten, die es sich nicht leisten können. Zwei Millionen haben wir in dieser Zeit investiert und 500 Projekte unterstützt. Das ist das Mindeste, was ich tun kann: meinen Erfolg dafür nutzen, um den Jugendlichen eine Chance zum Skaten zu geben. Ich wuchs neben einem der letzten Skateparks der USA auf und ich habe das zu dem Moment nicht genug gewürdigt, diese Chancen gehabt zu haben. Das ist eine der Ursachen, weshalb ich so weit gekommen bin.“
De Maart
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